In den transatlantischen Beziehungen ist mit der neuen US-Regierung wieder eine stärkere Kooperation möglich

Illustration zum Thema "Für eine bessere Partnerschaft mit den USA"

© Moritz Wienert

Die neue US-Regierung unter Führung von Präsident Joe Biden bietet die Gelegenheit zu einem Neustart in den transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen, die jedoch unter innenpolitischen Vorzeichen in den USA stehen. Kurzfristig sind daher pragmatische Schritte zur Lösung der handelspolitischen Konflikte mit den USA, die letztlich beide Seiten belasten, erstrebenswert. Mittel- bis langfristig sollte eine neue transatlantische Dynamik zu weiteren Handels- und Investitionserleichterungen und zu einer Stärkung des multilateralen Regelsystems führen. Wie die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst in ihrer gemeinsamen Mitteilung von Dezember 2020 zur künftigen EU-USA-Agenda darlegen, muss dies aber vor dem Hintergrund der Frage angegangen werden, wie die Erfahrungen der letzten Jahre und die veränderte Weltlage zu einer neuen und besseren Zusammenarbeit bei den globalen Herausforderungen führen können.

Deutschland und Europa verbindet mit den Vereinigten Staaten von Amerika eine lange, gewachsene Freundschaft auf dem Fundament geteilter Werte und gemeinsamer Interessen. Ökonomisch sind die USA insbesondere für deutsche Exporte wichtigstes Zielland: So wurden 2019 Waren für knapp 119 Mrd. Euro in die USA exportiert, das entspricht rund 8,9 % aller deutschen Warenexporte. Die Importe aus den USA nach Deutschland lagen bei gut 71 Mrd. Euro bzw. ca. 6,6 % der deutschen Importe. Der Dienstleistungshandel mit den USA belief sich 2019 auf knapp 72 Mrd. Dollar (Exporte in die USA: 35 Mrd. Dollar, Importe aus den USA: 37 Mrd. Dollar). Auch durch die Corona-Pandemie hat sich die relative Bedeutung der USA im Handel mit Deutschland nicht wesentlich geändert.

Zudem sind die zwei Länder wirtschaftlich auch durch Investitionen eng verflochten: Gemäß Daten für 2018 haben deutsche Unternehmen in den USA rund 861.000 Arbeitsplätze geschaffen und sind der drittgrößte ausländische Arbeitgeber. Deutsche Direktinvestitionen in den USA betrugen 2019 rund 373 Mrd. Dollar. Berechnet nach dem Sitz des letztendlichen Eigentümers (Ultimate Beneficial Owner UBO) ist Deutschland in 2019 sogar drittgrößter Investor in den USA. Auch umgekehrt ist die Verflechtung deutlich sichtbar: Die USA sind der größte außereuropäische Investor in Deutschland. 2019 betrug der Bestand an amerikanischen Direktinvestitionen in Deutschland 148 Mrd. Dollar. Amerikanische Tochterunternehmen haben damit 2018 in Deutschland ca. 675.000 Arbeitsplätze geschaffen.

In Kürze
Mit Direktinvestitionen in Höhe von 373 Mrd. Dollar ist Deutschland drittgrößter Investor in den USA.

Trotz enger Verbindungen: Ein Zurück zu alten Handlungsmustern wird es wohl nicht geben. Nicht nur die Corona-Pandemie bringt neue individuelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen. Sichtbar ist vor allem eine veränderte weltpolitische Lage: China und die USA stehen offener als je zuvor im Wettbewerb um die ökonomische, politische und militärische Vormachtstellung. Wirtschaftspolitisch verändert sich die weltweite Arbeitsteilung durch die Digitalisierung mit Auswirkungen auf Lieferketten, Produktionsformen und neuen Lebens- und Arbeitsmodellen. Die Folgen des Klimawandels treten teils schon jetzt dramatisch sichtbar hervor, auch in den USA. Erfahrungen der letzten Jahre zeigen außerdem, dass sich handels- und wirtschaftspolitische Beziehungen stärker als in den vergangenen Jahren an jeweils innenpolitischen Notwendigkeiten orientieren.

Rückwirkung innenpolitischer Entwicklungen auf handelspolitische Beziehungen

2020 verzeichneten die USA einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von rund 4 %. Für 2021 wird eine Erholung erwartet, wobei Experten ein BIP-Wachstum zwischen 4 bis über 6 % kalkulieren. Dabei gehen Analysen davon aus, dass sich die US-Exporte langsamer erholen werden als die Importe z. B. aus Europa, die bald wieder zulegen könnten. Erst ein stärkeres globales Wachstum und die Erholung des internationalen Reiseverkehrs sowie ein weiterhin schwacher Dollar könnten das US-Exportwachstum ankurbeln.

Innenpolitisch wird in den USA von Ökonomen eine weiter steigende soziale Ungleichheit diskutiert, auch durch die asymmetrischen Arbeitsmarkteffekte in der Corona-Pandemie (Goldman Sachs Research). Vor allem Beschäftigte mit einem niedrigeren Bildungsniveau sind in den von der Pandemie besonders betroffenen Branchen beschäftigt gewesen. Verschärfend wirken könnte die Geldpolitik, die mittelbar nicht gleichermaßen bei den privaten Verbrauchern ankommt, dafür aber die Aktien- und Immobilienmärkte und die Preise für Vermögenswerte nach oben treibt. Andererseits sind gerade die fiskalpolitischen Hilfen der US-Regierung in der Corona-Krise besonders umfangreich und stimulieren Konsum und Investitionen, reduzieren die Arbeitslosigkeit und ebenso die Ungleichheit.

Das wirtschaftspolitische Programm von US-Präsident Biden setzt dabei auf zügige Verbesserungen im Inland: Ankündigungen zufolge soll fiskalpolitisch auf mehr Investitionen, insbesondere in Infrastruktur und grüne Energie, aber auch zugunsten von Gesundheitsleistungen und Schulen sowie auf Vergünstigungen für Beschäftigte wie dem „Earned income tax credit“, eine Art „kleine negative Einkommensteuer“, gesetzt werden. Darüber hinaus sollen Steuersenkungen der Vorgänger-Regierung rückgängig gemacht und Produktionsanreize in den USA geschaffen werden.

Die mögliche Suche nach Gemeinsamkeiten der politischen Lager in den USA und eine Betonung nationaler Gemeinsamkeiten dürften daher nicht zuletzt auch in der US-Wirtschaftspolitik ihren Niederschlag finden. Da insbesondere Verluste von Industriearbeitsplätzen politisch stark thematisiert werden, ist ein Kurs der Renationalisierung von Lieferketten („Made in America“) selbst gegen Kritik aus der US-Wirtschaft auch unter der künftigen Biden-Regierung zu erwarten, wenngleich deren Strategie mehr durch verstärkte Anreize und Investitionsförderpolitik geprägt sein dürfte als durch Beschränkungen im Handel. Es gilt vor diesem Hintergrund bei Beobachtern als unwahrscheinlich, dass in der Zollpolitik ein schneller Kurswechsel erfolgt: Während die Erhebung von Zöllen in der Regel einfacher durchzusetzen ist, stehen ihrer Aufhebung häufig einflussreiche gesellschaftliche Gruppierungen entgegen. Eine wichtige Aufgabe ist es aber jedenfalls, solche Zölle in Übereinstimmung mit den bestehenden WTO-rechtlichen Verpflichtungen zu bringen.

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© Moritz Wienert

Positive Vorzeichen für die künftigen Beziehungen

Bei allen politischen Unwägbarkeiten erscheinen die Vorzeichen für die transatlantischen Beziehungen aber positiv. Zu erwarten ist eine relativ stabile, aber kompromissbereitere Fortsetzung der Beziehungen, die aber insbesondere mit Blick auf das multilaterale Handelssystem einigen Veränderungen unterliegen dürften.
Für Europa geht es darum, die Handelsstreitigkeiten in einem fairen und gerechten Interessenausgleich zu lösen. Dazu gehören Themen wie Zollsenkungen und ebenso der Umgang mit Sanktionen oder das Thema Nordstream II. In einem größeren Kontext geht es aber z. B. auch um die politische Grundsatzeinigung zum EU-China Investitionsabkommen von Ende 2020.

In Kürze
Europa strebt in Streitigkeiten einen fairen Interessenausgleich an.

In einer erfolgreichen Mini-Vereinbarung im letzten Jahr zur Zollliberalisierung einzelner Produkte wurden von der EU-Importzölle auf Hummerprodukte beseitigt, während die USA Importzölle für bestimmte Industrieprodukte gesenkt hat.

Jetzt konzentrieren sich die Diskussionen auf eine Senkung bzw. Abschaffung der US-Zölle zum Beispiel auf Stahl- und Aluminiumimporte und auf eine mögliche Einigung im Airbus/Boeing-Streit sowie die Beseitigung der daraus resultierenden erheblichen Strafzölle. Hierbei sind vor allem die wechselseitigen Vorteile möglicher Konfliktlösungen ein starkes Motiv, um schrittweise Verbesserungen zu erreichen. Denn letztlich zahlen Industrie und Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks höhere Preise für Waren und haben weniger Auswahl durch geringeren Wettbewerb. Auch will die EU darauf dringen, nicht mehr als Risiko für die nationale Sicherheit der USA betrachtet zu werden, damit ihre Exporte nicht mehr mit bestimmten Zöllen (nach Sec. 232 des US-Trade Act 1962) belastet werden können. Das gilt als eine Grundvoraussetzung für eine vertrauensvolle künftige Zusammenarbeit auf allen Politikfeldern.

Außerdem ist zu eruieren, ob ein Industriezollabkommen möglich wäre und wie gemeinsame Lösungen bei der regulatorischen Zusammenarbeit, bei der gegenseitigen Anerkennung von Zertifizierungen oder der Weiterentwicklung von Normen und Standards entwickelt werden können. Der Vorschlag der EU-Kommission, einen transatlantischen Trade and Technology Council einzurichten, wird hierbei von vielen begrüßt.

Beim Thema Digitalsteuern erscheint eine kooperative Lösung im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wünschenswert; auch die US-Seite dürfte daran trotz aller widersprüchlichen Signale im letzten Jahr ein Interesse haben, um nationale oder europäische Digitalsteuern, die in erster Linie auf große US-Unternehmen abzielen, zu vermeiden.
Ein weiterer künftiger Schwerpunkt sind Themen der Digitalisierung wie z. B. die Plattformregulierung und der Schutz der Privatsphäre.

So ist die Frage nach der Regulierung der Marktmacht von großen Technologiekonzernen (auch „Big Tech“ genannt) in jüngster Zeit auf beiden Seiten des Atlantiks in den politischen Fokus gerückt. Die EU-Kommission hat mit ihren Vorschlägen für eine Verordnung über digitale Märkte und eine Verordnung über digitale Dienste bereits Ende 2020 konkrete Entwürfe vorgelegt, um den fairen Zugang zu digitalen Märkten sicherzustellen und besser zu gestalten. Gleichzeitig nimmt in den USA die Zahl derer zu, die eine Beschränkung der Macht der digitalen Konzerne fordern, wie unlängst im Untersuchungsbericht aus dem Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses zum Wettbewerb in digitalen Märkten deutlich wurde.

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Faire Spielregeln mit China und Reform der Welthandelsorganisation (WTO)

Ein gewichtiges Thema bleibt jedoch der Umgang mit China. Das jüngst von China und 14 weiteren Vertragspartnern unterzeichnete regionale Handelsabkommen „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP), deren Partner für rund 30 % des globalen BIP stehen, macht trotz geringer Regelungstiefe deutlich, dass sich die globalen handelspolitischen Gewichte weiter Richtung Asien-Pazifik verschieben.

In der US-Politik könnte das bislang angestrebte Ziel einer Verringerung des Handelsbilanzdefizits relativ an Bedeutung verlieren. Dafür könnten Technologie-Themen und die Rolle von chinesischen Staatsunternehmen sowie Subventionen verstärkt in den strategischen Fokus rücken. Die designierte neue US-Handelsbeauftragte befürwortet ein Zusammenspiel aus internationaler und nationaler Wirtschaftspolitik, das nicht nur aus „defensiven“ Maßnahmen wie Zollpolitik besteht. Vielmehr sollten die USA in die Offensive gehen und vor allem die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Sie spricht sich für einen strategischen Ansatz in Bezug auf Lieferketten und Industriepolitik aus und strebt eine Verzahnung der Handels- mit der Klima-, Wirtschafts- und Industriepolitik an.

In Kürze
Technologie-Themen, China und Wettbewerbsfähigkeit rücken in den Fokus.

Die Europäische Union wird dabei als Partner der USA gefragt sein. Der europäische Ansatz, insbesondere den regelgebundenen Handel zu stärken, wird vor allem Arbeiten an einer Reform der Welthandelsorganisation (WTO) und der Weiterentwicklung ihres Regelwerks bedeuten. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Positionen zur WTO-Modernisierung weiter durch grundlegende Interessenunterschiede zwischen der EU und den USA wie z. B. hinsichtlich der zweigliedrigen WTO-Streitschlichtung geprägt bleiben. Gleichzeitig besteht aber durch die Betonung des multilateralen Ansatzes im zurückliegenden Wahlkampf von Präsident Biden die Hoffnung, dass die USA zu einem konstruktiveren Verhandlungsansatz zurückkehren und sich bei ähnlichen Interessen wieder enger mit Partnern abstimmen. Die Einigung bei der Besetzung des Generaldirektorenpostens ist ein wichtiger erster Schritt.

Die Ernennung von John Kerry als Klimabeauftragtem mit Sitz im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses und Präsident Bidens Ankündigung, Klimaneutralität vor 2050 anzustreben, lassen schließlich die Stärkung der internationalen Klima- und Energiepolitik erwarten. Ob die EU mit ihrer ambitionierten klimapolitischen Agenda auf offene Ohren stößt, wird angesichts der Entscheidung der USA zum Wiedereintritt in das Pariser Klimaabkommen allgemein optimistischer gesehen.

Energiepolitisch plant die neue US-Regierung den massiven Umbau und die Dekarbonisierung des amerikanischen Energiesektors. Innovationen sollen angestoßen werden, um Kostensenkungen bei Technologien zu erzielen, auf die auch Deutschland und Europa setzen, u. a. Batteriespeicher, grüner Wasserstoff, Technologien für negative Emissionen, Energieeffizienz und Offshore-Wind. Daher bietet es sich für Deutschland an, die vertiefte energiepolitische Zusammenarbeit mit den USA zu suchen. Davon würde auch die Wirtschaft profitieren, denn: Deutsche Unternehmen verfügen über das Know-How und die Technologien in Schlüsselbereichen der Energiewende.

Bei ähnlichen innenpolitischen Herausforderungen, einer global veränderten Weltordnung und wechselseitiger Abhängigkeit bleiben Deutschland, Europa und die USA aufeinander angewiesen. Der transatlantische Interessenausgleich ist kein Nullsummenspiel. Es braucht eine bewusst langfristige Perspektive, um die wechselseitigen Vorteile und Gemeinsamkeiten wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

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© Moritz Wienert

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Dr. Berend Diekmann & Dr. Michael Killper
Referat: USA, Kanada und Mexiko
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