Das Bundeskabinett hat am 24. März 2021 das Nationale Reformprogramm (NRP) 2021 beschlossen. Es verdeutlicht die Reform­anstrengungen und die umfangreichen Maßnahmen von Bund und Ländern zur Bewältigung der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen. Das Programm ist ein wesentlicher Baustein des sogenannten Europäischen Semesters. Die Bundesregierung nimmt mit dem NRP jedes Jahr Stellung zu den länderspezifischen Empfehlungen, die der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Empfehlungen der Europäischen Kommission erlassen hat.

Die Corona-Pandemie überwinden

Das NRP 2021 zeigt vor allem die umfassenden Rettungspakete und Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung während der Corona-Pandemie auf. Die aktuelle Krise bringt nicht nur gesundheitliche, sondern auch gesellschaftliche sowie wirtschafts- und sozialpolitische Herausforderungen mit sich. Daher umfasst auch die deutsche Politik zur Überwindung der Pandemie zahlreiche ineinandergreifende Aspekte.

Gesundheit schützen und die wirtschaftliche Substanz erhalten.
Reformprogramm 01

Eine erhebliche Ausweitung der Ausgaben im Gesundheitsbereich wird kombiniert mit konjunkturpolitischen Impulsen. Dazu gehören etwa verbesserte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten und erhöhte öffentliche Investitionen. Zahlreiche Hilfsprogramme zur Abfederung der wirtschaftlichen Nachteile der Pandemie sowie die ausgeweitete Möglichkeit der Kurzarbeit unterstützen die Unternehmen dabei, ihre Fachkräfte über die Krise zu halten. Neuregelungen bei der Finanzierung von Krankenhäusern und Pflegeleistungen sorgen dafür, dass das Gesundheitssystem auch unter den aktuell erschwerten Bedingungen funktioniert. Gleichzeitig engagiert sich die Bundesregierung für die Entwicklung von Impfstoffen zur Eindämmung der Pandemie. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und zugleich die Substanz der deutschen Wirtschaft in größtmöglichem Umfang zu erhalten.

Um gut 17 Mrd. Euro werden Einkommensteuerzahlerinnen und -zahler 2021 u. a. durch die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags entlastet.

Zukunftsinvestitionen stärken, insbesondere in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung

Ein weiterer Fokus des NRP 2021 liegt auf der Investitionspolitik. Es wird dargelegt, wie die Bundesregierung die vielfältigen Transformationsprozesse auf dem Weg in eine klimaneutrale, digitale Wirtschaft unterstützt. Die Bundesregierung geht hier beispielsweise durch die Einführung einer CO2-Bepreisung auch für die Sektoren Verkehr und Wärme voran. Zum 1. Januar 2021 hat Deutschland einen Brennstoffemissionshandel für alle fossilen Heiz- und Brennstoffe eingeführt, die noch nicht dem EU-Emissionshandelssystem unterlagen. Damit gibt es nun für alle fossilen CO2-Emissionen ein wirksames, auf der CO2-Intensität der Heiz- und Kraftstoffe basierendes Preissignal, das einen marktlichen Anreiz für einen kosteneffizienten Umstieg von emissionsintensiven auf klimaschonendere Technologien setzt. Weiterhin gibt die Bundesregierung Impulse für künftiges Wachstum und Produktivität in Schlüsselbereichen und fördert private Investitionen in Zukunftstechnologien wie Wasserstoff, KI und klimaschonende Mobilität.

In Kürze: Die CO2-Bepreisung unterstützt den Umstieg von emissionsintensiven auf klimaschonendere Technologien.

Eine hoher Digitalisierungsgrad ist ein Schlüssel für die erfolgreiche Bewältigung der aktuellen Herausforderungen. Die Bundesregierung strebt daher eine flächendeckende Versorgung mit gigabitfähigem Festnetz bis 2025 an. Darüber hinaus wurden Digitalisierungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung angestoßen und kleine und mittlere Unternehmen werden bei der Digitalisierung besonders gefördert. Ordnungspolitisch ist das GWB-Digitalisierungsgesetz ein Meilenstein für fairen Wettbewerb in digitalen Märkten.

Strukturen für Wachstum und Beschäftigung schaffen

Die Bundesregierung unternimmt zugleich weitere Schritte zum Abbau steuerlicher und bürokratischer Belastungen und setzt nicht zuletzt Anreize zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung. Allein durch das Zweite Gesetz zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen und durch die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags werden Einkommensteuerzahlerinnen und -zahler 2021 um gut 17 Milliarden Euro und 2022 um gut 22 Milliarden Euro entlastet. Dies sind die größten unbefristeten Steuersenkungen der letzten Jahre. Auch beim Bürokratieabbau geht es voran: Eine hochrangige Expertengruppe zur Erarbeitung von Regelungsinhalten für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV hat sich am 2. März 2021 auf ein Bürokratieabbaupaket verständigt. Die darin enthaltenen gesetzlichen und untergesetzlichen Maßnahmen sollen noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Die aktuelle Krise hat nicht zuletzt noch einmal verdeutlicht, wie systemrelevant eine zuverlässige Kinderbetreuung ist. Der Bund unterstützt daher Länder und Gemeinden bei der Finanzierung des Ausbaus der Kindertagesbetreuung. Außerdem plant die Bundesregierung, bis 2025 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter zu schaffen.

In Kürze: Familien: Mehr Unterstützung des Bundes für die Kinderbetreuung

Das NRP als Element der wirtschaftspolitischen Koordinierung in der EU

Der Europäische Rat hat die Einführung des Europäischen Semesters im Juni 2010 beschlossen und es erstmalig im Jahr 2011 durchgeführt. Das Semester führt die wirtschafts-, finanz- und beschäftigungspolitische Koordinierung in der Europäischen Union zusammen und soll dazu beitragen, notwendige Reformen in den Mitgliedstaaten besser zu überwachen. Die Finanz- und Staatsschuldenkrise hatte gezeigt, dass es zur Wahrung wirtschaftlicher Stabilität und nachhaltigen Wohlstands in Europa aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten der europäischen Volkswirtschaften nicht ausreicht, allein auf die Einhaltung des fiskalpolitischen Regelwerks mit Zielen für den Schuldenstand und die Defizite der Mitgliedstaaten zu achten. Seither werden im Rahmen des Europäischen Semesters auch die Wirtschaftspolitiken der europäischen Staaten umfassend betrachtet und analysiert. Der Rat der EU beobachtet dabei auf der Grundlage von Berichten der Europäischen Kommission (EU-Kommission) die wirtschaftliche Entwicklung in jedem Mitgliedstaat. Die länderspezifischen Empfehlungen des Rates zur Wirtschafts-, Struktur- und Finanzpolitik und die darauf Bezug nehmenden Nationalen Reformprogramme, die die Mitgliedstaaten einreichen, sind ein zentrales Element im Europäischen Semester.

NRP: zentrales Berichtsdokument zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen

Die länderspezifischen Empfehlungen werden in der Regel im Mai jedes Jahres von der EU-Kommission entworfen und dem Rat vorgelegt. Im Juni berät der Rat der EU über die vorgeschlagenen länderspezifischen Empfehlungen und verständigt sich auf die Endfassung. Der Europäische Rat billigt sodann die endgültigen Empfehlungen. Im Juli nimmt der Rat der EU die länderspezifischen Empfehlungen an. Die Mitgliedstaaten sind zur Umsetzung dieser Empfehlungen aufgefordert. Zentrales Berichtsdokument zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen sind die Nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten.

Die EU-Kommission stellt üblicherweise für die Erstellung des NRP Leitlinien auf und verfasst – im Februar des auf die Veröffentlichung der länderspezifischen Empfehlungen folgenden Jahres – so genannte Länderberichte. In diesen Länderberichten bewertet die EU-Kommission unter anderem die Fortschritte des jeweiligen Landes bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen.

Empfehlungen aus dem Krisenjahr 2020 und dem Vorjahr werden berücksichtigt
Reformprogramm 02

Länderspezifische Empfehlungen des Rates der Europäischen Union für Deutschland 2019/20 und 2020/2


Der Rat der Europäischen Union empfiehlt, dass Deutschland 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um ...

  1. unter Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels die Haushalts- und Strukturpolitik zu nutzen, um bei den privaten und öffentlichen Investitionen vor allem auf regionaler und kommunaler Ebene einen anhaltenden Aufwärtstrend herbeizuführen.
  2. den Schwerpunkt seiner investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf Bildung, Forschung und Innovation, Digitalisierung und Breitbandnetze mit sehr hoher Kapazität, nachhaltigen Verkehr sowie auf Energienetze und bezahlbaren Wohnraum zu legen.
  3. die Besteuerung von der Arbeit auf Quellen zu verlagern, die einem inklusiven und nachhaltigen Wachstum weniger abträglich sind.
  4. bei Unternehmensdienstleistungen und reglementierten Berufen den Wettbewerb zu verstärken.
  5. die Fehlanreize, die einer Aufstockung der Arbeitszeit entgegen- wirken, darunter auch die hohe Steuer- und Abgabenbelastung, insbesondere für Gering- und Zweitverdiener zu reduzieren.
  6. Maßnahmen einzuleiten, um die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems zu sichern, und dabei gleichzeitig ein angemessenes Rentenniveau aufrechtzuerhalten.
  7. die Voraussetzungen für die Förderung eines höheren Lohnwachstums zu stärken und dabei gleichzeitig die Rolle der Sozialpartner zu achten.
  8. die Bildungsergebnisse und das Kompetenzniveau benachteiligte Gruppen zu verbessern.

Der Rat der Europäischen Union empfiehlt, dass Deutschland 2020 und 2021 ...

  1. im Einklang mit der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, um die Corona-Pandemie wirksam zu bekämpfen, die Wirtschaft zu stützen und die darauffolgende Erholung zu fördern.
  2. sobald die wirtschaftlichen Bedingungen es zulassen, eine Haushaltspolitik verfolgt, die darauf abzielt, mittelfristig eine vorsichtige Haushaltslage zu erreichen und die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten, und gleichzeitig die Investitionen erhöht.
  3. ausreichende Mittel mobilisiert und die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssystems, unter anderem durch den Einsatz elektronischer Gesundheitsdienste, stärkt.
  4. durchführungsreife öffentliche Investitionsprojekte vorzieht und private Investitionen unterstützt, um die wirtschaftliche Erholung zu fördern.
  5. schwerpunktmäßig in den ökologischen und digitalen Wandel investiert, insbesondere in nachhaltigen Verkehr, saubere, effiziente und integrierte Energiesysteme, digitale Infrastruktur und Kompetenzen, Wohnungsbau, Bildung sowie Forschung und Innovation.
  6. die digitalen Verwaltungsleistungen auf allen Ebenen verbessert und die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen fördert.
  7. den Verwaltungs- und Bürokratieaufwand für Unternehmen verringert.1

Abweichend von diesem regulären Ablauf hat die EU-Kommission in diesem Jahr keinen Länderbericht erstellt und auch keine gesonderten Leitlinien zum NRP gegeben. Dies dürfte der besonderen Corona-Situation geschuldet sein,
in der die europäischen Institutionen eine klare Priorität auf die Bekämpfung der Pandemie und die Stabilisierung der Wirtschaft legen. Aus demselben Grund wird die EU-Kommission in diesem Jahr lediglich finanzpolitische Empfehlungen aussprechen, die primär für die parallel zu den Nationalen Reformprogrammen zu entwerfenden Stabilitäts- oder Konvergenzprogramme relevant sind. Der Fokus der EU-Kommission liegt aktuell auf der Europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität und darauf beruhenden nationalen Aufbau- und Resilienzplänen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, möglichst bald wieder zu den bewährten Prozessen des Europäischen Semesters zurückzukehren.

Reformprogramm 03

Für die Nationalen Reformprogramme 2021 hat die EU-Kommission darum gebeten, zusätzlich zu den Empfehlungen aus dem Krisenjahr 2020 auch erneut die Empfehlungen aus dem Jahr 2019 in den Blick zu nehmen (Kasten).

Es ist das gemeinsame Anliegen der EU-Kommission und der Bundesregierung, Parlamente und Interessengruppen schon bei der Erstellung des NRP zu beteiligen. Neben den Ländern wurden auch Verbände und Sozialpartner sowie der Bundestag mit dem NRP befasst.

Die Länder haben umfassend zu eigenen Maßnahmen beigetragen.

Der Bundeswirtschaftsminister wird der EU-Kommission das NRP 2021 bis spätestens Ende April übermitteln.

Mehr zum Thema

Das NRP 2021 und die Stellungnahmen der Verbände und Sozialpartner sind auf der Website des BMWi abrufbar: bmwi.de/nationales-reformprogramm-2021

Kontakt

SVEN BERGSCHMIDT, DR. MARTIN MEURERS,
DR. ELISABETH ROBRA & DR. KATJA FUDER
Referat: Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik

STEPHAN HEINE
Referat: Koordinierung und Steuerung der Energiewende

schlaglichter@bmwi.bund.de