Die Weltwirtschaft befindet sich weiter auf dem Erholungspfad. Die wirtschaftliche Dynamik hat im dritten Quartal jedoch etwas nachgelassen; das globale Bruttoinlandsprodukt dürfte um 0,8 % gegenüber dem Vorquartal zugenommen haben. Im zweiten Quartal lag die geschätzte Zunahme noch bei 1,4 %. Zu Beginn des Sommers wurde die Ausbreitung der Delta­Variante des Corona­Virus beobachtet, was zu einem neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen führte. In China wurde daraufhin bei lokalen Ausbrüchen mit umfangreichen Quarantänemaßnahmen reagiert, welche u. a. den globalen Seehandel weiter beeinträchtigten.

Diese Störungen in der Logistik verschlimmern die globalen Engpässe, die aufgrund der weltweit gleichzeitigen wirtschaftlichen Erholung im Zuge von Lockerungen der Corona­Maßnahmen ohnehin für eine große Zahl an Industrieprodukten verzeichnet werden. Insbesondere der Mangel an Vorprodukten lähmt die globale Erholung der Industriekonjunktur. Nach Zahlen von Markit Economics hat sich die Wartezeit für industrielle Vorleistungen im Oktober weiter verlängert. Derzeit werden die längsten Verzögerungen seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1998 gemeldet. Die globale Industrieproduktion dürfte nach vorläufigen Zahlen des niederländischen Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) im dritten Quartal um etwa 0,5 % gegenüber dem zweiten Quartal gesunken sein. Die gestörte Industrieproduktion trifft auf eine ungebrochen hohe Nachfrage nach Industrieprodukten. In der Folge sind hohe Preisanstiege insbesondere bei Vorleistungsgütern zu beobachten.

Betrachtet man die regionalen Ergebnisse für das BIP­Wachstum im dritten Quartal, so sind unter den großen Volkswirtschaften insbesondere für Italien mit +3,0 % und Frankreich mit +2,5 % sehr kräftige Zuwächse zu verzeichnen. Die kräftigen Steigerungen erklären sich dadurch, dass gerade diese beiden Länder die tiefsten wirtschaftlichen Einbrüche während der letzten Hochphase der Pandemie zu verzeichnen hatten. Frankreich und Italien profitieren daher besonders von der Eindämmung der Corona­Pandemie und der Wiedereröffnung zahlreicher Dienstleistungsbranchen. In den Vereinigten Staaten (+0,5 %) und China (+0,2 %) hat sich das Wachstum im dritten Quartal hingegen deutlich abgekühlt. In Deutschland hat das BIP im dritten Quartal um 1,8 % zugenommen. Dies liegt etwas unter dem Ergebnis der EU­27 mit +2,1 %.

Im vierten Quartal dürfte sich das Wachstum der Weltwirtschaft wieder beschleunigen. Der globale Einkaufsmanagerindex von Markit konnte sich im Oktober sowohl bei den Dienstleistern wie auch in der Industrie gegenüber dem Vormonat steigern. Auch die Umsatzschätzung der Analysten für die Unternehmen im MSCI­World haben sich zuletzt erhöht. Aktuelle Prognosen gehen für das vierte Quartal von einem Wachstum der Weltwirtschaft von rund 1 % aus.

Lage der Weltwirtschaft im November 2021

Für das Gesamtjahr 2021 erwartet der Konsens der bei Bloomberg gesammelten Prognosen ein Wachstum der Weltwirtschaft von 5,9 %. Im kommenden Jahr wird ein Wachstum von 4,5 % prognostiziert. Die Erwartungen der Analystinnen und Analysten haben sich angesichts der Engpässe bei industriellen Vorprodukten zuletzt etwas abgeschwächt (siehe Grafik unten). Der IWF erwartete in seiner Prognose von Mitte Oktober ebenfalls ein Wachstum der Weltwirtschaft von 5,9 % im Jahr 2021. Für das kommende Jahr ging der IWF mit 4,9 % von einer etwas höheren Zunahme des BIP als der Konsens der Analysten aus.

Lage der Weltwirtschaft im November 2021

Die Entwicklung des Welthandels kann von der Entwicklung des globalen BIP teils deutlich abweichen. Dies geschieht insbesondere dann, wenn der Wachstumsschwerpunkt mehr auf Dienstleistungen und weniger auf der Industrie liegt. Für eine Exportnation wie Deutschland ist die Entwicklung des Welthandels von hoher Bedeutung.

Welthandel

Der Welthandel, gemessen an den globalen realen Güterimporten, ist im Juli und August leicht gesunken. Für das dritte Quartal deutet sich daher, ähnlich wie bei der globalen Industrieproduktion, ein leichter Rückgang an. Der RWI­Containerumschlag­ Index, welcher den globalen Umschlag an Schiffscontainern misst, hat sich in den Monaten Juli bis September hingegen kontinuierlich erhöht. Demnach ist, trotz verbreiteter Logistikprobleme, der gesamte Umschlag um 2,5 % gegenüber dem Vorquartal gestiegen.

Für das vierte Quartal ist dennoch allenfalls ein leichter Anstieg des Welthandels zu erwarten. Die in Umfragen ermittelten Exportauftragseingänge der global wichtigsten Exporteure sind zuletzt leicht gesunken. Das Güterhandelsbarometer der WTO hat sich im November gegenüber dem letzten Stand vom August deutlich verringert und signalisiert eine Verlangsamung des Welthandelswachstums. Dieser zusammengesetzte Frühindikator besteht aus verschiedenen Einzelkomponenten. Insbesondere der globale Rückgang der Automobilproduktion hat zum derzeitigen Rückgang des Indikators beigetragen. Aber auch besonders handelsintensive Güter wie Elektronikkomponenten oder Agrargüter wurden weniger häufig ausgetauscht als in den Vormonaten. Lediglich der internationale Handel per Luftfracht konnte das positive Momentum halten. Nach einem Einbruch um 8,2 % im vorigen Jahr erwartet der IWF für den Welthandel einen Anstieg um 9,7 % im Jahr 2021 und 6,7 % für das Jahr 2022.

Vereinigte Staaten: Wachstumsabschwächung aufgrund schwächeren Konsums

In den Vereinigten Staaten hat das BIP im dritten Quartal nur um 0,5 % gegenüber dem Vorquartal zugenommen. Im zweiten Quartal konnte noch ein Wachstum von 1,6 % erreicht werden. Trotz dieses eher moderaten Anstiegs liegt das US­BIP bereits 1,4 % über dem Vorkrisenniveau. Die Wachstumsabschwächung im aktuellen Quartal lag insbesondere an der geringeren Ausweitung der privaten Konsumausgaben. Während diese im zweiten Quartal noch um 2,9 % expandierten, wurde jetzt nur noch ein Anstieg um 0,4 % ausgewiesen. Diese nachlassende Dynamik ist im Quartalsvergleich insbesondere auf geringere Ausgaben für Kraftfahrzeuge zurückzuführen. Im ersten Halbjahr kam es hier in den Vereinigten Staaten zu einem starken Anstieg der Nachfrage, welcher auf ein begrenztes Angebot traf. Dies führte auch zu stark steigenden Preisen für neue und gebrauchte Fahrzeuge. Der preisbereinigte Rückgang der Ausgaben für Automobile im dritten Quartal ist somit auch eine Reaktion auf die gestiegenen Preise. Zudem hat sich das Investitionswachstum abgeschwächt. Die Investitionen in Bauten und Ausrüstungen waren sogar rückläufig. Die Vereinigten Staaten hatten im September ein Rekorddefizit in der Handelsbilanz verzeichnet. Der Außenbeitrag dämpfte somit ebenfalls das Wirtschaftswachstum. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung hängt insbesondere davon ab, wie stark Erhöhungen der Verbraucherpreise auf dem realen Konsum lasten. Die amerikanische Inflationsrate lag im Oktober mit 6,2 % auf dem höchsten Niveau seit 30 Jahren. Der starke Anstieg im Oktober war insbesondere auf höhere Energie­ und Lebensmittelpreise zurückzuführen. Aber auch die Ausgaben für Mieten und Transport verteuerten sich deutlich, sodass die Kerninflation (ohne Lebens­ mittel­ und Energiepreise) mit 4,6 % ebenfalls auf einem sehr hohen Niveau lag.

Für das vierte Quartal deutet sich dennoch eine Wachstumsbeschleunigung an. Der Einkaufmanagerindex hat sich im Oktober insbesondere für die Dienstleister deutlich erhöht. Diese Einschätzung deckt sich mit der Entwicklung der privaten Konsumausgaben für Dienstleistungen, welche im dritten Quartal deutlich angezogen haben, aber noch immer unter dem Vorkrisenniveau liegen. Insgesamt geht der Bloomberg­Konsens derzeit von einem Anstieg des amerikanischen BIP von 5,6 % in diesem Jahr und 4 % im kommenden Jahr aus. Die Wachstumserwartungen für dieses Jahr wurden somit in den vergangenen Monaten deutlich zurückgenommen (siehe Grafik unten).

Lage der Weltwirtschaft im November 2021

Euroraum: Überraschende Wachstumsbeschleunigung im dritten Quartal

Das BIP des Euroraums ist im dritten Quartal nach vorläufigen Zahlen um 2,2 % gestiegen. Damit war das Wachstum sogar noch stärker als im ersten Quartal, als eine Zunahme von 2,1 % gemessen wurde. Für den überraschend starken Anstieg des BIP im Euroraum waren insbesondere Frankreich (+3 %) und Italien (+2,6 %) verantwortlich. In Frankreich ging der Anstieg nach ersten Einschätzungen vor allem auf einen starken Anstieg der privaten Konsumausgaben zurück.
Spanien vermeldete einen Anstieg des BIP um 2 %. Deutschland war empfindlich von den gestörten Lieferketten im Automobilsektor getroffen und expandierte mit +1,8 % etwas schwächer als der europäische Durchschnitt. Das starke Wachs­ tum im dritten Quartal wurde noch stark durch den Aufholprozess zum Vorkrisenniveau getragen. Am Ende des dritten Quartals lag das BIP des Euroraums noch knapp 0,5 % unter dem Vorkrisenniveau. Mit der Näherung daran nehmen auch die Wachstumsimpulse gerade im Dienstleistungssektor langsam ab.

Im vierten Quartal dürfte sich die konjunkturelle Dynamik verlangsamen. Darauf deuten auch die ersten Indikatoren für das vierte Quartal hin. Der Einkaufsmanagerindex für den Euroraum ist im Oktober den dritten Monat in Folge gesunken. Insbesondere unter den Dienstleistern hat sich die Stimmung verschlechtert. Diese Eintrübung könnte auch damit zusammenhängen, dass gerade in Nordeuropa die Neuinfektionszahlen mit dem Corona­Virus im Herbst deutlich angestiegen sind und somit die Geschäftsaussichten der Dienstleister eintrüben.

Lage der Weltwirtschaft im November 2021

Auch die Industrieproduktion hat sich zuletzt schwach entwickelt. Für das vierte Quartal wird von den Analystinnen und Analysten eine Wachstumsabschwächung auf etwa 1 % erwartet. Insgesamt erwartet der Konsens in diesem Jahr für den Euroraum einen Anstieg des BIP um 5,3 %. Die Wachstumsprognosen wurden seit dem Frühjahr kontinuierlich nach oben revidiert, weil sich die Wirtschaft des Euroraums besser entwickelt hat als zunächst erwartet. Im kommenden Jahr wird mit einem Anstieg des BIP um 4,3 % ebenfalls ein starkes Wachstum erwartet (siehe Grafik oben).

China: Wachstum belastet durch Energiekrise

Die chinesische Wirtschaft ist im dritten Quartal um 4,9 % gegenüber dem Vorjahresquartal gewach­ sen. Im Vergleich zum Vorquartal entspricht dies einem Anstieg von lediglich 0,2 %. Somit hat die chinesische Wirtschaft deutlich an Momentum verloren. Drei Faktoren belasteten aktuell die chinesische Wirtschaft:

  • Die Nachfrage nach Elektrizität übersteigt deutlich das Angebot, welches sich mit den vorhandenen Kohlevorräten erzeugen lässt. Da die chinesische Stromversorgung zu etwa 70 % auf Kohlekraftwerken beruht, führen nicht ausreichende Vorräte zu Engpässen in der Elektrizitätsproduktion. Um Energie zu sparen, kam es insbesondere im September zu Elektrizitätsabschaltungen in Industriebetrieben.
  • Der Immobilienkonzern Evergrande ist mit einer akuten Liquiditätsschwäche konfrontiert. An den Finanzmärkten führte das zu Befürchtungen über eine ungeordnete Insolvenz und Folgeinsolvenzen auf dem chinesischen Immobilienmarkt. Die Schieflage eines der größten Immobilienkonzerne des Landes verschlechtert die Geschäftsaussichten für den Immobiliensektor. Im dritten Quartal sind daher die Neubauaktivitäten und die Investitionen in den Wohnungsbau gesunken. Da ein Großteil des Vermögens der chinesischen Haushalte in Im­ mobilien angelegt ist, belastet die Gefahr einer Immobilienkrise auch das Konsumklima.
  • Der private Konsum in China wird zusätzlich durch lokale Ausbrüche des Corona­Virus belastet. Die chinesischen Behörden reagieren auf Ausbrüche mit umfassenden Beschränkungsmaßnahmen. Die Ausgaben für Gastronomie sind am aktuellen Rand gegenüber dem Vorjahr rückläufig.

Es ist unsicher, wie sich diese drei Belastungsfaktoren im vierten Quartal entwickeln. Auch die Unterstützung des Außenhandels dürfte nachlassen. Die chinesischen Exporte sind im Oktober um 27 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Hinter dem starken Anstieg verbergen sich aber auch deutlich erhöhte Exportpreise. Oxford Economics schätzt, dass die realen Exporte im Oktober um lediglich 6,8 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Im Vormonatsvergleich dürften die preisbereinigten Ausfuhren sogar gesunken sein.

Befragungen unter Firmen in der Industrie und im Dienstleistungssektor lassen nur eine moderate Wachstumsbeschleunigung für das vierte Quartal erwarten. Der Markit Einkaufsmanagerindex für China hat sich im Oktober für Industrie und Dienstleistungen nur leicht erhöht. Bloomberg erwartet für das vierte Quartal derzeit ein Wachstum der chinesischen Wirtschaft von knapp 1 % gegenüber dem Vorquartal. Für das Gesamtjahr 2021 wird derzeit mit einem Anstieg des BIP um 8 % gerechnet und für das kommende Jahr um 5,3 %.
Auch in China haben sich die Wachstumsprognosen im Jahresverlauf verringert (siehe Grafik unten).

Lage der Weltwirtschaft im November 2021

Japan: Temporäre Corona-Welle bremst privaten Komsum

In Japan ist das BIP im dritten Quartal um 0,8 % gegenüber dem Vorquartal unerwartet stark gesunken. Im zweiten Quartal lag das Wachstum noch bei 0,4 %. Der Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung lag insbesondere an der Zunahme der Corona­Infektionen in den Sommermonaten, bedingt durch die Ausbreitung der Delta­Variante. Mobilitätsdaten zeigen eine geringere Zahl und Dauer der Aufenthalte von Konsumentinnen und Konsumenten im Einzelhandel. Dies zeigt sich auch in den tendenziell rückläufigen Einzelhandelsumsätzen. Die privaten Konsumausgaben sind daher im dritten Quartal um 1,1 % gegenüber dem Vorquartal gesunken. Die Investitionen waren im dritten Quartal ebenfalls rückläufig. Auch von den Exporten kam kein deutlicher Wachstumsbeitrag. Die Ausfuhren sind im September nur um 1 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Aufgrund fehlender Vorprodukte kam es zu Produktionsunterbrechungen in der Automobilindustrie. In diesem Sektor sind die Exporte im September um 40 % gegenüber dem Vorjahr gesunken.

Für das vierte Quartal deutet sich jedoch eine Wachstumsbeschleunigung an. Die Zahl der Corona­Neuinfektionen ist sehr stark zurückgegangen. Die Mobilität im Einzelhandel nimmt am aktuellen Rand zu. Aufgeschobene Konsumausgaben dürften daher im vierten Quartal nachgeholt werden. Der Markit­Einkaufsmanagerindex für die Dienstleister und für die Industrie hat sich im Oktober verbessert. Der Bloomberg­Konsens erwartet daher ein BIP­Wachstum von etwa 0,7 % im vierten Quartal. Für das Gesamtjahr 2021 wird mit einem Wachstum von 2,3 %, für das kommende Jahr von 2,7 % gerechnet (siehe Grafik unten).

Lage der Weltwirtschaft im November 2021