In Kürze:

Die Corona-Pandemie hat zu einem historischen Einbruch der deutschen Wirtschaftsleistung geführt. Der harte Shutdown ab Mitte März bis Ende April hinterließ deutliche Spuren. Trotz der mit der Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen einsetzenden wirtschaftlichen Erholung im Mai und Juni ging das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt des zweiten Quartals 2020 gegenüber dem Vorquartal kalender- und saisonbereinigt um 9,7 % zurück. Im ersten Quartal war es bereits um 2,0 % gesunken.

Stark betroffen waren auf der Entstehungsseite nahezu alle Wirtschaftsbereiche. Auf der Verwendungsseite brach erwartungsgemäß die Nachfrage sowohl beim Konsum als auch bei den Investitionen ein. Der Staat weitete seine Nachfrage dagegen auch im Zuge der Stützungsmaßnahmen kräftig aus. Der Außenhandel entwickelte sich angesichts des Shutdowns und der globalen Pandemie ebenfalls extrem schwach.

Insgesamt steht das zweite Quartal 2020 im Zeichen der Corona-Pandemie und der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung. Aktuelle Konjunkturindikatoren belegen aber eine kräftige Erholung im Mai und Juni. Dies spricht für eine hohe durchschnittliche Wachstumsrate im dritten Quartal 2020, obwohl der Erholungsprozess ab der Jahresmitte nunmehr langsamer voranschreiten wird.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat die Bundesregierung ihre Wachstumserwartungen aus der Frühjahrsprojektion für das laufende Jahr 2020 in ihrer jüngsten Interimsprojektion vom 1. September leicht aufwärtskorrigiert, von -6,3 % auf -5,8 %.

Das Statistische Bundesamt hat am 25. August 2020 detaillierte Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal 2020 veröffentlicht. Demnach ging das preis-, kalender- und saisonbereinigte BIP im zweiten Quartal mit einer Veränderungsrate von -9,7 % gegenüber dem Vorquartal zurück. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet dies einen historischen Einbruch, der deutlich stärker ausfiel als der Rückgang in der Finanzkrise 2008/2009. Mit der aktuellen Veröffentlichung wurde die erste Einschätzung des BIP-Wachstums im Rahmen der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamts vom 30. Juli 2020 mit einem Rückgang des BIP von 10,1 % leicht aufwärtskorrigiert. Preisbereinigt sank das BIP um -11,3 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Wirtschaftsbereiche unterschiedlich stark betroffen

Anders als im ersten Quartal ging die Wirtschaftsleistung in nahezu allen Wirtschaftsbereichen mit Ausnahme der Finanz- und Versicherungsdienstleister zurück. Allerdings waren die Wirtschaftsbereiche unterschiedlich stark von der Pandemie und dem Lockdown betroffen. Besonders deutlich sank die Bruttowertschöpfung im exportorientierten Verarbeitenden Gewerbe mit einem Rückgang von 16,1 %. Härter traf es nur die sonstigen Dienstleister mit -17,6 %. Die Bruttowertschöpfung bei den Unternehmensdienstleistern brach um 14,3 % und die im zusammengefassten Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe um 12,4 % ein. Die Bruttowertschöpfung im Baugewerbe zeigte sich demgegenüber vergleichsweise robust mit einem Rückgang von 3,8 %. Die Branche profitiert von der nach wie vor hohen Nachfrage nach Bauleistungen. Auch die Bereiche Information und Kommunikation sowie Grundstücks- und Wohnungsvermietung waren unterdurchschnittlich betroffen.

Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland (Saison-und kalenderbereinigte Entwicklung) Bild vergrößern

Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland (Saison-und kalenderbereinigte Entwicklung)

© StBA, BBk

Positive Impulse vom Staatskonsum können außenwirtschaftliche Schwäche nicht ausgleichen

Erwartungsgemäß brach die private Nachfrage der Unternehmen und der privaten Haushalte im Zuge des Lockdowns ein. Der Staat weitete demgegenüber seine Investitionen und im Zuge der Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie auch seine Konsumausgaben kräftig aus. Die Bruttoanlageinvestitionen gingen insgesamt um 7,9 % zurück. Bei den nichtstaatlichen Sektoren ergab sich dabei
ein Rückgang um 9,4 %. Der Staat weitete dagegen seine Investitionen weiter um 3,2 % aus. Über alle Sektoren betrachtet, brachen die Investitionen in Ausrüstungen besonders stark um 19,6 % ein und setzten ihren seit dem dritten Quartal 2019 bestehenden Abwärtstrend fort. Die staatlichen Ausrüstungsinvestitionen hielten mit einem kräftigen Plus von 26,7 % dagegen, konnten das Minus auf privater Seite von 23,3 % aber nicht annähernd kompensieren. Angesichts der Corona-Pandemie und der vorherrschenden Unsicherheit dürften viele Unternehmen Ausweitungen von Produktionskapazitäten verschoben haben.

Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (Wachstumsbeiträge in Prozentpunkten, preis-, kalender- und saisonbereinigt) Bild vergrößern

Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (Wachstumsbeiträge in Prozentpunkten, preis-, kalender- und saisonbereinigt)

© StBA

Durch das veränderte Konsumverhalten als Reaktion auf die Corona-Pandemie und die eingeschränkten Konsummöglichkeiten reduzierten die privaten Haushalte ihren Konsum um 10,9 %. So wurden etwa die Ausgaben für Beherbergungs-
und Gaststättendienstleistungen nahezu halbiert. Für Freizeit, Unterhaltung und Kultur wurden 21 % und für Verkehr und Nachrichtenübermittlung 16 % weniger ausgegeben als im Vorquartal. Der Staat erhöhte seine Konsumausgaben, nicht zuletzt durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, preisbereinigt um 1,5 % gegenüber dem Vorquartal.

Die schwache Weltkonjunktur machte sich auch beim deutschen Außenhandel bemerkbar. Die Exporte gingen im zweiten Quartal noch einmal massiv um 20,3 % zurück. Die Importe sanken ebenfalls beträchtlich und lagen im zweiten Quartal um 16,0 % niedriger als im Vorquartal. Der Rückgang der Einfuhren fiel damit gedämpfter aus als der der Ausfuhren, was rechnerisch einen insgesamt negativen Außenbeitrag von 2,8 Prozentpunkten des BIP ergab.

Arbeitsmarkt wird von Kurzarbeit gestützt

Die saisonbereinigte Erwerbstätigkeit ging mit 1,6 % bzw. mehr als 600.000 Personen im zweiten Quartal zwar heftig, aber sehr viel weniger stark zurück als die Bruttowertschöpfung. Die Beschäftigung wurde durch den massiven Einsatz der Kurzarbeit, die umfangreichere Freisetzungen verhinderte, gestützt. Im Ergebnis sank allerdings das Arbeitsvolumen um 8,1 %. Im Durchschnitt waren rund 44,7 Millionen Menschen beschäftigt.

Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität – gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde – ist nach vorläufigen Berechnungen gegenüber dem Vorjahresquartal um rund 1,5 % gesunken. Der Verlust an Bruttowertschöpfung wurde durch den Rückgang des Arbeitsvolumens also nicht voll aufgefangen.

Mit dem Rückgang der Wirtschaftsleistung und dem spürbaren Anstieg der Kurzarbeit fielen auch die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in jeweiligen Preisen um -0,8 % niedriger aus als im Vorquartal. Angesichts des BIP-Rückgangs von 9,7 % deutet dies darauf hin, dass ein substantieller Teil der potenziellen Einkommensausfälle etwa durch Lohnersatzleistungen kompensiert werden konnte.

Die Arbeitnehmerentgelte waren dabei um 5,4 % gegenüber dem Vorquartal gesunken. Der Rückgang der Entgelte fiel damit deutlich geringer aus als der Rückgang der Unternehmens- und Vermögenseinkommen (-13,9 %). Angesichts der eingeschränkten Konsummöglichkeiten erhöhte sich die Sparquote der privaten Haushalte im zweiten Quartal sprunghaft auf 21,1 %. Im Jahr 2019 hatte sie durchschnittlich 10,9 % betragen.