Herbstprojektion 2020

Nach einer kräftigen ersten Erholung verlangsamt sich der Aufholprozess

Illustration zum Thema "Eine schnelle erste Erholung"

© Francesco Ciccolella

Die Corona-Pandemie hat im ersten Halbjahr 2020 zu einem historischen Konjunktureinbruch geführt. Mit dem Lockdown von Mitte März bis Anfang Mai brach die Wirtschaftsleistung um 2,0 % im ersten und 9,7 % im zweiten Quartal ein. Mit der schrittweisen Lockerung kam es dann in den Folgemonaten zu einer raschen Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft. Besonders stark war die Erholung im Einzelhandel: Die monatlichen Umsätze übertrafen bereits im Mai wieder ihr Vorkrisenniveau. Aber auch in der Industrie war im August ein Gutteil des Einbruchs wieder aufgeholt. Dies führte zu einem ausgesprochen kräftigen Wirtschaftswachstum im dritten Quartal. Seitdem hat die bis dahin zügig verlaufende Erholung schon wieder etwas an Dynamik verloren. Einerseits senden die vorlaufenden Indikatoren weiter positive Signale. Andererseits führen wieder die zuletzt deutlich anziehenden Infektionszahlen zu erneuten regionalen Beschränkungen der wirtschaftlichen Aktivität. Daher dürfte die Wirtschaft zum Jahresende kaum noch expandieren. Insgesamt erwartet die Bundesregierung für das laufende Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 5,5 % (Abbildung 1). Im Jahr 2021 setzt sich die Erholung bei nach wie vor bestehender Unterauslastung im Verlauf gemäßigt fort; das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte dann um 4,4 % zunehmen. Damit erreicht die deutsche Volkswirtschaft zum Jahreswechsel 2021 / 2022 wieder das Ausgangsniveau der wirtschaftlichen Aktivität vor der Corona-Krise.

In der aktuellen Herbstprojektion wurde auch erstmals das Jahr 2022 umfassend projiziert. Da die Wirtschaft auch zu Beginn des Jahres 2022 noch unterausgelastet sein wird, dürfte sich die Wirtschaftsleistung schneller erhöhen als das Produktionspotenzial. Insgesamt rechnet die Bundesregierung für das Jahr 2022 mit einer Zunahme des Bruttoinlandprodukts (BIP) um 2,5 %. Die Projektion berücksichtigt die am 28. Oktober beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der SARS-Cov2-Pandemie, die insbesondere Einschränkungen im Gastgewerbe und im Veranstaltungs- und Unterhaltungsbereich vorsehen. Diese werden den Aufholprozess im Jahresschlussquartal 2020 deutlich verlangsamen. Sie schaffen aber auch die Voraussetzung für die wirtschaftliche Erholung danach (Abbildung 1, Seite 12).

Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt - Herbstprojektion 2020 (in Prozent) Bild vergrößern

Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt - Herbstprojektion 2020 (in Prozent); Verlauf vierteljährlich; saison und kalenderbereinigt (in Mrd. Euro) Jahresdurchschnitte, in Preisen des Vorjahres; Veränderung ggü. dem Vorjahr in Prozent

© Statistisches Bundesamt, Herbstprojektion 2020 der Bundesregierung

Eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche ­Erholung spielen die umfangreichen wirtschaftspolitischen Stützungsmaßnahmen, die Insolvenzen vermeiden, Liquidität und Einkommen sichern und Konjunktur- und Wachstumsimpulse geben. Mit dem zweiten Nachtragshaushalt vom Juli 2020 stellt der Bund mehr als 100 Mrd. Euro für das Konjunktur- und Krisenbewältigungsprogramm bereit. Neben weiteren Maßnahmen zur Absicherung der Unternehmen (Überbrückungshilfen) werden durch umfangreiche Entlastungen Nachfrageimpulse gesetzt. Diese werden durch die Absenkung des regulären Mehrwertsteuersatzes um drei Prozentpunkte bis Jahresende unterstützt. Mit dem Zukunftspaket werden zudem langfristige Impulse für die Energiewende, die Digitalisierung und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gesetzt. Viele der Maßnahmen zur Bekämpfung der ökonomischen Effekte der Pandemie werden mit dem Paket verlängert, insbesondere das Kurzarbeitergeld und der erleichterte Zugang zur Grundsicherung sowie die Kreditprogramme des Bundes.

In Kürze:
Viele Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der ökonomischen Effekte der Corona-Pandemie laufen weiter.

Vergleich zur Interimsprojektion

Mit einem erwarteten Rückgang der Wirtschaftsleistung von 5,5 % im laufenden Jahr erfolgt eine leichte Aufwärtskorrektur der Interimsprojektion vom 1. September 2020 (5,8 %). Damit trägt die Bundesregierung den seit September überwiegend positiven Konjunkturdaten Rechnung, die zum Teil sehr viel besser gemeldet wurden als noch in der Interimsprojektion angenommen. So lagen zum Beispiel die Umsätze im Kfz-Handel und im Gastgewerbe im Juli bzw. Juli und August mit einem Plus von jeweils etwa 22 % deutlich über den Erwartungen. Entsprechend erholte sich das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal wesentlich kräftiger als noch in der Interimsprojektion unterstellt.

Angesichts der jüngst beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die insbesondere die Wirtschaftsbereiche treffen, in denen soziale Kontakte wichtig sind (z. B. Gaststätten und Veranstaltungen), dürfte die Erholung im Jahresschlussquartal dann weitestgehend unterbrochen werden. Dadurch ergibt sich ein etwas niedrigerer Überhang aus dem Jahr 2020 (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Technische Details der Herbstprojektion 2020 Bild vergrößern

Tabelle 1: Technische Details der Herbstprojektion 2020; [1] Bis Oktober 2020 vorläufige Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes. [2] Saison- und kalenderbereinigter Indexstand im vierten Quartal des Vorjahres in Relation zum kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt des Vorjahres. [3] Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, saison- und kalenderbereinigt. [4] In Prozent des BIP. [5] Abweichungen in den Summen durch Rundungen möglich.

© Statistisches Bundesamt 2020; Herbstprojektion 2020 der Bundesregierung

Gleichwohl ist zu Beginn des Jahres 2021 wieder mit leichten Aufholeffekten zu rechnen, so dass das Jahresergebnis im Vergleich zur Interimsprojektion unverändert bleibt.

Auch die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen sich etwas besser dar als noch in der Interimsprojektion, die auch in den Aufwärtskorrekturen von IWF- und WTO-Prognosen für Weltwirtschaft und Welthandel sichtbar werden. Dies zeigt sich auch in der dynamischen Erholung der Exporte bis zum aktuellen Rand.

Belebung der Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte

Die Corona-Pandemie hat die globale Wirtschaft in eine schwere Rezession gestürzt. China hatte den stärksten Einbruch seiner Wirtschaftsleistung im ersten Quartal. Global gesehen ergab sich hingegen der bislang heftigste Einbruch vor allem im zweiten Quartal, das von nationalen Lockdowns in nahezu allen Teilen der Welt geprägt war. Mittlerweile verfügbare Daten belegen einen Rückgang der Weltwirtschaftsleistung im zweiten Quartal um 7,8 % nachdem bereits im ersten Quartal eine Abnahme um 3,0 % verzeichnet worden war. Mit der Lockerung der Lockdown-Maßnahmen ab Mai setzte eine wirtschaftliche Erholung ein, die in einigen Regionen rascher verlief als zunächst erwartet.

Dementsprechend haben auch internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds oder die Welthandelsorganisation ihre Erwartungen an das laufende Jahr nach oben angepasst. In Anlehnung an diese Prognosen rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang der Weltwirtschaftsleistung im aktuellen Jahr in Höhe von 4,2 %. Im nächsten Jahr wird es zu einem kräftigen Aufholprozess kommen; das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte dann um 5,6 % zunehmen. Dabei bricht die Wirtschaft in den entwickelten Volkswirtschaften stärker ein als in den weniger entwickelten Ländern und erholt sich dort im kommenden Jahr zudem auch langsamer. Im Jahr 2022 setzt sich die Erholung der Weltwirtschaft mit einem Wachstum von weiteren 4,3 % fort.

Stärker als die globale Wirtschaftsleistung ist der Welthandel von der Corona-Pandemie betroffen. Dies führte anfangs zu einer erheblichen Störung der Lieferketten. Für den Welthandel erwartet die Bundesregierung daher im laufenden Jahr einen Rückgang um 10,4 %. Dementsprechend dürften auch die deutschen Exporte deutlich um 10,3 % sinken. Die nicht ganz so stark einbrechende deutsche Binnennachfrage sorgt für eine etwas weniger rückläufige Importentwicklung (7,1 %). Dies führt im laufenden Jahr zu einem deutlich negativen Außenbeitrag (1,9 Prozentpunkte).

Annahmen der Herbstprojektion 2020

In der vorliegenden Projektion werden die Pandemie-Entwicklung bis zum aktuellen Stand sowie die jüngst beschlossenen Eindämmungsmaßnahmen berücksichtigt. Für das nächste Jahr wird nicht davon ausgegangen, dass weitere Maßnahmen erforderlich werden, die die wirtschaftliche Aktivität zusätzlich einschränken. Gleichzeitig trifft die Bundesregierung in der Projektion keine Annahme darüber, ob und wann bis zum Ende des Projektionshorizonts ein wirksames Medikament oder eine Impfung gegen Sars-CoV2 in breiterem Umfang zum Einsatz kommen kann.

In Übereinstimmung mit Prognosen internationaler Organisationen wird für die Weltwirtschaft ein Rückgang in Höhe von 4,2 % in diesem Jahr und eine deutliche Erholung von 5,6 % im kommenden Jahr erwartet. In 2022 pendelt sich das Wachstum der globalen Wirtschaftsleistung bei 4,3 % ein.

Für die Entwicklung des Ölpreises wird eine technische Annahme auf Basis von Terminnotierungen zum Zeitpunkt des Projektionsabschlusses getroffen. Demnach ist für das aktuelle Jahr von einem durchschnittlichen Rohölpreis für ein Fass der Sorte Brent von 42 US-Dollar auszugehen, im kommenden Jahr dürfte der Preis auf 44 US-Dollar leicht ansteigen. 2022 erfolgt eine ähnliche Erholung des Ölpreises auf durchschnittlich 46 US-Dollar.

Bei der Projektion wurden alle bereits beschlossenen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen berücksichtigt. Dazu gehören auch die Ausgaben und Mindereinnahmen im Rahmen des Konjunktur- und Zukunftspakets.

Gemeinsam mit den Primär- und Sekundäreinkommen ergibt sich im Saldo ein sinkender Leistungsbilanzüberschuss. Er sinkt von 7,1 % des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2019 auf 6,5 % im Jahr 2020 und fällt mit der Erholung der Importe im nächsten und übernächsten Jahr auf jeweils 5,8 %.

Im Zuge der allmählichen Belebung des Welthandels rechnet die Bundesregierung dann für das kommende Jahr mit einem Wachstum der Exporte um 7,1 %. Insgesamt wird der deutsche Außenhandel erst gegen Mitte 2022 wieder das preisbereinigte Niveau von Ende 2019 erreicht haben.

Illustration zum Thema "Eine schnelle erste Erholung"

© Francesco Ciccolella

Unsicherheit und Industrierezession dämpfen Investitionen

Die exportorientierte Industrie ist traditionell sehr kapitalintensiv, weshalb die Ausrüstungsinvestitionen eng mit der Entwicklung des außenwirtschaftlichen Umfelds sowie der Industriekonjunktur verknüpft sind.

Angesichts der Rezession im Verarbeitenden Gewerbe gingen die Investitionen in Ausrüstungen in der ersten Hälfte des laufenden Jahres deutlich zurück. Im Zuge der allmählichen Erholung des Welthandels rechnet die Bundesregierung ab dem zweiten Halbjahr mit einer leichten Belebung der Investitionstätigkeit. Wegen der nach wie vor bestehenden Unsicherheiten bezüglich der weiteren konjunkturellen Entwicklung im In- und Ausland dürfte sich diese Belebung aber merklich langsamer vollziehen als der vorherige Einbruch und auch relativ gesehen moderater ausfallen als in früheren Phasen der wirtschaftlichen Erholung. Für das Gesamtjahr 2020 rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen um 15,8 %. Mit einer Wachstumsrate von 11,9 % im Jahr 2021 wird aber zunächst nur ein Teil des Rückgangs wieder aufgeholt. 2022 erholen sich die Ausrüstungen mit einem Wachstum um 4,3 % weiter.

Die Bauwirtschaft zeigt sich den schwierigen Umständen zum Trotz sehr robust. Diese Resilienz hängt auch damit zusammen, dass die Nachfrage nach Bauinvestitionen durch das weiter bestehende Niedrigzinsumfeld und die darüber hinaus erhöhte Liquidität im Markt gestützt wird. Auch hat insbesondere zu Beginn des Jahres eine sehr günstige Witterungslage dem Bau zu einem kräftigen Wachstum verholfen. Allerdings kann sich die Bauwirtschaft nicht ganz den Auswirkungen der Corona-Pandemie entziehen: Vor allem der Nichtwohnbau, der wesentlich stärker auf die konjunkturelle Entwicklung reagiert, dürfte bis zum Ende des Jahres stagnieren. Insgesamt rechnet die Bundesregierung im laufenden Jahr mit einem Wachstum der realen Bauinvestitionen um 3,1%. Im kommenden Jahr dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen, wenngleich mit deutlich niedrigerer Dynamik (+1,8 %). Der zunehmende Mangel an Fachkräften dürfte dabei die Baupreise weitertreiben. Im Jahr 2022 zieht der Bau im Rahmen der weiteren wirtschaftlichen Erholung wieder um 2,3 % an.

Im Ergebnis gehen die Bruttoanlageinvestitionen in diesem Jahr um 3,8 % zurück und werden im nächsten Jahr um 4,8 % ausgeweitet. Dabei wirkt eine kräftige Ausweitung der Investitionen von Bund und Ländern der Investitionszurückhaltung des Privatsektors entgegen: Allein im laufenden Jahr investiert die öffentliche Hand über zwölf Mrd. Euro mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2022 kommt es dann zu einem Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen um 2,3 %.

Arbeitsmarkt auf Erholungskurs

Der lang anhaltende Aufschwung am Arbeitsmarkt fand durch die Pandemie ein abruptes Ende. Die Erwerbstätigkeit ging zwischen März und Mai saisonbereinigt um gut 700.000 Personen zurück. Der Rückgang war bei den ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten besonders stark. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass diese Beschäftigungsform in denjenigen Branchen verbreitet ist, die besonders von den Einschränkungen betroffen waren (Gastgewerbe, Handel). Zudem ist für Minijobber der Bezug von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen. Zwar ging auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Zuge der Krise stark zurück, allerdings dürfte hier die Kurzarbeit, die im April mit etwa 5,9 Millionen Personen ihren Höchststand, erreicht hat, viele Entlassungen verhindert haben. Bei der Zahl der Selbständigen macht sich die Corona-Krise hingegen bisher kaum bemerkbar. Dazu dürften das Soforthilfe-Instrument sowie die Überbrückungshilfen der Bundesregierung beigetragen haben.

Die Arbeitslosigkeit stieg zwischen März und Mai deutlich um 600.000 Personen an. Dies ist allerdings nur zum Teil auf Stellenabbau zurück­zuführen – etwa ein Drittel des Anstiegs der Arbeits­losigkeit ist darauf zurückzuführen, dass arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Zuge des Lockdowns zur Reduzierung sozialer Kontakte ausgesetzt wurden.

Mit dem Wiederanfahren der wirtschaftlichen Aktivität hat auch am Arbeitsmarkt die Erholung eingesetzt. Die Arbeitslosigkeit geht seit Juli saisonbereinigt leicht zurück, die Erwerbstätigkeit steigt und die Kurzarbeit ist rückläufig.

Diese Entwicklung wird sich auch im weiteren Jahresverlauf fortsetzen; insgesamt geht die Erwerbstätigkeit aber in diesem Jahr um 400.000 Personen zurück. Im kommenden Jahr rechnet die Bundesregierung mit einer Zunahme der Erwerbstätigkeit um 160.000 Personen, im Jahr 2022 dürfte es zu einem weiteren Zuwachs um 280.000 Personen kommen. Der Beschäftigungsaufbau dürfte in beiden Jahren maßgeblich durch Zuwächse bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung getrieben werden.

Bei der Arbeitslosigkeit rechnet die Bundesregierung im laufenden Jahr mit einem Anstieg um 435.000 Personen. Die Arbeitslosenquote steigt damit stark von 5,0 % im Jahr 2019 auf 5,9 % im Jahr 2020. Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung dürfte die Arbeitslosigkeit dann in den kommenden beiden Jahren um 90 bzw. 190.000 Personen auf 2,4 Millionen zurückgehen.

In Kürze:
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ging in der Krise stark zurück, aber Kurzarbeit dürfte viele Entlassungen verhindert haben.

Mehrwertsteuersenkung dämpft Preisentwicklung

Für das laufende Jahr erwartet die Bundesregierung nur eine niedrige Inflationsrate in Höhe von 0,5 %. Dafür sind zwei Faktoren maßgeblich: Zum einen hat die Corona-Pandemie im Frühjahr zu einem drastischen Verfall der der Rohölpreises am Weltmarkt geführt, der durch einen Förderwettbewerb zwischen Russland und Saudi-Arabien temporär noch verstärkt wurde. Auch wenn sich der Rohölpreis inzwischen wieder etwas erholt hat, dürfte diese Entwicklung die Preisentwicklung im laufenden Jahr stark dämpfen. Zum anderen hat die befristete Senkung des Umsatzsteuersatzes als Teil des Konjunkturpakets seit Juli – insbesondere bei Nahrungsmitteln und Waren – zu einer rückläufigen Preisentwicklung geführt. Dies dürfte sich bis zum Jahresende fortsetzen.

Für das nächste Jahr wird nach Auslaufen des Rohölpreiseffekts und angesichts der Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung wieder mit einem stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise um 1,4 % gerechnet. Im Zuge der weiteren wirtschaftlichen Erholung und der steigenden Auslastung dürfte sich die Inflation im Jahr 2022 mit einer Rate von 1,6 % weiter normalisieren. Die Kerninflation, also die Entwicklung der Verbraucherpreise unter Ausschluss der volatilen Energie- und Lebensmittelpreise, steigt im Jahr 2020 um 1,1 % und in den folgenden Prognosejahren jeweils um 1,5 % und 1,6 %.

Gedämpfte Einkommensentwicklung

Im zweiten Quartal sind die Effektivlöhne je Arbeitnehmer mit knapp 4 % gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Der Rückgang geht maßgeblich auf den umfangreichen Einsatz der Kurzarbeit zurück, zudem dürften übertarifliche Zahlungen deutlich schwächer ausgefallen sein als üblich. Im Zuge des allmählichen Rückgangs der Kurzarbeit dürften auch die Verdienste im weiteren Jahresverlauf wieder etwas anziehen. Insgesamt rechnet die Bundesregierung für das laufende Jahr mit einem Rückgang der Effektivlöhne je Arbeitnehmer um 1,0 %.

Auf Grund des Rückgangs der Erwerbstätigkeit sinkt die Lohnsumme mit 1,5 % stärker als die dazugehörige Pro-Kopf Größe. Im nächsten Jahr werden die Bruttolöhne und -gehälter dafür aber mit 3,5 % stark aufholen. Für das Jahr 2022 erwartet die Bundesregierung einen weiteren Anstieg um 3,2 %.

In Kürze:
Die rückläufige Entwicklung der Preise dürfte sich bis zum Jahresende fortsetzen.
Annahmen zur Pandemie
Das laufende Wirtschaftsjahr ist von der Corona-Pandemie geprägt. Vor diesem Hintergrund stellen sich auch andere Herausforderungen an die Wirtschaftsprognosen, als in „normalen“ Zeiten. Viele Entwicklungen sind nur schwer vorherzusagen und nicht mehr nur auf konjunkturelle Faktoren zurückzuführen, sondern vom Verlauf der Pandemie und dem Infektionsgeschehen und von den gesellschaftlichen und politischen Reaktionen darauf abhängig. Dementsprechend waren bereits die Frühjahrs- und Interimsprojektionen mit erhöhter Unsicherheit behaftet und durch Annahmen zum weiteren Pandemieverlauf getrieben. Auch für die jetzt veröffentlichte Herbstprojektion gelten diese Vorbehalte: Sie berücksichtigt zwar das Infektionsgeschehen bis zum aktuellen Stand und die jüngst beschlossenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, geht jedoch ausdrücklich nicht von weiteren, flächendeckenden Maßnahmen aus, die die ökonomische Aktivität zusätzlich massiv einschränken. In einem solchen Fall sähe die Bundesregierung die Wirtschaft erneut erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen ausgesetzt, die eine völlig andere Projektion erfordern würden. Am aktuellen Rand sieht die Bundesregierung Deutschland mit erhöhten und tendenziell steigenden Infektionszahlen konfrontiert, welche die Wahrscheinlichkeit von weiteren Eindämmungs- und Lockdownmaßnahmen erhöhen. Daher ist es neben der ohnehin bestehenden gesellschaftlichen und gesundheitlichen Notwendigkeit auch aus wirtschaftlicher Perspektive erforderlich, die Zahl der Neuinfektionen auf einem kontrollierbaren Niveau zu halten wird. Die Herbstprojektion der Bundesregierung geht davon aus, dass die gemeinsame Anstrengung der Bürger, der Unternehmen und des Staates erfolgreich sein werden und es keinen zweiten umfassenden Lockdown geben wird.

Eckwerte der Herbstprojektion 2020

Tabelle 1: Gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland (Veränderung gegenüber Vorjahr in %, soweit nicht anders angegeben)

Tabelle 1: Gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland (Veränderung gegenüber Vorjahr in %, soweit nicht anders angegeben)

© Statistisches Bundesamt, Herbstprojektion 2020 der Bundesregierung

Infografik als PDF (PDF, 53 KB)

Das Kurzarbeitergeld sichert einen Teil der entgangenen Einkommen und stabilisiert die verfügbaren Einkommen. Zusammen mit der kräftigen Rentenerhöhung zur Jahresmitte führt dies zu einer starken Ausweitung der monetären Sozialleistungen im laufenden Jahr (+10,1 %). Insgesamt dürften die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte somit in diesem Jahr deshalb lediglich um 2,7 % zurückgehen; in den kommenden Jahren rechnet die Bundesregierung mit einem Wachstum von 2,6 % und 3,9 %.

Der Rückgang der verfügbaren Einkommen wirkt sich auch auf die Entwicklung des privaten Konsums aus. Allerdings fiel der Konsumrückgang der Haushalte im zweiten Quartal mit über 10 % angesichts fehlender Konsummöglichkeiten während des Lockdowns wesentlich stärker aus als der Rückgang der verfügbaren Einkommen. In der Folge stieg die Sparquote deutlich an. Im weiteren Prognosezeitraum wird der private Konsum wieder ausgeweitet werden und sich das Sparen der Bürger wieder kontinuierlich normalisieren, da mit dem Einsetzen der Lockerungen ein Großteil der Konsummöglichkeiten wieder gegeben ist. Die vorübergehende Senkung des Mehrwertsteuersatzes und der Kinderbonus geben zusätzliche Impulse für die Aktivierung der Binnennachfrage.

In Kürze:
Die Senkung der Mehrwertsteuer und der Kinderbonus geben starke Impulse für die Binnennachfrage.

Im Jahresdurchschnitt dürfte der reale private Konsum im Jahr 2020 dennoch um 6,9 % zurückgehen bevor er sich in den Jahr 2021 und 2022 mit Wachstumsraten von 4,5 % bzw. 3,4 % wieder deutlich erholt.

Deutsche Wirtschaft stark unterausgelastet

Die Projektion der wirtschaftlichen Entwicklung in der mittleren Frist, d. h. für die Jahre 2023 bis 2025, orientiert sich an den strukturellen Wachstumsmöglichkeiten der deutschen Volkswirtschaft. Das Produktionspotenzial beschreibt die wirtschaftliche Aktivität einer Volkswirtschaft bei Normalauslastung der Produktionsfaktoren. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass nach einem Schock wie der Corona-Pandemie die Wirtschaft mittelfristig wieder zum Potenzialpfad zurückkehrt, der Potenzialpfad ist allerdings selbst durch die schwere Krise beeinflusst, da trotz aller Hilfsmaßnahmen auch mit strukturellen Anpassungen und Veränderungen (z. B. Unternehmensaufgaben oder -insolvenzen) zu rechnen ist.

Das Potenzialwachstum liegt im Jahr 2020 bei 0,9 % und im Jahr 2021 bei 1,1 %. Dies ist merklich niedriger als noch bei der Jahresprojektion im Januar 2020 berechnet, der Potenzialpfad hat sich in der kurzen Frist im Zuge des erheblichen wirtschaftlichen Einbruchs abgeflacht. Mittelfristig hängt die Wachstumsperspektive der deutschen Volkswirtschaft stärker von strukturellen Faktoren ab. Zum Ende des Projektionszeitraums im Jahr 2025 sinkt die Potenzialwachstumsrate auf 0,8 %. Hier macht sich insbesondere der Rückgang des Arbeitskräftepotenzials aufgrund des demografischen Wandels bemerkbar.

Der Vergleich des Produktionspotenzials mit dem BIP zeigt, dass der coronabedingte Konjunktureinbruch im Jahr 2020 zu einer deutlichen Unterauslastung der deutschen Wirtschaft führt. Sie spiegelt sich in einer negativen Produktionslücke (BIP abzüglich Produktionspotenzial) von -4,8 % des Produktionspotenzials wider. Die wirtschaftliche Erholung im Jahr 2021 verringert die Produktionslücke im Jahr 2021 auf -1,8 % des Produktionspotenzials. Im Jahr 2022 befindet sich die deutsche Volkswirtschaft dann wieder im Bereich der Normalauslastung. Zum Ende des mittelfristigen Projektionszeitraums wird die technische Annahme getroffen, dass sich die Produktionslücke schließt, so dass im Jahr 2025 das BIP dem Produktionspotenzial entsprechen wird.

Illustration zum Thema "Eine schnelle erste Erholung"

© Francesco Ciccolella

Chancen und Risiken

Das bedeutendste Risiko für die Projektion bleiben die Unwägbarkeiten des Pandemieverlaufs. Grundlage der Herbstprojektion ist die Annahme, dass neben den bereits berücksichtigen Maßnahmen am aktuellen Rand wie den Einschränkungen für einige Wirtschaftsbereiche insbesondere dem Gastgewerbe und im Veranstaltungsbereich im weiteren Prognosezeitraum keine erneuten bundesweiten Infektionsschutzmaßnahmen getroffen werden müssen, die die ökonomische Aktivität stark beeinträchtigen. Würden die aktuell beschlossenen Maßnahmen deutlich verschärft oder verlängert, würde sich die konjunkturelle Erholung nicht in der prognostizierten Form einstellen.

Neben den Unwägbarkeiten bezüglich des Pandemieverlaufs besteht das Risiko, dass Unternehmen trotz der in vielen Ländern ergriffenen Stützungsmaßnahmen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Auch die Risiken, die aus der globalen Konjunktur erwachsen, einschließlich der Risiken für die Stabilität der globalen Finanzmärkte, haben sich im Zuge der Corona-Krise weiter erhöht. Weitere Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung ergeben sich aus dem Austritt Großbritanniens aus der EU und dem weiterhin schwelenden Handelskonflikt zwischen den USA und China.

In der Herbstprojektion wird nicht davon ausgegangen, dass durch Nachholeffekte die während des Lockdowns zurückgestaute Kaufkraft durch Nachholeffekte verausgabt wird. Stattdessen rechnet die Bundesregierung damit, dass sich die Sparquote der privaten Haushalte nur langsam wieder dem niedrigeren Vorkrisenniveau annähert. Sollten die Haushalte ihre Sparquote hingegen schneller senken, würden hiervon zusätzliche Impulse für den privaten Konsum ausgehen.

Kontakt:
Referat: Beobachtung, Analyse und Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
schlaglichter@bmwi.bund.de