Wohlfahrtsbetrachtungen in Ergänzung zum Inlandsprodukt

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Gesamtwirtschaftliches Wachstum, gemessen am Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts, kann für Wohlstand, Beschäftigung und soziale Sicherheit sorgen. Ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ist jedoch nicht alleiniges Ziel der Wirtschaftspolitik. Es gibt viele weitere Aspekte von „Wohlfahrt“, die bei politischen Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen. Die Debatte um eine zielführende Indikatorik zur Wohlstandsmessung hat nach wie vor keinen Abschluss gefunden. Dennoch erscheint es zielführend, diese trotz der Herausforderungen weiterzuführen.

Der Begriff „Wohlfahrt“ umfasst eine Palette von unterschiedlichen Aspekten sozialer, ökologischer und ökonomischer Entwicklungen und ist eng mit dem Nachhaltigkeitsbegriff verwandt, wie er insbesondere im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie definiert ist. Danach ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung Maßstab des Regierungshandelns und Richtschnur deutscher Politik für alle Bereiche, gerade auch für die Wirtschaftspolitik. Den Ansatz einer umfassenden Wohlfahrtsmessung verfolgte auch der 2016 beschlossene und laufend aktualisierte Bericht der Bundesregierung zur Messung der Lebensqualität („well-being“) aus der Perspektive von Bürgerinnen und Bürgern.

Der vorliegende Beitrag möchte den Blick auf verschiedene, das Bruttoinlandsprodukt ergänzende Indikatoren lenken. Die im Folgenden dargestellten Indikatoren stammen überwiegend aus der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Sie ergänzen die unter anderem im Jahreswirtschaftsbericht bereits aufgeführten Nachhaltigkeitsaspekte und veranschaulichen beispielhaft die Entwicklung unterschiedlicher Bereiche von Wohlfahrt in den fünf Themenfeldern „Wachstum und Beschäftigung“, „Umwelt und Klimaschutz“, „Soziales und Bildung“, „Gesundheit und Demographie“ sowie „Generationengerechtigkeit und Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“ über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren. Die Themenfelder und Indikatoren decken sich zudem in großen Teilen mit dem Bericht der Bundesregierung zur Lebensqualität Deutschland: www.gut-leben-in-deutschland.de. Neben der grafischen Visualisierung werden die Entwicklungen im Kontext wirtschafts- und finanzpolitischer Vorhaben und Ziele beschrieben. Der Artikel greift bewusst einzelne Aspekte heraus und ist daher für die aufgeführten Themenfelder nicht abschließend und ersetzt nicht die breitere Berichterstattung im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie.

In Kürze
Themenfelder decken sich großteils mit dem Bericht zur Lebensqualität.

1. Wachstum und Beschäftigung

Einer der zentralen Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik besteht darin, ein hohes Beschäftigungsniveau in allen Regionen zu ermöglichen. Erwerbsarbeit ist wichtig für die Haushaltseinkommen und für gesellschaftliche Teilhabe. Nicht zuletzt aufgrund der guten konjunkturellen Lage in den letzten Jahren und einer damit einhergehenden hohen Arbeitskräftenachfrage, stieg die Erwerbstätigenquote von Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren von 78,0 % (2015) auf 80,6 % (2019).

Abbildung 1: Wachstum und Beschäftigung (Veränderungen seit 2015)

Abbildung 1: Wachstum und Beschäftigung (Veränderungen seit 2015)

© StBA, FidAR; eigene Darstellung (Absolutgrößen und Quoten sind unterschiedlich skaliert)

Die zunehmende Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt kann einen wichtigen Beitrag leisten, das Angebot an Arbeitskräften zu erhöhen und gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern. Von 2015 bis 2019 stieg die Erwerbstätigenquote von Frauen um 3,0 Prozentpunkte auf 76,6 % und damit etwas mehr als die Gesamtquote (+2,6 Prozentpunkte). Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen ist ein wichtiges politisches Ziel. In Aufsichtsräten der börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen ist der Anteil von Frauen mittlerweile auf 35,2 % gestiegen. In den Vorständen dieser Unternehmen lag der Frauenanteil bei 11,5 %. Zum Vergleich: Das Bundeskabinett hat derzeit einen Frauenanteil von knapp 44 %, im Bundestag sind es 31,2 %.

Das Fundament für Wachstum und Beschäftigung wird nicht zuletzt durch Forschung und Entwicklung (F&E) gelegt. Deshalb ist es wichtig, dass Staat und Unternehmen in FuE investieren. Im Zeitraum von 2015 bis 2019 stiegen die FuE-Ausgaben anteilig am BIP von 2,93 % auf 3,17 %. Im Jahr 2025 soll dieser Wert bei 3,5 % liegen, damit Deutschland auch weiterhin ein weltweit führender Innovationsstandort bleibt und seine hohe Wettbewerbsfähigkeit mit herausragenden Produkten „Made in Germany“ aufrechterhält.

In Kürze
Technischer Fortschritt steigert Arbeitsproduktivität und Wettbewerbsfähigkeit.

Für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist die Arbeitsproduktivität eine zentrale Kennzahl. Aufgrund des technischen Fortschritts wächst die Produktivität typischerweise über die Zeit. Steigende Arbeitsproduktivität ist auch eine wichtige Grundlage für steigende Löhne. In Deutschland ist die Arbeitsproduktivität angesichts guter fachlicher Qualifikationen der Beschäftigten sowie des hohen Kapitaleinsatzes in modernen Produktionsanlagen jedoch bereits auf einem hohen Niveau. Die Arbeitsproduktivität, gemessen pro Erwerbstätigenstunde, erhöhte sich in Deutschland zwischen 2015 und 2017, stagniert aber seitdem.

2. Umwelt und Klimaschutz

Eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts besteht darin, Wirtschaftswachstum und einen hohen Lebensstandard in Einklang mit dem Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu bringen und auch für zukünftige Generationen zu sichern. Investitionen in Umwelttechnologien, beispielsweise in erneuerbare Energien, tragen sowohl zum Wachstum als auch zum Erhalt unserer Umwelt und zum Klimaschutz bei.

Deutschland hat sich im Pariser Abkommen international auf ambitionierte Ziele zur Emissionsminderung verpflichtet und diese mit dem Klimaschutzprogramm 2030 und dem Klimaschutzplan 2050 konkretisiert sowie mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz rechtlich unterlegt. Der kontinuierliche Ausbau der Wind- und Solarenergie in Deutschland hat dazu geführt, dass schon heute fast die Hälfte des Stroms „grün“ erzeugt wird. Bezogen auf den Brutto-Endenergieverbrauch, der alle Energieprodukte erfasst, stieg ihr Anteil im Zeitraum von 2015 bis 2018 von 15,1 auf 16,5 % – und im Jahr 2019 weiter auf 17,1 %. Mit der Förderung von E-Mobilität und Wasserstoff als alternativen Energieträger hat die Bundesregierung wichtige Weichen gestellt, um das Ziel eines hohen Anteils erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch erreichen zu können.

Abbildung 2: Umwelt und Klimaschutz (Veränderungen seit 2015)

Abbildung 2: Umwelt und Klimaschutz (Veränderungen seit 2015)

© StBA, UBA, AGEE/BMWi; eigene Darstellung (Absolutgrößen und Quoten sind unterschiedlich skaliert)

Zwischen den Jahren 2015 und 2019 sanken die deutschen Treibhausgasemissionen von 906,3 auf 804,6 Mio. t (-11 %) bei einer gleichzeitigen Zunahme der Wirtschaftsleistung um etwa 7 %. Aufgegliedert nach Sektoren zeigt sich allerdings, dass in einigen Bereichen wie zum Beispiel dem Verkehr noch Handlungsbedarf besteht. Relativ zum Jahr 2005 war der Energieverbrauch im Güterverkehr bis 2015 um 2,8 % gestiegen und bis zum Jahr 2018 sogar um 6,2 %.

Zur Schonung natürlicher Ressourcen kommt auch der weitgehenden Schließung von Stoffkreisläufen eine wichtige Rolle zu. Einen hohen Stellenwert nehmen in diesem Zusammenhang Abfälle ein. Am Beispiel des Indikators der behandelten und stofflich verwerteten Siedlungsabfälle zeigt sich, dass die Recyclingquote in Deutschland seit Jahren auf einem hohen, stabilen Niveau ist. Rund zwei Drittel (2018: 67,1 %) des gesamten Siedlungsabfallaufkommens werden behandelt und stofflich verwertet, d. h. nicht deponiert oder verbrannt.

Welche Potentiale bei der Reduzierung von negativen Umweltauswirkungen auf Unternehmensebene bestehen, veranschaulicht der Einsatz von so genannten Umweltmanagementsystemen. Sie dienen dazu, die Umweltleistungen von Unternehmen kontinuierlich zu verbessern, Umweltrisiken zu minimieren und mithin auch Kosten zu sparen. Das von der EU entwickelte EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) verzeichnete in den vergangenen Jahren wieder eine Zunahme an Registrierungen. Im Jahr 2019 waren 2.170 Standorte im EMAS-Register eingetragen, vier Jahre zuvor waren es 1.998. Positiv ist, dass immer mehr Unternehmensstandorte EMAS nutzen. Um das Ziel von 5.000 Standorten im Jahr 2030 zu erreichen, muss die Attraktivität des Systems aber noch weiter gesteigert werden.

3. Soziales und Bildung

Wichtige Dimensionen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sind auch ein hohes Bildungsniveau und sozialer Zusammenhalt. Vor diesem Hintergrund sind die Förderung von Chancengleichheit, die Überwindung sozialer Benachteiligung sowie die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands zentrale Ziele politischen Handelns.

In Kürze
Die Stärkung von Chancengleichheit ist eines der zentralen Ziele.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird durch das Ausmaß sozialer Ungleichheit, die sich unter anderem in der Einkommensverteilung widerspiegelt, beeinflusst. Ein Indikator hierfür ist das so genannte Quintilsverhältnis, das den relativen Einkommensabstand zwischen dem oberen und unteren Bereich der Einkommensverteilung (der Nettoäquivalenzeinkommen) beschreibt. Danach stand einer Person am unteren Ende der einkommensstärksten 20 % der Bevölkerung im Jahr 2018 ein rund 5-mal höheres Einkommen zur Verfügung als einer Person am oberen Ende der einkommensschwächsten 20 % der Bevölkerung (2015: 4,8). In den vergangen zehn Jahren ist jedoch kein eindeutiger Trend erkennbar, der Wert pendelt zwischen 4,3 (2012) und 5,1 (2014, 2018).

Langzeitarbeitslose gehören typischerweise zu den einkommensschwachen Mitgliedern unserer Gesellschaft und Langzeitarbeitslosigkeit kann mit einer Fülle sozialer Probleme einhergehen. Es ist explizites Ziel der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern und bestenfalls eine Beschäftigungsaufnahme zu ermöglichen. Im Zeitraum von 2015 bis 2020 fiel der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen von 37,2 auf 30,3 %, das heißt, die Zahl der Langzeitarbeitslosen sank schneller als die Zahl der Arbeitslosen insgesamt.

Wichtig für die Bundesregierung ist auch, jungen Menschen – und insbesondere denjenigen mit schwachem sozialen- und bildungsfernem Hintergrund – gute Bildungschancen und damit gute Beschäftigungsmöglichkeiten zu ermöglichen. Der Anteil der 15- bis 24-Jährigen ohne Arbeit und ohne schulische oder berufliche Ausbildung konnte über die letzten Jahre deutlich gesenkt werden (2010: 8,3 %, 2019: 5,7 %). In vielen Regionen besteht aber nach wie vor deutlicher Handlungsbedarf.

Abbildung 3: Soziales und Bildung (Veränderungen seit 2015)

Abbildung 3: Soziales und Bildung (Veränderungen seit 2015)

© StBA, Eurostat, BA; eigene Darstellung (Absolutgrößen und Quoten sind unterschiedlich skaliert)

Der weitere Ausbau von qualitativ hochwertigen Ganztagsbetreuungsplätzen für Kinder hat eine hohe Priorität in der Sozial- und Familienpolitik. Mit dem Gute-Kita-Gesetz unterstützt der Bund die Länder darüber hinaus bei der Weiterentwicklung der Qualität und Verbesserung der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung. Der Anteil der unter 3-jährigen Kinder in Ganztagsbetreuung (ohne Kindertagespflege) hat sich zwischen den Jahren 2015 und 2020 von 15,9 auf 17,1 % leicht erhöht, bei nach wie vor großen Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland sowie zwischen Stadt und Land.

Um die Versorgung der Wirtschaft mit Fachkräften zu gewährleisten und die soziale Durchlässigkeit in der Gesellschaft zu fördern, ist es ein Ziel der Bundesregierung, allen Menschen, die eine hohe Qualifizierung anstreben, dies auch zu ermöglichen. Erfolge sind zum Beispiel messbar am Anteil der Personen zwischen 30 und 34 Jahren, die einen akademischen Abschluss oder einen höheren beruflichen Abschluss (zum Beispiel einen Meistertitel) besitzen. Dieser Anteil ist im Zeitraum der Jahre 2015 und 2019 um fast vier Prozentpunkte von 46,8 auf 50,5 % gestiegen.

4. Gesundheit und Demographie

Die demographische Entwicklung in Deutschland lässt sich wie in vielen anderen Industrieländern durch eine zunehmende Anzahl älterer Menschen und eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung charakterisieren. Hauptgründe sind die niedrige Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung.

Der demographische Wandel wird zukünftig verstärkt zu einer Verknappung an Arbeitskräften führen. Vor allem wenn in den kommenden Jahren die sogenannten Baby-Boomer – also die Geburtsjahrgänge von Mitte der 1950er Jahre bis zu den späten 1960er Jahren – in den Ruhestand gehen, wird sich das Erwerbspersonenpotenzial spürbar verknappen. Derzeit bleibt das Erwerbspersonenpotenzial einigermaßen stabil, nicht zuletzt durch Zuwanderung aus EU- und Drittstaaten. Gab es in Deutschland 2010 noch 55,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter (15- bis 66-Jährige), erhöhte sich diese Zahl bis 2015 leicht auf 55,9 Millionen und sank 2019 auf 55,7 Millionen.

Verschiedene Maßnahmen der Bundesregierung zielen darauf ab, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. In Deutschland bekam eine Frau im Jahr 2019 im Durchschnitt 1,54 Kinder, im Jahr 2015 waren es nur 1,50. Um die Bevölkerung ohne Zuwanderung langfristig auf einem stabilen Niveau zu halten, wären allerdings etwas mehr als zwei Kinder pro Frau nötig.

Abbildung 4: Gesundheit und Demographie (Veränderungen seit 2015)

Abbildung 4: Gesundheit und Demographie (Veränderungen seit 2015)

© StBA, Eurostat; eigene Darstellung (Absolutgrößen und Quoten sind unterschiedlich skaliert)

Der hohe Lebensstandard in Deutschland spiegelt sich auch darin wider, dass Menschen ein hohes Alter bei guter Gesundheit erreichen können. Die durchschnittliche Erwartung gesunder Lebensjahre (healthy life years) bei Geburt steigt langfristig betrachtet hierzulande stärker als die Lebenserwartung insgesamt. 2018 lag dieser Wert bei 66,4 gesunden Jahren nach 65,8 gesunden Jahren im Jahr 2015.

Eine wichtige Voraussetzung für eine gute medizinische Versorgung als Schlüssel zur Gesundheit ist, dass qualifiziertes Gesundheitspersonal bedarfs- und flächendeckend zur Verfügung steht. Die Dichte des Gesundheitspersonals zeigt, wie viele Personen in Gesundheitsberufen mit direktem Patientenkontakt pro 10.000 Einwohner beschäftigt sind. Diese Kennziffer ist zwischen den Jahren 2015 und 2018 von 370 auf 388 angestiegen. Allerdings steigt bei einer alternden Bevölkerung auch die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen, so dass daraus nicht notwendigerweise eine Verbesserung der Versorgungsqualität gefolgert werden kann.

Die Feinstaubbelastung konnte in der Vergangenheit durch diverse Maßnahmen erheblich gesenkt werden. Waren im Jahr 2013 noch 17 Mio. Menschen Feinstaub oberhalb des WHO-Richtwertes (mind. 20 µg/m3) im Jahresdurchschnitt ausgesetzt, sank diese Zahl im Jahr 2015 auf 5 Mio. und bis zum Jahr 2018 auf unter 3 Mio. Menschen. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 die Anzahl der Menschen, die einer Feinstaubbelastung oberhalb des Richtwertes ausgesetzt sind, auf null zu reduzieren.

5. Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit und Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen bemessen sich an der finanziellen Solidität der öffentlichen Haushalte sowie der Struktur der Ausgaben.

Die finanzielle Solidität wird anhand des Finanzierungssaldos und der Verschuldung des Staates (d. h. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen) beurteilt. Zwischen 2014 und 2019 war der Saldo aus Einnahmen und Ausgaben positiv; der Staat nahm also mehr ein als er im jeweiligen Jahr verausgabte. Der gesamtstaatliche Finanzierungsüberschuss lag im Jahr 2019 bei 1,5 % relativ zum BIP. 2020 betrug der Saldo aufgrund der besonderen Situation durch die Corona-Pandemie minus 4,8 %.

Die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote ergibt sich aus dem Bruttoschuldenstand des Staates in Relation zum BIP. Sie konnte zwischen 2015 und 2019 von 72,1 auf 59,8 % zurückgeführt werden und lag damit knapp unter dem Maastricht-Kriterium von maximal 60 %. Das Absinken des Schuldenstandes ist einerseits auf den langjährigen Finanzierungsüberschuss und anderseits auf die positive konjunkturelle Entwicklung zurückzuführen. Aufgrund der langjährigen Finanzierungsüberschüsse und der im internationalen Vergleich geringen Staatsverschuldung ergaben sich fiskalische Spielräume, die kurzfristig unter anderem für Zukunftsinvestitionen genutzt werden konnten.

Abbildung 5: Generationengerechtigkeit und öffentliche Finanzen (Veränderungen seit 2015)

Abbildung 5: Generationengerechtigkeit und öffentliche Finanzen (Veränderungen seit 2015)

© StBA; eigene Darstellung (Absolutgrößen und Quoten sind unterschiedlich skaliert)

Der Anteil der öffentlichen Investitionen hat sich in den letzten Jahren stetig erhöht und lag 2020 bei 2,7 % des BIP. Ebenfalls investiven Charakter haben die öffentlichen Bildungsausgaben, die im Betrachtungszeitraum etwas stärker als das BIP angestiegen sind. Somit ist die Quote der öffentlichen Bildungsausgaben relativ zum BIP leicht angestiegen (2015: 4,1 %; 2019: 4,4 %). Dieser Wert ist im Vergleich zu anderen EU-Staaten allerdings eher gering.

Die Stabilität des föderalen Finanzsystems ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass öffentliche Aufgaben in einem Föderalstaat effektiv und effizient erledigt werden können. Dafür müssen die Verteilung der Steuereinnahmen und der Finanzausgleich jedoch dauerhaft eine gleichwertige Entwicklung der Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet ermöglichen (Art. 106 GG). Driften die regionalen Lebensverhältnisse zu weit auseinander, setzt dies die Ausgleichssysteme unter Spannung. Interventionen seitens der Landes- oder der Bundesebene nehmen dann mitunter auch bei solchen öffentlichen Aufgaben zu, die besser subsidiär wahrgenommen werden sollten. Ein Indikator für solche regionalen Ungleichgewichte ist die Spreizung (gemessen durch das Quintilsverhältnis) des Bruttoinlandproduktes pro Kopf über die 401 Kreise in Deutschland. Im Betrachtungszeitraum von 2015 bis 2018 blieb die Ungleichheit der Kreise nahezu unverändert. Über einen etwas längeren Zeitraum betrachtet (seit 2010) waren die regionalen Divergenzen leicht rückläufig.

Kontakt
Jost Bässler
Referat: Wirtschaftspolitische Analyse
Dr. Alfred Garloff
Referat: Wachstum; Demographie; Statistik
schlaglichter@bmwi.bund.de