Zwischenbilanz eines Hilfsprogramms für kleine und mittelständische Unternehmen in der Corona-Krise

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Die Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft in ihrer ganzen Breite getroffen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen mit einer dünnen Kapitaldecke und geringer Diversifizierung bekamen die Folgen der Krise unmittelbar zu spüren. Deshalb hatte die Bundesregierung bereits zu Beginn der Krise das Programm der Corona-Soforthilfen aufgelegt, mit dem Selbstständige und kleine Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten schnelle Unterstützung in Form von Zuschüssen erhalten haben. In einem schnellen und unbürokratischen Verfahren wurden aufgrund von rund 2,2 Millionen Anträgen rund 13,8 Milliarden Euro Soforthilfe bewilligt. Diese haben die Existenz zahlreicher kleiner Unternehmen und Soloselbstständiger gesichert und es den Empfängern erleichtert, sich auf die Bedingungen der Corona-Pandemie einzustellen.

Von der Sofort- zur Überbrückungshilfe

Mit der Soforthilfe konnte kleinen Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen unmittelbar geholfen werden. Es zeigte sich aber bald, dass Unternehmen, die mit ihrem Geschäft durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, seien es der Lockdown im April / Mai, Hygiene- und Abstandsregeln, Veranstaltungsverbote oder Reisewarnungen, besonders betroffen waren, zusätzliche Hilfen benötigen. Das galt zum Beispiel für Unternehmen großer Dienstleistungszweige wie des Hotel- und Gaststättengewerbes, des Einzelhandels, der Reisebranche oder der Veranstaltungswirtschaft. Da Umsatzausfälle in der Dienstleistungswirtschaft nicht nachgeholt werden können, war absehbar, dass den meisten betroffenen Unternehmen mit weiteren Kreditangeboten nicht geholfen sein würde. Das Bundeskabinett hat deshalb das Programm Überbrückungshilfe beschlossen, das kleinen und mittelständischen Unternehmen, die von der Pandemie besonders betroffen sind, nicht-rückzahlbare Zuschüsse von bis zu 50.000 Euro / Monat gewährt.

Bezuschusst werden betriebliche Fixkosten, also solche Kosten, die das Unternehmen kurzfristig nicht verändern kann und die weiter anfallen, auch wenn das Unternehmen keine Umsätze erzielt. Darunter fallen zum Beispiel Mieten und Pachten, Finanzierungskosten oder Ausgaben für die notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung des Anlagevermögens.

Das erste Programm Überbrückungshilfe hatte eine Laufzeit von Juni bis August 2020 und richtete sich gezielt an Unternehmen, die infolge des Lockdowns im April und Mai 2020 Umsatzeinbrüche von mindestens 60 % gegenüber den gleichen Monaten des Vorjahres erlitten hatten. Die Hilfen konnten auch rückwirkend beantragt werden, die Antragsfrist endete am 9. Oktober 2020. 127.500 Unternehmen haben Überbrückungshilfen in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro beantragt. Bis dato (Stand 16. Oktober 2020) wurden 68,77  % der Anträge beschieden und ein Großteil der beantragten Mittel bewilligt. Da eine hohe Zahl von Anträgen erst kurz vor Ablauf der Antragsfrist gestellt wurde und sich noch in Bearbeitung befindet, wird die Bewilligungsquote in der nächsten Zeit noch stark ansteigen.

Obwohl die Antrags- und Abflusszahlen – auch angesichts der überraschend schnellen Erholung der Wirtschaft – deutlich unter den Prognosen lagen, zeigt sich, dass das Programm zwei wichtige Ziele erreicht hat, nämlich gezielt die Existenz von kleinen Unternehmen mit geringer Kapitaldecke zu sichern sowie einen Beitrag zur Stabilisierung der Branchen zu leisten, die von den Corona-Maßnahmen besonders stark betroffen waren.

Überbrückungshilfe stützt vor allem kleine und mittelständische Unternehmen

98,5 % der Anträge und 88,3 % der beantragten Mittel betreffen Unternehmen mit höchstens 49 Beschäftigten. Die Überbrückungshilfe erreicht im Schwerpunkt die Unternehmen, die in der Regel die geringsten Rücklagen haben und deshalb angesichts der Einschränkungen durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sehr schnell in existenzielle Probleme geraten sind. Der hohe Anteil an Kleinunternehmen erklärt auch, dass die durchschnittlich beantragte Förderung mit 12.100 Euro relativ niedrig liegt. Der Höchstförderbetrag für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten war bei der Überbrückungshilfe I bei 15.000 Euro gedeckelt.

Hingegen werden größere Mittelständler vergleichsweise weniger erreicht. Unternehmen, die zwar mehr als 249 Beschäftigte haben, aber noch nicht die Größenkriterien des Wirtschaftsstabilisierungsfonds erreichen, spielen bei der Antrag-stellung kaum eine Rolle. Hier wäre allerdings der Blick allein auf die Überbrückungshilfe verkürzt, weil diesen Unternehmen in größerem Maße andere Hilfsinstrumente, wie die Kreditprogramme der KfW, zur Verfügung stehen.

Soloselbstständige können von der Überbrückungshilfe dann profitieren, wenn sie nennenswerte Fixkosten haben. Von den hier betrachteten Antragstellerinnen und Antragstellern waren 25.874 als Soloselbständige tätig, das ist knapp ein Viertel aller Antragsteller. Trotzdem ist ihr Anteil in absoluten Zahlen, verglichen mit der Soforthilfe, gering. Der Schwerpunkt der Hilfen für Soloselbstständige liegt bei der Grundsicherung.

Überbrückungshilfe zielt auf besonders betroffene Branchen

Das Ziel der Überbrückungshilfe, diejenigen Unternehmen zu erreichen, die von den gesundheitspolitischen Maßnahmen besonders betroffen waren, wurde erreicht. So entfallen von den ­beantragten Fördermitteln 60 % auf nur drei ­Wirt­schaftsbereiche: das Hotel- und Gaststätten­gewerbe (Beherbergungsverbote, Hygiene- und ­Abstandsregeln), die Reisebranche (Reisewarnungen) und die Veranstaltungswirtschaft (Beschränkung von Großveranstaltungen). Am stärksten in Anspruch genommen wird die Überbrückungshilfe von den Unternehmen des Hotel- und Gaststättengewerbes. Zahlenmäßig erheblich sind die Antragstellungen aus dem Kreis der Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft. Da sich darunter sehr viele kleine Unternehmen und Soloselbstständige befinden, fällt das von ihnen beantragte Fördervolumen ­vergleichsweise gering aus. Hingegen ist in der ­Reisebranche das beantragte Fördervolumen im Verhältnis zur Zahl der Antragstellerinnen und Antragsteller deutlich höher. Das ist darauf zurückzuführen, dass für diese Branche Provisionen und Margen von coronabedingt stornierten Reisen erstattet werden können. Dagegen wird die Überbrückungshilfe von Unternehmen anderer Wirtschaftsbereiche weniger häufig beantragt. Das zeigt sich am Beispiel des Handels, der die Hilfen insgesamt vergleichsweise weniger oft in Anspruch genommen hat. Auf den Non Food-Einzelhandel entfallen nur 5 % aller Anträge, auf den Kfz-Handel, der in der deutschen Handelslandschaft traditionell ein hohes Gewicht hat, sogar nur etwa 1 %.

Sehr deutlich wird schließlich, dass die Corona-Krise zum überwiegenden Teil Unternehmen der Dienstleistungswirtschaft betrifft. Nur 5 % der beantragten Fördermittel entfallen auf Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. (Tabelle 2)

Tabelle 1: Antragszahlen und -volumina nach Unternehmensgrößen (Werte vom 19.10.2020, ohne Baden-Württemberg) Bild vergrößern

Tabelle 1: Antragszahlen und -volumina nach Unternehmensgrößen

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Tabelle 2: Antragszahlen und -volumina nach Branchen (Werte vom 19.10.2020, ohne Baden-Württemberg) Bild vergrößern

Tabelle 2: Antragszahlen und -volumina nach Branchen

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Diskussionen um eine Programmfortsetzung

Da erkennbar war, dass sich die Lage der betroffenen Unternehmen nicht kurzfristig ändern würde, hat der Koalitionsausschuss beschlossen, die Überbrückungshilfen bis zum Jahresende zu verlängern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat deshalb intensive Gespräche mit den Bundesländern und den betroffenen Wirtschaftszweigen geführt, um zu ermitteln, ob und inwieweit Anpassungsbedarf am laufenden Programm besteht.

In diesen Gesprächen wurden insbesondere in folgenden Punkten Bedarf zur Weiterentwicklung der Überbrückungshilfe gesehen:

Bedarf zur Weiterentwicklung der Überbrückungshilfe

- Keine Einschränkung der Förderung von Kleinunternehmen. Durch die Deckelung der Förderhöchstbeträge für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten auf 9.000 bzw. 15.000 Euro würden insbesondere die kleinsten Unternehmen, deren Rücklagen in vielen Fällen bereits aufgezehrt sind, in ihren Möglichkeiten beschränkt, laufende Fixkosten zu decken.

- Zulassung zum Programm: Die Anforderung eines 60-prozentigen Umsatzeinbruchs in den Monaten April und Mai 2020 wurde als zu rigide empfunden. Bei vielen Unternehmen zeige sich der coronabedingte Umsatzeinbruch erst später. Die Anforderung von 60 % Umsatzeinbruch allein im April und Mai sei daher zu hoch.
- Höhere Förderung von Unternehmen, die nach wie vor von harten Einschränkungen betroffen sind, wie z. B. die Veranstaltungswirtschaft.
- Einbeziehung von solchen Unternehmen in die Förderung, die zwar wieder Umsätze erzielen, aber aufgrund von Hygiene- und Abstandsregeln auf längere Sicht mit ­reduzierten Kapazitäten wirtschaften müssen, wie z. B. der Textileinzelhandel, die ­Gastronomie und die Veranstaltungs- und Kulturbranche. Auch könne ein Unternehmen mit einem Umsatzeinbruch von 30 % nicht lange überleben.
Gefordert wurden ferner eine Erhöhung der Förderbeträge, eine Lockerung der sogenannten Verbundklausel und die Einführung eines Unternehmerlohns.

Das Konzept der Überbrückungshilfe II

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und das Bundesministerium der Finanzen haben sich im Anschluss an die genannten Konsultationen darauf verständigt, wie das Programm in den nächsten Monaten fortgeführt werden soll. Es bleibt dabei, dass die verlängerte Überbrückungshilfe (Überbrückungshilfe II) Unternehmen aus allen Branchen offensteht, die durch die Corona-Krise besonders betroffen sind. Um besonders die Unternehmen, bei denen das Geschäft durch behördliche Einschränkungen oder Hygiene- und Abstandsregeln immer noch stark beeinträchtigt ist, noch besser zu erreichen, werden folgende Änderungen am Programm vorgenommen:

Änderungen am Programm

1. Flexibilisierung der Eintrittsschwelle
Zur Antragstellung berechtigt sind künftig Antragsteller,
die entweder:
- einen Umsatzeinbruch von mindestens 50 % in zwei zusammenhängenden Monaten im Zeitraum April bis August 2020 gegenüber den jeweiligen Vorjahresmonaten oder
- einen Umsatzeinbruch von mindestens 30 % im Durchschnitt in den Monaten April bis August 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnet haben. Damit wird die Eingangsschwelle gesenkt und das Programm auch für Unternehmen geöffnet, die zwar während des Lockdowns in den Monaten April und Mai noch gute Umsätze gemacht haben, aber später von einem coronabedingten Rückgang der Umsätze betroffen waren. Die Änderung wird dazu führen, dass wesentlich mehr Unternehmen die Überbrückungshilfe II in Anspruch nehmen können.

2. Ersatzlose Streichung der KMU-Deckelungsbeträge von 9.000 Euro bzw. 15.000 Euro
Etwa ein Drittel aller Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten und zwei Drittel aller Unternehmen mit fünf bis zehn Beschäftigten erhielten bei der Überbrückungshilfe I wegen der Deckelungsbeträge weniger Förderung, als sie zur Deckung ihrer Fixkosten benötigt hätten. Durch den Wegfall der Deckelung werden die wirtschaftlichen Perspektiven dieser Unternehmen spürbar verbessert.

3. Erhöhung der Fördersätze
Künftig werden erstattet:
- 90 % der Fixkosten bei mehr als 70 % Umsatzeinbruch (bisher 80 % der Fixkosten),
- 60 % der Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch zwischen 50 % und 70 % (bisher 50 % der Fixkosten) und
- 40 % der Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch von mehr als 30 % (bisher bei mehr als 40 % Umsatzeinbruch).

Unternehmen, die von besonders hohen Umsatzeinbrüchen betroffen sind, können also im Programm Überbrückungshilfe II eine deutlich höhere Förderung erhalten. Zudem wird der Kreis der anspruchsberechtigten Unternehmen deutlich ausgeweitet.

Eine weitere Änderung betrifft das Verfahren: Bei der Schlussabrechnung werden künftig Nachzahlungen ebenso möglich sein wie Rückforderungen. Der Ausschluss von Nachzahlungen in der Überbrückungshilfe I hatte dazu beigetragen, dass viele Antragstellerinnen und Antragsteller ihre Anträge zunächst zurückhielten und erst spät einreichten, um das Risiko zu vermeiden, bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zu wenig Hilfe beantragt zu haben. So gingen 30 % der Anträge in der Woche vor Ablauf der Antragsfrist ein. Künftig können Antragsteller in einem solchen Fall im Rahmen der Schlussabrechnung auch Nachzahlungen erhalten.

Wie schon die Überbrückungshilfe I wird auch die Überbrückungshilfe II in einem vollständig digitalisierten Verfahren beantragt und bearbeitet werden können. Die Antragstellung erfolgt auch im neuen Verfahren über „prüfende Dritte“ (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Rechtsanwälte), die das beantragende Unternehmen oft schon gut kennen. Dank dieser Vorprüfung ist die Qualität der eingereichten Anträge hoch, die Zahl der abgelehnten Anträge liegt im Promillebereich. Betrugsversuche bei der Antragstellung, wie es sie bei der Soforthilfe gab, sind bei der Überbrückungshilfe kaum erkennbar. So können die eingereichten Anträge zügig beschieden und die Hilfen schnell ausgezahlt werden. Die ­Antragsbearbeitung und Auszahlung erfolgt wiederum über die Bewilligungsstellen der Bundesländer.

Forderungen nach höheren Förderbeträgen für einzelne Antragsteller oder eine höhere Förderung von Filialisten und anderen verbundenen Unternehmen wurden bewusst nicht aufgegriffen, da sie mit dem Charakter des Programms als Hilfe für kleine und mittelständische Unternehmen nicht vereinbar gewesen ­wären. Auf die Aufnahme eines kalkulatorischen Unternehmerlohns in die Überbrückungshilfe II wurde verzichtet, da der erleichterte Zugang zur Grundsicherung verlängert wurde und es insoweit bei der Trennung „Überbrückungshilfe zur Deckung betrieblicher Kosten“ und „Grundsicherung zur Abdeckung des Lebensunterhalts“ bleibt.

Angesichts der substantiellen Erleichterungen des Zugangs zum Programm und der höheren Fördersätze ist damit zu rechnen, dass bei der Überbrückungshilfe II wesentlich mehr Mittel in Anspruch genommen werden als bei der Überbrückungshilfe I. Da aber die Inanspruchnahme ganz entscheidend vom Infektionsgeschehen und seiner Auswirkung auf die Wirtschaft abhängt, wird sich Genaueres erst in den nächsten Wochen sagen lassen.

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Kontakt:
Eike Sacksofsky
Referat: Projektgruppe Überbrückungshilfe
schlaglichter@bmwi.bund.de