Die deutsche Stahlindustrie hat als Basisindustrie eine besondere Bedeutung für die industriellen Wertschöpfungsketten in Deutschland. Sie ist weltweit führend in Bezug auf Innovationen und ökologischer Nachhaltigkeit. Sie erwirtschaftet einen Umsatz von rund 170 Milliarden Euro und beschäftigt direkt rund 320.000 Menschen. Sie produzierte 2016 160 Millionen Tonnen Stahl an mehr als 500 Produktionsstandorten in 22 EU-Mitgliedstaaten.
Die zahlreichen Innovationen dieses Wirtschaftszweiges und seine enge Verflechtung mit anderen Industriebranchen tragen zu den Erfolgen etwa der Automobilindustrie oder des Maschinenbaus bei. Zugleich leistet die Stahlindustrie in Deutschland einen substanziellen Beitrag zur Verbesserung der Ressourceneffizienz und damit zum Klimaschutz. Vielfältige umweltrelevante Produkte aus innovativen Stählen wie Windkraftanlagen, hocheffiziente Turbinen zur Energieerzeugung oder leichtere Automobilkarosserien vermeiden erheblich mehr CO2, als bei ihrer Herstellung entsteht.
Die deutsche Stahlindustrie agierte auch im Jahr 2016 in einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld. Einerseits verlief die Mengenkonjunktur in Deutschland zufriedenstellend, andererseits bereiten die fortgesetzte Strukturkrise in Europa und die weltweit wachsenden Überkapazitäten Sorgen. Damit ist eine ausgeprägte internationale Wettbewerbsintensität verbunden, die sich negativ auf die erzielbaren Preise auswirkt. Insbesondere hat die Beeinträchtigung der globalen Stahlmärkte durch die chinesischen Exporte erheblich zugenommen. Die in China erkennbaren Sättigungstendenzen und daraus resultierende nachlassende Dynamik der Stahlnachfrage bleiben ohne ausreichende Anpassung der Kapazitäten. In der Konsequenz übertrafen die chinesischen Stahlausfuhren 2016 mit 108 Mio. t ein zweites Mal die 100 Mio. t Grenze (2015: 112,4 Mio t). Damit haben sie sich im Vergleich zum Wert aus dem Jahre 2012 verdoppelt.
Mit einer jährlichen Produktion von ca. 42 Mio. t ist Deutschland der siebtgrößte Rohstahlhersteller weltweit hinter China, Japan, Indien, den USA, Russland und Südkorea sowie der größte Stahlproduzent der EU-28 vor Italien, Frankreich und Spanien (2016). China ist einem Anteil von rund 50 Prozent an der globalen Produktion mit Abstand weltgrößter Produzent [5]. In Deutschland ist Nordrhein-Westfalen mit einem Anteil von rund 40 Prozent das Bundesland mit der größten Stahlerzeugung [6].
Etwa zwei Drittel des Stahls werden in Deutschland in integrierten Hüttenwerken (überwiegender Einsatz von Eisenerz; sog. Hochofenroute) erschmolzen. Das verbleibende Drittel wird über die Elektrostahlroute (Einsatz von Stahlschrott) erzeugt. Den Werkstoff Stahl zeichnet aus, dass er nahezu vollständig recycelbar ist. Damit können natürliche Ressourcen in erheblichem Umfang eingespart werden.
Die deutsche Stahlindustrie ist fest in die internationale Arbeitsteilung eingebunden. Die Importquote - bezogen auf den Umsatz - betrug 2016 ca. 62 Prozent [1][4], die Exportquote beläuft sich auf 59 Prozent. Ein weitgehender Teil der in Deutschland hergestellten Stähle geht zudem in die besonders exportintensiven Branchen wie zum Beispiel den Fahrzeugbau und den Maschinenbau.
Internationaler Wettbewerb
Die wirtschaftliche Situation der Stahlindustrie in Deutschland und Europa ist derzeit aufgrund der weltweiten Überkapazitäten im Stahlsektor schwierig. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt die Forderung, weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, um momentan bestehende Ungleichgewichte abzubauen. Der damalige Wirtschaftsminister Gabriel hatte Anfang des Jahres 2016 in einem gemeinsamen Schreiben mit sieben anderen europäischen Wirtschafts- und Energieministern an die Europäische Kommission und die Ratspräsidentschaft handelspolitische Schutzmaßnahmen gefordert, um Wettbewerbsverzerrungen im Stahlsektor zu bekämpfen.
Die Europäische Kommission hat im März 2016 ein Maßnahmenbündel vorgeschlagen, um faire Handelsbedingungen herzustellen. Dazu gehören die Einführung einer vorherigen Überwachung von Stahlimporten ("prior surveillance system") sowie eine Modernisierung der handelspolitischen Schutzinstrumente, um sie effektiv und zeitnah einsetzen zu können. Die Verhandlungen zur Modernisierung der Handelsschutzinstrumente befinden sich seit dem 21. März 2017 im Trilogverfahren. Hierbei wird unter anderem auch die Ausgestaltung des Emissionshandels ab 2020 abgestimmt. Für die Stahlindustrie ist auf europäischer Ebene die Überarbeitung der Anti-Dumping-Grundverordnung von großer Bedeutung, da diese eine neue Methodologie zur Berechnung des Dumpings vorsieht. Der Handelsministerrat hatte dazu am 11. Mai 2017 seine Position festgelegt. Das Europäische Parlament hat am 15. November 2017 die EU-Verordnung zur Neuen Methodologie für die Berechnung des Dumpings angenommen. Damit kann das EU-Legislativverfahren voraussichtlich noch im Dezember 2017 mit dem Inkrafttreten einer Neuregelung zum EU-Antidumpingrecht beendet werden.
Für die Stahlindustrie ist auf europäischer Ebene die Überarbeitung der Anti-Dumping-Grundverordnung von großer Bedeutung, die der EU-Ministerrat am 4. Dezember 2017 gebilligt hat. Die Neuregelung sieht insbesondere eine neue Methodologie zur Berechnung des Dumpings bei Vorliegen nicht marktwirtschaftlicher Verhältnisse vor. Damit steht auch in Zukunft ein wirksames und effektives handelspolitisches Schutzinstrumentarium zur Abwehr unfairer Handelspraktiken zur Verfügung.
Die Veröffentlichung der neuen Regeln im Amtsblatt der Europäischen Union ist am 19. Dezember 2017 erfolgt, dass Inkrafttreten der Neuregelung zum EU-Antidumpingrecht erfolgte mit Wirkung vom 20. Dezember 2017.
Überkapazitäten im Stahlsektor im Rahmen der G20 abbauen
Das Thema Überkapazitäten im Stahlsektor steht auch im Rahmen des G20-Prozesses auf der Agenda. So trafen sich am 16. Dezember 2016 rund 30 Mitgliedstaaten der G20 und der OECD im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Gründung des „Global Forum on Steel Excess Capacity“. Die beteiligten Staaten wollen im Rahmen dieses Zusammenschlusses den Informationsaustausch verbessern und gemeinsame Lösungen für die globale Herausforderung der Stahlüberkapazitäten erarbeiten. Es sollen Wege zum Abbau unerlaubter Subventionen und Beihilfen gefunden, und damit entstandene Überkapazitäten zurückgeführt werden. Im Mittelpunkt der Arbeit des Global Forum steht derzeit die standardisierte Informationssammlung zu Kapazitätsentwicklungen und Maßnahmen der Regierungen mit Bezug zur Stahlindustrie. Die Bundesregierung hat die deutsche G20-Präsidentschaft 2017 genutzt, um die Arbeit des Global Forum weiter voranzutreiben und hat zu mehreren Arbeitssitzungen eingeladen.
Beim ersten Ministertreffen am 30. November 2017 in Berlin haben sich die Mitglieder des Global Forums auf einen Bericht mit konkreten Handlungsempfehlungen zum globalen Kapazitätsabbau auf dem Weltmarkt verständigt. Die Empfehlungen sollen im Laufe des Jahres 2018 umgesetzt werden und betreffen die generellen Rahmenbedingungen der Stahlindustrie, die Vermeidung marktverzerrender Subventionen, die Schaffung eines „level playing field“ im Stahlmarkt, staatliche Auf- und Abbauziele, Fusionen und Übernahmen sowie Exportkredite und Transparenz.
Mit dem Bericht haben die Mitglieder des Global Forums die Vereinbarungen der G20-Erklärung von Hamburg umgesetzt. Gleichzeitig bildete das Treffen den Abschluss der deutschen G20-Präsidentschaft. Den Bericht können Sie hier (PDF, 1MB) herunterladen. Ein Faktenpapier zum „Global Forum on Steel Excess Capacity“ und zu Status Quo auf dem Weltstahlmarkt finden Sie hier (PDF, 208KB).
Branchenkonjunktur
2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | |
Produktion (Mio. t) Roheisen [6] Rohstahl [6] Warmgewalzte Stahlerzeugnisse [6] Stahlrohre [8] | 27,0 42,7 36,5 3,1 | 27,2 42,6 36,4 2,6 | 27,9 42,9 36,4 2,7 | 28,4 42,1 36,6 2,6 | 27,9 42,1 36,6 2,6 |
Umsatz (Mrd. Euro) [1] [4] | 46,3 | 41,8 | 40,1 | 37,8 | 35,1 |
Anzahl Betriebe [1] [4] | 180 | 180 | 180 | 177 | 175 |
Anzahl Beschäftigte [1] [4] | 98.479 | 97.681 | 98.592 | 98.297 | 96.957 |
Import von Stahlerzeugnissen [2] [4] [7] (Mio. t) | 20,0 | 19,5 | 20,9 | 21,4 | 21,9 |
Export von Stahlerzeugnissen [2] [4] [7] (Mio. t) | 20,7 | 19,9 | 20,2 | 20,8 | 20,7 |
[1] Die Branche umfasst hier die Positionen 24.1 und 24.2 der nationalen Wirtschaftszweigklassifikation WZ 2008 (die Position 24.3 ist dem BMWI-Branchenfokus "Stahl- und Metallverarbeitung" zugeordnet);
[2] wie [1], ohne Roheisen, Ferrolegierungen, Abfälle und Schrott, Körner und Pulver;
[3] vorläufige Angaben
Quellen:
[4] Statistisches Bundesamt;
[5] Worldsteel Association;
[6] Wirtschaftsvereinigung Stahl;
[7] Statistisches Bundesamt, ausgewertet von Wirtschaftsvereinigung Stahl;
[8] Wirtschaftsvereinigung Stahlrohre