Sprungmarken-Navigation

23.07.2020 - Online-Version - Schlaglichter der Wirtschaftspolitik

I. Wirtschaftspolitik

Einleitung

Konjunkturschlaglicht August 2020

Die konjunkturelle Erholung hat begonnen.

Gesamtwirtschaft

ifo Konjunkturtest insgesamt (Salden, saisonbereinigt) Bild vergrößern

ifo Konjunkturtest insgesamt (Salden, saisonbereinigt)

© ifo Institut

Mit den Lockerungen von Infektionsschutzmassnahmen im In- und Ausland hat eine Erholung der deutschen Wirtschaft eingesetzt. Der Erholungsprozess steht aber erst am Anfang, insgesamt ist die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal massiv eingebrochen

Im Fokus

Wegbereiter für die Energieträger der Zukunft

Die Nationale Wasserstoffstrategie - Eine Weiterentwicklung der Energiewende

Illustration zum Thema "Wegbereiter für die Energieträger der Zukunft"

© Mario Wagner

Das Energiekonzept der Bundesregierung hat 2010 die Grundlage für den Aufbau eines nachhaltigen Energiesystems gelegt. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind danach die beiden Hauptsäulen der Energiewende. In sämtlichen Bereichen müssen Einsparpotenziale ausgeschöpft werden und der verbleibende Bedarf mittels erneuerbarer Energien gedeckt werden.

Vor dem Hintergrund der angestrebten Klimaneutralität geraten nun auch Bereiche in den Fokus, deren Treibhausgasemissionen als nur schwer zu mindern gelten. Bei diesen schwer zu dekarbonisierenden Bereichen handelt es sich hauptsächlich um die Schwerindustrie (Stahl, Chemie usw.) und bestimmte Verkehrsbereiche (Schwerlastverkehr, Nutzfahrzeuge, Schifffahrt, Luftfahrt usw.) In diesen Bereichen kann selbst nach Erschließung aller Einsparpotenziale nicht der gesamte Bedarf an fossilen Energieträgern direkt durch erneuerbare Energien gedeckt werden. So benötigt die Stahlindustrie z. B. weiterhin Grundstoffe für die Umwandlung von Eisenerz in Roheisen. Ähnlich werden in der Luftfahrt batterieelektrische Antriebe selbst auf lange Sicht Kraftstoffe nicht vollständig ersetzen können. Stoffliche Energieträger und Produktionsmittel sind und bleiben also auch in Zukunft in einem Industrieland wie Deutschland ein integraler Teil des Energiesystems.

Für eine erfolgreiche Energiewende müssen die noch benötigten Energieträger dekarbonisiert werden. Das heißt schlussendlich, dass bei ihrer Erzeugung und Verwendung kein neues Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen darf. Klimafreundliche Energieträger sind somit zentral für die Weiterentwicklung der Energiewende. Klimafreundlich erzeugter Wasserstoff (H2) ist dabei aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ein Schlüsselelement.

Warum Wasserstoff?

Sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch international wurde das Thema „Wasserstoff“ in den letzten Jahren als wichtige Option zur Dekarbonisierung und Emissionsminderung erkannt.

Wasserstoff ist ein vielfältig einsetzbarer Energieträger, der fossile Energieträger in zahlreichen Anwendungsbereichen ersetzen kann. Zudem ist Wasserstoff für zahlreiche chemische Prozesse unabdingbar. Im Stahlbereich könnte Wasserstoff wiederum Kohle als Grundstoff für die Umwandlung von Eisenerz in Roheisen ersetzen. Statt CO2 würde aus dem Hochofen dann Wasserdampf kommen. Als Kraftstoff kommt Wasserstoff insbesondere in der Brennstoffzelle zum Einsatz, die einen höheren Wirkungsgrad als der klassische Verbrennungsmotor aufweist und als Abgas Wasserdampf ausstößt.

Wasserstoff ist aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften nicht einfach zu speichern und zu transportieren. Insbesondere ist Wasserstoff sehr flüchtig und muss für die Lagerung aufwändig gekühlt und komprimiert werden. Um dieses Problem zu umgehen, ist von Vorteil, dass Wasserstoff auch die Grundlage für zahlreiche chemische Folgeprodukte bildet, wie Ammoniak oder Methanol, aber auch synthetische Kraftstoffe und somit auch in anderer Form gespeichert werden kann. Diese oftmals flüssigen Folgeprodukte sind leichter handhabbar und könnten z. B. fossile Kraftstoffe im Flugverkehr ersetzen. Somit könnte Wasserstoff in zahlreichen Bereichen für eine weitgehende Dekarbonisierung unumgänglich werden.

In Kürze
Wasserstoff ist vielfältig einsetzbar und kann fossile Energieträger in vielen Anwendungsbereichen ersetzen.

Ein Molekül, viele Farben

Entscheidend für die Umweltbilanz von Wasserstoff ist nicht nur die Endanwendung, sondern vor allem auch die Erzeugungsart. So werden bereits heute jährlich in Deutschland in der Chemieindustrie für stoffliche Herstellungsverfahren über 55 Terawattstunden (TWh) Wasserstoff aus fossilen Energieträgern gewonnen (sog „grauer“ Wasserstoff). Die Erzeugung von „grauem“ Wasserstoff ist hierbei mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden.

Nur Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde, ist auf Dauer nachhaltig. Dabei geht es hauptsächlich um „grünen“ Wasserstoff. Dafür wird ein sogenannter Elektrolyseur mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt und Wasser (H2O) in Sauerstoff (O2) sowie den begehrten Wasserstoff (H2) zersetzt. Somit wird elektrische Energie in Form von Wasserstoff gespeichert (sog. chemische Energiespeicherung).

Elektrolyseverfahren sind insbesondere in der Chemieindustrie seit Jahrzehnten bekannt. Dabei wird Wasserstoff entweder gezielt produziert, wenn besonders hohe Reinheitsgrade gebraucht werden, oder aber Wasserstoff entsteht als Nebenprodukt anderer Elektrolyseverfahren (z. B. in der Chlor-Alkali-Elektrolyse). Bevor allerdings „grüner“ Wasserstoff in einem für die Dekarbonisierung erforderlichen Umfang erzeugt werden kann, müssen noch eine Reihe Herausforderungen gemeistert werden: Zuerst müssen Elektrolyseure noch für die Wasserstoff-Erzeugung im großen Stil hochskaliert werden und deutlich leistungsfähigere Anlagen gebaut werden. Abhängig von den verfügbaren Erzeugungstechnologien ist dies unterschiedlich weit fortgeschritten. Hinzu kommt die technische Toleranz der Elektrolyseure gegenüber schwankenden Stromversorgungsbedingungen. Regelmäßiges Abschalten verringert die Lebensdauer und bedeutet zudem weniger Output und damit eine geringere Wirtschaftlichkeit der Investition. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die benötigten erneuerbaren Strommengen. Das Potential für Strom aus erneuerbaren Energien ist in Deutschland begrenzt. Zudem tragen die Stromkosten einen wesentlichen Teil dazu bei, dass „grüner“ Wasserstoff bislang die teuerste „Farbe“ ist. Die Herausforderung, „grünen“ Wasserstoff in das Energiesystem zu integrieren, liegt also neben technischen Aspekten vor allem darin, dass „grüner“ Wasserstoff verfügbar und wettbewerbsfähig gegenüber der fossilen Konkurrenz wird. Darauf konzentrieren sich die Ansätze der Bundesregierung, insbesondere im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie.

Für die Übergangsphase stehen allerdings auch weitere Alternativen zur Verfügung. So setzen große Industrieabnehmer auf „blauen“ Wasserstoff, der kostengünstiger und schneller verfügbar sein könnte. Abgesehen von der Kostenfrage könnte Wasserstoff aus „grüner“ Erzeugung hier anfangs noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Die Erzeugung von „blauem“ Wasserstoff basiert dabei wie bei „grauem“ Wasserstoff auf der CO2-intensiven Umwandlung von fossilen Kohlenwasserstoffen. Maßgeblich ist hierfür v. a. die Dampfreformierung von Erdgas. Allerdings unterscheidet sich die „blaue“ Wasserstofferzeugung dadurch, dass sie mit einem CO2-Abscheidungs- und Speicherungsverfahren gekoppelt wird (engl. Carbon Capture and Storage, CCS). Das abgeschiedene CO2 gelangt so nicht in die Atmosphäre, muss aber sicher zu einer geeigneten Lagerstätte transportiert werden, um dort nachhaltig gespeichert zu werden. In Norwegen z. B. werden hierzu vielversprechende Ansätze verfolgt. Insgesamt wird der Einsatz von blauem Wasserstoff jedoch kontrovers diskutiert, da die Sicherheit des CCS-Verfahrens, sprich der langfristige Verbleib des CO2 unter der Erde, zurzeit noch geprüft wird. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Klimaschutzprogramm 2030 einen Dialogprozess angekündigt, der u. a. CCS in der Gesamtschau aller Klimaschutztechnologien in den Blick nehmen soll. Vor allem bieten die rasche Skalierbarkeit und die niedrigeren Kosten blauen Wasserstoffs Vorteile, um die Umrüstung auf wasserstoffbasierte Anwendungstechnologien in der Industrie zu beschleunigen. Somit würden wesentliche Voraussetzungen für den Einsatz und die Nachfrage nach „grünem“ Wasserstoff geschaffen werden.

In Kürze
Die Bundesregierung sieht auf Dauer „grünen“ Wasserstoff als die einzig nachhaltige Lösung an.

Ähnliches gilt für die Erzeugung von „türkisfarbenem“ Wasserstoff. Hierbei wird Wasserstoff über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt. Anstelle von CO2 entsteht dabei aus Methan (CH4) der begehrte Wasserstoff (H²) und fester Kohlenstoff (C), wodurch die CCS-Problematik von leicht flüchtigem CO2 umgangen wird. Allerdings wird das Verfahren zurzeit noch für den großskaligen Einsatz entwickelt. Zudem ist die CO2-Neutralität des Verfahrens durch die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen sowie durch die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs bedingt.

Die Bundesregierung sieht auf Dauer „grünen“ Wasserstoff als die einzig nachhaltige Lösung an. Sie geht aber davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren ein globaler und europäischer Wasserstoffmarkt herausbilden wird. Auf diesem Markt werden dann auch „blauer“ oder „türkisfarbener“ Wasserstoff gehandelt werden. Aufgrund der engen Einbindung von Deutschland in die europäische Energieversorgungsinfrastruktur werden diese Optionen daher auch hier eine Rolle spielen und, wenn verfügbar, auch übergangsweise genutzt werden. Die laufenden Untersuchungen der erwähnten Verfahren werden hierbei eine wichtige Grundlage für Zertifizierungssysteme bilden, die Transparenz über die Umweltbilanz der unterschiedlichen Wasserstoff-Farbschattierungen schaffen werden.

Illustration zum Thema "Wegbereiter für die Energieträger der Zukunft"

© Mario Wagner

Exkurs zu Wasserstoff-Folgeproduktion
Aus Wasserstoff können weitere Folgeprodukte hergestellt werden (Ammoniak, Methanol, Methan usw.). Sofern diese Produkte unter der Verwendung von „grünem“ Wasserstoff erzeugt werden, wird im
Folgenden übergreifend von Power-to-X (PtX) gesprochen. Je nachdem, ob die erzeugten Folgeprodukte in gasförmiger oder flüssiger Form anfallen, spricht man von Power-to-Gas (PtG) oder von Power-to-Liquid (PtL). Mittelfristig könnte dabei auch die wasserstoffbasierte Nutzung von CO2 in chemischen Prozessen eine wichtige Rolle im Sinne der Kreislaufwirtschaft einnehmen (engl. Carbon Capture and Utilization, CCU). CO2 wird z.B. für die Erzeugung von Methan aus Wasserstoff (Methanisierung) oder für weitere wichtige Grundchemikalien wie Methanol benötigt.

Wasserstofftechnologien „made in Germany“

Neben den klimapolitischen Potenzialen sind auch die industriepolitischen Potenziale der Wasserstofftechnologien nicht von der Hand zu weisen. Dabei geht es sowohl um Erzeugungsanlagen (Elektrolyseure) und Versorgungsinfrastruktur (wasserstofftaugliche Leitungen, Transport- und Speicherlösungen usw.), als auch um entsprechende Anwendungstechnologien (Brennstoffzellen, Wasserstoff-Direktreduktion in der Stahlindustrie usw). Deutschland hat die Chance, sich im internationalen Wettbewerb eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und dem Export von Wasserstoff- und Power-to-X-Technologien zu erarbeiten. So verfügt die deutsche Industrie bei der Erzeugung von Wasserstoff, der Weiterverarbeitung in verschiedenste Folgeprodukte sowie deren Verwendung über ein breites Know-How. Die aufgrund der langjährigen Fördermaßnahmen (u. a. im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie und des Energieforschungsprogramms) breite deutsche Akteurslandschaft rund um Wasserstofftechnologien wird ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien in Deutschland sein. Die Herstellung der Komponenten für die Erzeugung, Nutzung und Versorgung von Wasserstoff wird dann zur regionalen Wertschöpfung beitragen und die in diesen Bereichen tätigen Unternehmen stärken. Wasserstoff steht somit auch im Zeichen der Wiederbelebung der Konjunktur (Recovery) für wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in Deutschland.

Illustration zum Thema "Wegbereiter für die Energieträger der Zukunft"

© Mario Wagner

Die Nationale Wasserstoffstrategie: Chancen ergreifen

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) setzt sich die Bundesregierung zum Ziel, die klima-, energie- und wirtschaftspolitischen Chancen von Wasserstoff zu ergreifen. Sie verfolgt dabei insbesondere folgende Ansätze:

  • Wasserstoff und seine Folgeprodukte als Schlüsselelemente der Energiewende etablieren.
  • Die gute Ausgangsposition deutscher Unternehmen stärken, indem Forschung, Entwicklung und der Technologietransfer rund um innovative Wasserstofftechnologien forciert werden. Denn nur mit einer langfristig angelegten Forschungs- und Innovationsförderung entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Wasserstoff – von der Erzeugung über Speicherung, Transport und Verteilung bis hin zur Anwendung – sind Fortschritte bei diesen Kerntechnologien der Energiewende zu erzielen.
  • Die Kostendegressionen bei Wasserstofftechnologien voranbringen. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auch international gestärkt.
  • Die Voraussetzungen für einen Markthochlauf der Wasserstofftechnologien schaffen. Dafür müssen inländische Märkte für die Erzeugung und Verwendung von Wasserstoff ermöglicht werden. Der Fokus liegt dabei auf Bereichen, die schon jetzt nahe an der Wirtschaftlichkeit sind, bei denen größere Pfadabhängigkeiten vermieden werden oder die sich nicht anders dekarbonisieren lassen.
  • Die zukünftige Versorgung mit Wasserstoff und dessen Folgeprodukten sichern und gestalten. Dabei steht „grüner“ Wasserstoff im Fokus, der langfristig als einzig nachhaltige Lösung gesehen wird. Dafür muss zusätzlich zu heimischen Erzeugungspotentialen ein verlässlicher europäischer und internationaler Rahmen geschaffen werden, um mit entsprechenden Partnern neue Handelsbeziehungen aufbauen zu können. Kooperationen auf internationaler- und EU-Ebene werden hierfür maßgebliche Weichen stellen.

Bis zu 5 Gigawatt Elektrolyseleistung bis 2030

Derzeit ist die Erzeugung und Nutzung von „grünem“ Wasserstoff noch nicht wirtschaftlich. Insbesondere die Verwendung fossiler Alternativen, bei denen aktuell die Umweltkosten der CO2-Emissionen noch nicht voll eingepreist sind, ist günstiger. Um die Entwicklung voranzutreiben und eine Kostendegression bei den Wasserstofftechnologien zu erreichen, sind sowohl eine wettbewerbsfähige Produktion als auch ein wachsender Absatzmarkt für „grünen“ Wasserstoff notwendig. Ein schneller Markthochlauf für die Produktion und Nutzung von Wasserstoff ist daher von großer Bedeutung. Nur dann kann das vorhandene Wissen weiterentwickelt und die hervorragende deutsche Ausgangsposition im weltweiten Wettbewerb gehalten werden.

Als erster Schritt für den Markthochlauf ist eine starke inländische Wasserstoffproduktion und -verwendung – ein „Heimatmarkt“ – unverzichtbar. Bis zum Jahr 2030 sollen hierfür in Deutschland Erzeugungsanlagen für „grünen“ Wasserstoff von bis zu 5 Gigawatt (GW) Gesamtleistung entstehen. Zu diesem Zweck sieht der Aktionsplan der NWS vor, weitere Möglichkeiten für die Privilegierung bei staatlich induzierten Strompreisbestandteilen für den Betrieb von Elektrolyseuren zu prüfen.

Der Markthochlauf der „grünen“ Wasserstofferzeugung soll insbesondere auf der Nachfrageseite unterstützt werden. Der Fokus liegt dabei in einer ersten Phase auf den genannten Industrie- und Verkehrsbereichen, die schon jetzt nahe an der Wirtschaftlichkeit sind oder die sich nicht anders dekarbonisieren lassen. Die hier erzielten Erfolge kommen dann auch Bereichen zugute, in denen der Einsatz von Wasserstoff nicht unmittelbar bevorsteht, so z. B. möglichen Anwendungen im Wärmebereich.

In Kürze
Wir brauchen einen europäischen und internationaler Rahmen zum Aufbau von Wasserstoff-Handelsbeziehungen.

Wasserstoff als Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung der Schwerindustrie

Vor allem im Raffineriebereich könnten bis 2030 bis zu 2 GW „grüner“ Elektrolysekapazitäten entstehen. Dabei wird die im Aktionsplan vorgesehene zeitnahe und ambitionierte Umsetzung der europäischen Richtlinie über Erneuerbare Energien (RED II) eine entscheidende Rolle spielen. Über die RED II wird über eine Verpflichtung zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Verkehrssektor frühzeitig ein starker Impuls für die Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff bei Raffinieren gesetzt. Dies wird den Markthochlauf der Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutschland zügig voranbringen

In der Industrie müssen zudem zunehmend fossile Grundstoffe und Energieträger substituiert und Verfahren mit geringerem CO2-Ausstoß entwickelt bzw. vermehrt eingesetzt werden. Hier setzt der Aktionsplan der NWS starke Anreize für mutige Investitionsentscheidungen der Industrie. Hier liegt der Schwerpunkt des Aktionsplans, mit Investitionsförderprogrammen, die die Industrie bei der Umrüstung auf Wasserstofferzeugungs- und anwendungstechnologien unterstützen. Über das Konjunkturpaket, das vom Koalitionsausschuss am 3. Juni 2020 verabschiedet wurde, könnten diese Förderprogramme noch einmal deutlich verstärkt werden.

Trotzdem stellt sich in bestimmten Bereichen die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der wasserstoffbasierten alternativen Produktionsprozesse, auch im Kontext der globalen Konkurrenz. Insbesondere die hohen Kosten für „grünen“ Wasserstoff schlagen bei der Produktion von Gütern zu Buche. Um dieser Herausforderung zu begegnen und die Wettbewerbsfähigkeit industrieller Kernbereiche zu wahren, sollen Pilotprogramme zur Förderung der wasserstoffbasierten Industrieproduktion geschaffen werden. Hierbei soll u. a. das Instrument der Carbon Contracts for Difference (CfD) im Rahmen eines Pilotprogramms getestet werden. Dabei handelt es sich um eine Form der Betriebskostenförderung, deren variable Höhe sich am CO2-Preis im europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) orientiert. Dabei verringert sich bei steigendem EU-ETS-Preis automatisch die Fördersumme. Hierdurch sollen Risiken für Unternehmen bei anfänglich hohen CO2-Vermeidungskosten verringert und Investitionsentscheidungen befördert werden.

In Kürze
Brennstoffzellenfahrzeuge können die Elektromobilität ergänzen und den Ausstoß von Schadstoffen massiv senken.
Illustration zum Thema "Wegbereiter für die Energieträger der Zukunft"

© Mario Wagner

Die wasserstoffbasierte Mobilität auf den Weg bringen

Die wasserstoffbasierte Mobilität ist vor allem für die Anwendungen eine Alternative, die vorerst nicht durch die Elektromobilität erreicht werden können und auch zukünftig auf stoffliche Kraftstoffe angewiesen sind. Hier gilt es, den Strukturwandel in der deutschen Automobilindustrie konstruktiv und zielführend zu begleiten.

Die Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen kann u. a. im ÖPNV (Busse, Züge), im Straßenschwerlastverkehr (LKW) oder in der Logistik (Gabelstapler, Flurförderzeuge) die Elektromobilität ergänzen und den Ausstoß von Luftschadstoffen sowie CO2-Emissionen massiv senken. Auch im PKW-Bereich hat die Brennstoffzelle bei langen Distanzen gute Perspektiven. Im Luftverkehr und in der Schifffahrt wird sich zudem langfristig eine Nachfrage nach synthetischen Treibstoffen (insbesondere PtL) entwickeln. Für all diese Bereiche sieht der Aktionsplan konsequent ausgestattete Investitionsförderprogramme vor.

Den Wasserstoff zum Kunden bringen

All diese neuen Anwendungen setzen die Verfügbarkeit einer entsprechenden allgemein zugänglichen Netzinfrastruktur für Wasserstoff voraus. Mit seinem weit verzweigten Erdgasnetz verfügt Deutschland über eine gut ausgebaute Infrastruktur für Gase. Perspektivisch könnte ein Teil dieser Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff umgewidmet und umgerüstet werden. Zudem werden in industriellen Ballungsräumen bereits private Wasserstoffnetze betrieben. Auch diese Infrastruktur könnte in der Markthochlaufphase eine wichtige Rolle bei der Versorgung großindustrieller Kunden spielen. Die Fernleitungsnetzbetreiber haben im Szenariorahmen für die Netzentwicklungsplanung 2020 – 2030 ein erstes Wasserstoffstartnetz modelliert. Vor diesem Hintergrund wird es im Weiteren darum gehen, den Markthochlauf auf Angebots- und Nachfrageseite bestmöglich mit der Netzentwicklung zu verzahnen.

Weitere Transportoptionen in Form von flüssigen Folgeprodukten (PtL) oder LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carriers) könnten für den internationalen Handel eine wichtige Rolle spielen. Der Handel mit PtX-Produkten über weite Strecken und der Transport von Wasserstoff über Leitungsnetze werden voraussichtlich eine komplementäre Rolle zueinander einnehmen.

Internationale Märkte für Wasserstoff etablieren

Mittel- und langfristig wird Deutschland „grüne“ Energie in erheblichem Umfang importieren müssen, um seine Klimaziele bis 2030 und darüber hinaus zu erreichen. Bei Wasserstoff geht die Bundesregierung unter günstigen Bedingungen für den Markthochlauf bis 2030 von einem Bedarf von 90-110 TWh aus. Da die einheimische Produktion von „grünem“ Wasserstoff aufgrund der limitierten Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms den Bedarf nicht wird decken können, muss Deutschland verstärkt entsprechende Importstrukturen entwickeln. Der internationale Handel mit Wasserstoff und synthetischen Folgeprodukten wird nicht nur neue Handelsbeziehungen für Deutschland schaffen, sondern eine weitere Diversifizierung der Energieträger und -quellen ermöglichen und die Versorgungssicherheit stärken.

Die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts für Wasserstoff ist eine wichtige Voraussetzung für den Markthochlauf in Europa. In Ländern mit günstigen Erzeugungsbedingungen werden somit Chancen für neue Geschäftsmodelle entstehen und insgesamt wird die Versorgungssicherheit mit „grünem“ Wasserstoff in Industrieländern steigen. Um die Voraussetzungen für einen fließenden und transparenten innereuropäischen Markt zu schaffen, wird sich Deutschland auf europäischer Ebene insbesondere für die Systematisierung und Klassifizierung von Wasserstoff und synthetischen Folgeprodukten hinsichtlich Nachhaltigkeitskriterien u. a. bei der nationalen Umsetzung der RED II einsetzen.

Auf internationaler Ebene fördert die Zusammenarbeit mit potenziellen Lieferländern deren Beitrag zum internationalen Klimaschutz und bringt nachhaltige Entwicklungschancen mit sich. Insbesondere die bestehenden Energiepartnerschaften der Bundesregierung bieten Möglichkeiten für gemeinsame Projekte sowie die Erprobung von Importrouten und -technologien. Hierbei wird auch beachtet, dass der Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff nicht zu Lasten der häufig unzureichenden Energieversorgung in den Entwicklungsländern gehen darf.

Forschung, und Innovation als Türöffner für Wasserstoff

Um die gute Ausgangsposition deutscher Unternehmen zu sichern, wird es entscheidend sein, Innovationen aus dem Labor schneller als bisher in die Anwendung zu bringen und sie im industriellen Maßstab umzusetzen. Hierfür wurden die „Reallabore der Energiewende“ als neue Fördersäule der Energieforschung etabliert, um bei Schlüsseltechnologien – allen voran im Wasserstoffbereich – den Innovationstransfer zu beschleunigen. Die Bundesregierung hat zudem die Forschungsmaßnahmen an Wasserstoff-Schlüsseltechnologien in ihrem Energieforschungsprogramm strategisch gebündelt, um maximale Wirkungskraft zu entfalten.

Die Nationale Wasserstoffstrategie als anpassungsfähiger Wegbereiter

Die Erzeugung und Verwendung von Wasserstoff und seiner Folgeprodukte wird zukünftig in zahlreichen Bereichen der deutschen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Um der Unsicherheit bei langen Vorhaben entgegenzuwirken, soll die „Nationale Wasserstoffstrategie“ regelmäßig in einem Drei-Jahres-Turnus aktualisiert und gegebenenfalls angepasst werden. Grundlage hierfür wird ein Monitoringverfahren sein, das Marktentwicklungen spiegeln und bei Bedarf ein Nachsteuern anstoßen soll. Neben einem Ausschuss der Staatssekretäre, einer Bund-Länder-Plattform und einer Leitstelle Wasserstoff wird auch ein Wasserstoffrat aus ausgewiesenen Experten gegründet. All diese Instanzen werden eng miteinander auf die Weiterentwicklung des Aktionsplans hinwirken. In der NWS ist somit von vornherein der Gedanke der fortlaufenden Weiterentwicklung verankert.

Mehr zum Thema:

Logo "Nationale Wasserstoffstrategie"

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.bmwi.de/die-nationale-wasserstoffstrategie

Kontakt:
Dr. Cyriac Massu
Referat: Gasförmige Energieträger der Zukunft

Dr. Simon Koesler
Referat: Wärmewende und Sektorkopplung
schlaglichter@bmwi.bund.de

Fragen an

Abstrakte Darstellung eines Potraits

Andreas Feicht; Staatssekretär im BMWi mit dem Zuständigkeitsbereich Energiepolitik

© BITTESCHÖN.tv

Experten gehen von einem erheblichen Wasserstoffbedarf aus. Wie plant die Bundesregierung diesen Bedarf zu decken?

Unser Wasserstoffverbrauch liegt aktuell bei 55 TWh pro Jahr. Bis 2030 wird sich der Bedarf in etwa verdoppeln. Mit „grünem“ Wasserstoff aus Deutschland können wir nur einen Teil des Bedarfs decken, da unsere Kapazitäten an erneuerbaren Energien begrenzt sind. Deutschland ist und bleibt ein Energie-Importland.

Investiert Deutschland ausreichend in Forschung und Entwicklung?

Die Bundesregierung unterstützt die Wasserstoffbranche bereits jetzt mit ihrem Energieforschungsprogramm und mit gezielten Förderangeboten im Rahmen der Wasserstoffstrategie. Mit den „Reallaboren der Energiewende“ stellen wir als BMWi allein 100 Mio. Euro pro Jahr für Demonstrationsprojekte zur Verfügung. Insgesamt sind das sehr günstige Voraussetzungen für Wasserstoff-Innovationen „Made in Germany“.

Welche Exportchancen bieten Wasserstofftechnologien?

Wasserstoff ist unverzichtbar für eine erfolgreiche Dekarbonisierung vieler Volkswirtschaften. Der Transformationsprozess hat daher auch eine industriepolitische Dimension. Technologisch sind wir gut aufgestellt, aber der Blick etwa nach China und Japan zeigt, dass unsere Wettbewerber nicht schlafen. Wir werden Instrumente der internationalen Kooperation nutzen, um die Marktchancen für deutsche Technologieanbieter konsequent zu verbessern.

Unternehmen in Deutschland in der Corona-Krise

Unternehmen in Deutschland sind von den Auswirkungen der Corona-Pandemie hart getroffen. Bei der Überwindung der Krise helfen ihnen die Lockerungen der Beschränkungen und die staatlichen Hilfspakete.

Illustration zum Thema "Unternehmen in Deutschland in der Corona-Krise"

© Getty Images

Das Markt- und Sozialforschungsinstitut Kantar hat im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im April und Juni Befragungen durchgeführt, um die Betroffenheit von in Deutschland tätigen Unternehmen von der Corona-Pandemie zu ermitteln. In der ersten Erhebungswelle wurden 500 Unternehmen auf Basis einer repräsentativen Stichprobe befragt, in der zweiten 1.000. Wie angesichts des Ausmaßes der Pandemie zu erwarten, zeigen die Ergebnisse eine allgemein hohe Betroffenheit deutscher Unternehmen: Etwa drei von vier Unternehmen gaben an, zum Zeitpunkt der jeweiligen Befragung negative Auswirkungen zu verspüren.

Das Ausmaß der negativen wirtschaftlichen Folgen wurde in beiden Befragungsrunden auf einer Skala von 1 („geringe negative Auswirkungen“) bis 5 („sehr starke negative Auswirkungen“) als insgesamt stark angegeben. So bewerteten die Unternehmen in der ersten Befragung im April ihre negative Betroffenheit durchschnittlich mit 3,8, im Juni verbesserte sich das Ausmaß der Betroffenheit leicht auf einen durchschnittlichen Wert von 3,6. Am stärksten betroffen zeigten sich in der letzten Befragungsrunde die Branchen „Logistik/Verkehr“, „Beherbergung und Gastronomie“, „Kreativwirtschaft und Unterhaltung“, „Nahrungsmittelproduktion“, „Groß- und Einzelhandel“ sowie „Fahrzeugund Maschinenbau“.

Große Unternehmen sind den Befragungsergebnissen zufolge anteilsmäßig am häufigsten betroffen, das Ausmaß der negativen wirtschaftlichen Folgen ist jedoch bei kleinen Unternehmen am stärksten. Regional betrachtet sind Unternehmen im Süden und Westen Deutschlands am häufigsten und am stärksten betroffen. Zugleich kommt Kantar auf Basis der Juni-Befragung zu dem Befund, dass jedes zehnte Unternehmen mit positiven wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Krise kommt oder zumindest auch positive Effekte verspürt.

Nachfragerückgänge und Liquiditätsengpässe treffen besonders viele Unternehmen

Besonders häufig und stark sind Unternehmen in Deutschland laut beiden Befragungen durch einen Rückgang der Nachfrage und Liquiditätsengpässe infolge der Pandemie betroffen (Abbildung 1). Etwa die Hälfte der negativ betroffenen Unternehmen nannte darüber hinaus Schließungen von Betriebsteilen oder ganzen Betrieben, logistische Schwierigkeiten beim Absatz der eigenen Produkte oder Bezug von Vorleistungen oder Zwischenprodukten als Gründe für negative Betroffenheit. Interessanterweise stellen personelle Engpässe aufgrund von Krankheit, Quarantäne oder Kinderbetreuung oder gar Geschäftsaufgabe seit Beginn der Pandemie nur für wenige Unternehmen ein Problem dar.

Abbildung 1: Ausmass der Auswirkungen der Corona-Pandemie bei negativ betroffenen Unternehmen in der zweiten Befragungswelle Bild vergrößern

Abbildung 1: Ausmass der Auswirkungen der Corona-Pandemie bei negativ betroffenen Unternehmen in der zweiten Befragungswelle

© Erhebungen und Berechnungen durch Kantar

Ausmass der Auswirkungen der Corona-Pandemie bei negativ betroffenen Unternehmen in der zweiten Befragungswelle

Als Grund für Liquiditätsengpässe wurden am häufigsten Steuerzahlungen, Miet- oder Pachtzahlungen sowie Lohnzahlungen genannt. Von den durch Liquiditätsengpässe betroffenen Unternehmen hatte jedes vierte Unternehmen bis zum Zeitpunkt der zweiten Befragung einen Kreditantrag bei seiner Hausbank gestellt, um bestehende Forderungen zu begleichen, zum Teil in Verbindung mit einem Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Etwas mehr als die Hälfte (54%) der Kreditanträge wurde bereits bewilligt – bei einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von zweieinhalb Wochen. Erfreulich ist auch, dass im Juni fast die Hälfte der von Liquiditätsengpässen betroffenen Unternehmen (44%) es für sehr unwahrscheinlich hielt, in eine Insolvenz zu geraten; im April teilte nur knapp jedes fünfte Unternehmen (18%) diese optimistische Einschätzung.

In Kürze
Personelle Engpässe wegen Krankheit, Quarantäne oder Kinderbetreuung sind nicht das größte Problem.
Illustration zum Thema "Unternehmen in Deutschland in der Corona-Krise"

© Getty Images

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die unternehmerische Innovationstätigkeit?

Das BMWi hat über seinen Projektträger VDI TZ im April 2020 eine Online-Befragung zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die unternehmerische Forschungs-, Entwicklungs-und Innovationstätigkeit (FuEuI) durchgeführt. Insgesamt haben sich rund 1.800 Unternehmen (davon 86% kleine und mittelständische Unternehmen) an der Befragung beteiligt.

Der Großteil der befragten Unternehmen gab an, FuEuI-Projekte zu verschieben oder ihre Laufzeit zu verlängern (75%) oder sie zu unterbrechen (54%). 24% der Unternehmen geben an,
ihre Projekte ganz abzubrechen. Doch zugleich nimmt ein nennenswerter Anteil in der Krise neue FuEuI-Aktivitäten auf (21%). Großunternehmen passen Umfang und Fortführung ihrer Planungen dabei noch stärker an als KMU.

Was die strategischen Schlussfolgerungen aus der Krise angeht, so wollen 35% der Unternehmen zukünftig FuEuI stärker nutzen, um ihre Produktpalette und ihr Dienstleistungsangebot zu diversifizieren.
Die Erschließung neuer Märkte mit vorhandenem Know-How wird von 46% der Unternehmen angestrebt, eine noch stärkere Digitalisierung ihrer FuEuI-Aktivitäten von 50% der Unternehmen.

Die Ergebnisse der Umfrage finden Sie unter:
www.bmwi.de/ergebnisse-befragung-corona-forschung

Das BMWi hat seine Innovations- und Digitalförderprogramme „von der Idee zum Markterfolg“ bereits als Reaktion auf die Corona-Krise temporär administrativ angepasst.
www.bmwi.de/sofortmassnahmen-technologische-foerderung

Die durch die Befragung gewonnenen Erkenntnisse finden auch Eingang in die Transferinitiative des BMWi. Mit der Transferinitiative begleitet das BMWi den Technologie- und Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Forschung. Ziel ist es,die Entwicklung von Innovationen zu unterstützen und so Forschungsergebnisse erfolgreich in neue, marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu überführen.
www.bmwi.de/transferinitiative

Viele Unternehmen verbuchen Umsatzeinbussen, Investitionen werden häufig ausgesetzt

Die starke Betroffenheit von Unternehmen in Deutschland zeigt sich auch in ihren Umsatzerwartungen für das zweite Quartal. Hier zeichnet sich jedoch eine leichte Entspannung im Zeitverlauf ab. Im Juni gaben 61% der befragten Unternehmen an, dass sie Umsatzeinbußen um durchschnittlich 48% im Vergleich zum Vorjahr durch die Pandemie erwarten. Im April rechneten noch 72% der Unternehmen mit Umsatzeinbußen für das zweite Quartal, auch die Höhe der erwarteten Verluste war mit 55% etwas höher.

Ein gemischtes Bild ergibt sich hingegen bei den Auswirkungen der Pandemie auf die unternehmerischen Investitionstätigkeiten. Knapp drei von vier Unternehmen, die für das zweite Quartal 2020 Investitionen u.a. in digitale Ausstattung oder Strukturen, Renovierungs- und Sanierungsarbeiten oder Forschung und Entwicklung geplant hatten, haben diese zunächst ausgesetzt. Auf der anderen Seite hat etwa jedes zehnte Unternehmen im Zuge der Pandemie neue Investitionen getätigt, insbesondere in Gesundheits- oder Arbeitsschutz sowie in digitale Ausstattung oder Strukturen.

Kurzarbeit, personalpolitische Massnahmen und staatliche Hilfen erhalten Jobs und vermeiden Insolvenzen

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen zudem, dass viele Unternehmen personalpolitisch reagieren oder Hilfe der Bundesregierung in Anspruch nehmen, um die Krise zu bewältigen. Auf diese Weise konnten viele Unternehmen bis zum jetzigen Zeitpunkt Liquiditätsengpässe überbrücken und Arbeitsplätze erhalten. Im Juni setzte gut jedes vierte Unternehmen Kurzarbeit ein oder plante, diese zu nutzen, während im April noch rund jedes dritte Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch machte. Im Durchschnitt betrifft dies knapp drei Viertel der jeweiligen Belegschaft, die Tendenz ist seit der ersten Befragung rückläufig.

Viele Unternehmen reagierten zudem mit einem Abbau von Überstunden oder Urlaub (34%), den Ausbau von Telearbeit (30%) oder Verkürzung der Arbeitszeit (24%) auf die Pandemie. Auch wenn diese Maßnahmen in vielen Unternehmen die Beschäftigung sicherten, mussten einige Unternehmen zum Teil bereits Stellen abbauen. 11 % der befragten Unternehmen gab an, Beschäftigte entlassen zu haben oder plante dies.

Gut die Hälfte der befragten Kleinunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten nutzten bis Juni die Soforthilfen des Bundes oder der Länder oder beabsichtigen, sie zu beantragen. Neben unbürokratischen Zuschüssen zur schnellen Überwindung finanzieller Engpässe werden von gut jedem sechsten Unternehmen coronaspezifische Darlehen, Kredite oder Bürgschaften genutzt, während jedes fünfte Großunternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten zum Zeitpunkt der zweiten Befragung erwog, Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zu beantragen, sobald diese verfügbar sind. Der WSF stellt Mittel für Staatsgarantien für Verbindlichkeiten und direkte staatliche Beteiligungen zur Verfügung. Ziel des WSF ist es, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Unternehmen abzumildern, die eine erhebliche Bedeutung für den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland haben. Gut ein Drittel der Unternehmen nutzt darüber hinaus die Möglichkeit der Stundung von Steuerzahlungen.

Neben den Hilfsprogrammen der Bunderegierung und der Länder sowie den von vielen Unternehmen getroffenen personalpolitischen Maßnahmen zeigen auch die auf Grund der geringen Neuinfektionen seit Mitte April bundesweit veranlassten Lockerungen der Kontaktbeschränkungen positive Wirkungen: Jedes dritte Unternehmen gab in der Juni-Befragung an, dass sich die Öffnungen positiv auf seine wirtschaftliche Situation ausgewirkt haben.

Gute Bonität erleichtert Unternehmen den Zugang zu Krediten in der Krise

Um weitere Einblicke in die bisherigen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen in Deutschland zu erhalten, wurden die Umfrageergebnisse der ersten Erhebungswelle der von Kantar durchgeführten Befragungen mit den Daten des Mannheimer Unternehmenspanels (MUP) beim Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) auf der Unternehmensebene verknüpft.

In einem ersten Schritt analysiert das ZEW auf Basis dieser Daten, ob Unternehmen mit besserer Bonität weniger stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie betroffen sind als Unternehmen mit einem schlechteren Kreditrating. Hierfür wurde ein Index zur Unternehmensbonität, der die Kreditausfallwahrscheinlichkeit eines Unternehmens für die zweite Jahreshälfte 2019 widerspiegelt, verwendet. Bei Unternehmen mit einem niedrigen Bonitätsindex liegt eine höhere Wahrscheinlichkeit vor, dass diese ihre Kredite nicht entsprechend der getroffenen Vereinbarungen zurückzahlen können. Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass Unternehmen, welche bereits vor Beginn der Pandemie ein schwaches Kreditrating aufgewiesen haben, nicht stärker von der Pandemie betroffen sind als Unternehmen mit hoher Bonität vor Beginn der Krise.

Viele Unternehmen sind folglich unabhängig von ihrer Bonität und ihrem Verschuldungsgrad vor Ausbruch der Krise von deren Auswirkungen negativ betroffen, da sie mit einem Wegfall von Lieferketten, (vorübergehenden) Betriebsschließungen und negativen Nachfrageschocks konfrontiert werden. Dies gilt vor allem für stark betroffene Branchen wie beispielsweise das Gastgewerbe, den Verkehrs- und den Unterhaltungssektor.

In einem zweiten Analyseschritt untersucht das ZEW genauer, welche Art von Unternehmen die staatlichen Hilfsprogramme in Anspruch nehmen. Hierfür wurden die von Kantar im April erhobenen Daten zur Kreditbewilligung durch die Hausbanken im Rahmen der Pandemie genutzt. Wie in Tabelle 1 veranschaulicht zeigen vorläufige Ergebnisse: Kreditanträge von Unternehmen mit ausgezeichneter bis guter Bonität vor der Krise wurden zum Zeitpunkt der ersten Befragungen in keinem einzigen Fall abgelehnt, während Kreditanträge von Unternehmen mit schwacher bis ungenügender Bonität in keinem Fall bewilligt wurden. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen mit besserer Bonität leichter Zugang zu Überbrückungskrediten gewährt wird als Unternehmen mit hoher Kreditausfallwahrscheinlichkeit. Allerdings sind diese Ergebnisse auf Grund der geringen Fallzahlen zur Kreditbewilligung mit Vorsicht zu interpretieren.

Tabelle 1: Unternehmensbonität und Kreditbewilligung Bild vergrößern

Tabelle 1: Unternehmensbonität und Kreditbewilligung

© Berechnungen des ZEW

Aussicht auf Erholung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine gute Liquiditätslage von Unternehmen vor der Krise zwar nicht vor negativen Auswirkungen durch die Krise schützt, doch scheint sie den betroffenen Unternehmen den Zugang zu Mitteln für die Krisenbewältigung zu erleichtern. Hilfsmaßnahmen, die zum Teil über Garantien des Bundes abgesichert werden, werden demnach nicht vornehmlich von Unternehmen in Anspruch genommen, die gemessen an ihrer Kreditbonität einem hohen Ausfallrisiko unterliegen. Insgesamt liefern die kombinierten Ergebnisse von Kantar und dem ZEW erste Anhaltspunkte dafür, dass Unternehmen durch einen schnellen Zugang zu staatlichen Hilfsprogrammen die Auswirkungen der Krise besser überwinden können und Insolvenzen sowie Stellenabbau vermieden werden können.

Illustration zum Thema "Unternehmen in Deutschland in der Corona-Krise"

© Getty Images

Kontakt:
Juliane Stoll
Referat: Wirtschaftspolitische Analyse

Dr. Verena Mertens
Referat: Grundsatzfragen der nationalen und internationalen Innovations- und Technologiepolitik
schlaglichter@bmwi.bund.de

Wortmeldung

Schnelle Unternehmensinformationen

KI eröffnet neue Wege der Informationsbereitstellung für die Wirtschaftspolitik

Abstrakte Darstellung eines Potraits

Dr. Georg Licht leitet den Forschungsbereich "Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik" am ZEW. Er arbeitet zu Innovationen in der Informationsbeschaffung zum Innovations- und Gründungsverhalten.

© BITTESCHÖN.tv

In der Corona-Krise zeigte sich erneut der Mangel an kurzfristig verfügbaren Informationen zur aktuellen Lage der Unternehmen. Wie viele Unternehmen in welchen Regionen, Branchen und Unternehmensgrößen sind wie von der Krise betroffen und wie reagieren sie darauf? Werden genügend Unternehmen von den Maßnahmen erreicht? Gibt es Lücken in den Unterstützungspaketen, die geschlossen werden müssten? Wie können kurzfristig Daten zur Verfügung gestellt werden, die Orientierungspunkte für die Unternehmenspolitik liefern können?

Der Einsatz von KI-gestützter Datenerhebung kann die Erhebungsdauer stark verkürzen und am aktuellen Informationsbedarf ausgerichtet werden. Beides wäre essentiell, denn jede Krise ist vornehmlich eine Novität, und die Wirtschaftspolitik braucht spezifische Informationen. Nötig ist allerdings eine strikte Validierung der Daten. Dies kann auf verschiedenen Wegen geschehen, z.B. durch Nutzung von Informationen aus sozialen Netzwerken oder von Webseiten von Unternehmen – und besser noch durch Kombination von Unternehmensdaten mit vorhandenen Strukturdaten, beispielsweise aus dem Mannheimer Unternehmenspanel des ZEW, das auf Daten von Creditreform aufbaut, oder den Daten der statistischen Ämter. Traditionelle Erhebungswege verlieren nicht ihre Bedeutung. Telefon- oder Onlinebefragungen bei einer kleinen Stichprobe von Unternehmen liefern die Validierungsbasis und können in Kombination mit KI-generierten Daten auf die Masse der Unternehmen übertragen werden. Informationen für die Wirtschaftspolitik lassen sich so durch Innovationen in der Erhebungsmethodik bereitstellen.

Das Internet ist nicht nur ein Diffusionskanal für Informationen sondern bietet auch die Chance neue, verlässliche Fakten zu generieren. Jede Krise schafft neue Chancen. Es gilt, die Kreativität der Forschenden zu nutzen und Informationskanäle zu bündeln.

Kurz & Knapp

Homeoffice-Lösungen für den Mittelstand

Das Förderprogramm „go-digital“ des BMWi unterstützt bei Beratungs- und Umsetzungsmassnahmen

Grafische Darstellung von "So geht´s GO-DIGITAL"

Die Corona-Krise hat auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Handwerksbetriebe kurzfristig vor die Herausforderung gestellt, Mitarbeitende von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Innerhalb kürzester Zeit mussten nicht nur Hardware beschafft, sondern passgenaue technische Lösungen für den häuslichen digitalen Arbeitsplatz gefunden und eingerichtet werden. Um die Arbeitsfähigkeit von Unternehmen zu sichern, wurde das Förderprogramm „go-digital“ bereits im März auf die Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen ausgeweitet. Dieses kann in Anspruch genommen werden, wenn die notwendige IT-Kompetenz nicht vor Ort im Unternehmen vorhanden ist.

Autorisierte Beratungsunternehmen helfen nach Analyse der individuellen Situation im Unternehmen beispielsweise bei der Auswahl und Einrichtung von digitalen Netzwerken, speziellen Kollaborations- und Kommunikationstools oder Cloud-Lösungen. Daneben stellen sie sicher, dass IT-Sicherheit und Datenschutz auch zu Hause gewährleistet sind, und übernehmen die Beantragung und Abrechnung der Fördermittel.

Über das Programm „go-digital“ werden die für die Einrichtung von Heimarbeitsplätzen anfallenden Kosten mit bis zu 50% der Nettoausgaben bezuschusst. Das Projektvolumen darf 33.000 Euro nicht übersteigen. Rechtlich selbständige Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft einschließlich des Handwerks mit weniger als 100 Beschäftigten und einem Vorjahresumsatz oder einer Vorjahresbilanz von maximal 20 Millionen Euro können von der Förderung profitieren.

Um eine qualitativ hochwertige Beratung und Umsetzung sicherzustellen, müssen sich Beratungsunternehmen autorisieren lassen. Neben der fachlichen Expertise müssen diese wirtschaftliche Stabilität, Beratungserfahrung und weitere Qualitätsstandards nachweisen.

Die Antragszahlen zeigen, dass die Förderung von Home-Office-Lösungen gut angenommen wird. Zudem wurden weitere Digitalisierungsmaßnahmen angestoßen.

Mehr zum Thema
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.bmwi-go-digital.de,
www.bmwi.de/go-digital-video
Kontakt:
Uta Böhner
Referat: Industrieforschung für Unternehmen, Innovationsberatung
schlaglichter@bmwi.bund.de


Deutsche Finalisten 2020 nominiert

Der nationale Vorentscheid für die europäischen Unternehmenspreise ist abgeschlossen

Europäischer Unternehmensförderpreis

© RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V., Kompetenzzentrum

Die Europäische Kommission vergibt in diesem Jahr bereits zum 14. Mal die Europäischen Unternehmensförderpreise (European Enterprise Promotion Awards, EEPA). Sie zeichnet damit innovative und erfolgreiche Maßnahmen von Körperschaften des öffentlichen Rechts und öffentlich-private Partnerschaften aus, die Unternehmergeist und Unternehmertum auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene fördern.

Im deutschen Vorentscheid hat die nationale Expertenjury mit Vertretern von Ministerien, Verbänden und Kammern sowie Unternehmen und Wissenschaft im Mai das Netzwerk „Greentech.Ruhr“ sowie den Landeswettbewerb „Start-up BW Local“ ausgewählt. Beide deutschen Finalisten haben sich damit für den Wettbewerb auf europäischer Ebene im November qualifiziert.

Der Landeswettbewerb „Start-up BW Local“ des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg wird in der Kategorie „Verbesserung der Geschäftsumgebung“ am Wettbewerb teilnehmen. Dieser Wettbewerb richtet sich an Kommunen und unterstützt diese, vor Ort gründungsfreundliche Strukturen aufzubauen oder weiterzuentwickeln. Gleichzeitig wird hierdurch die Sichtbarkeit bereits bestehender Beiträge auf kommunaler Ebene erhöht. Somit sorgt der Wettbewerb dafür, dass Gründungen – auch in Krisenzeiten – hohe Unterstützung erfahren.

Greentech.Ruhr“ wird in der Kategorie „Förderung der Entwicklung von grünen Märkten und Ressourceneffizienz“ am Wettbewerb teilnehmen. Das Netzwerk der Umweltwirtschaft in der Metropole Ruhr setzt sich für einen stärkeren Fokus auf die ökologischen Herausforderungen in der durch die Kohle- und Montanindustrie geprägten Region ein und vernetzt die regionalen Akteure der Umweltwirtschaft.

Die 32 teilnehmenden europäischen Länder können je zwei nationale Finalisten für das Auswahlverfahren nach Brüssel melden, aus denen eine europäische Jury je einen Preisträger in sechs verschiedenen Wettbewerbskategorien ermittelt. Zusätzlich wird der „Große Preis der Jury“ als Sonderpreis für die Initiative mit dem größten Maß an Kreativität und Vorbildfunktion verliehen. Alle Preisträger werden im Rahmen der jährlich stattfindenden SME Assembly im November prämiert, die dieses Jahr in Berlin ausgerichtet wird.

Mehr zum Thema
Weitere Informationen zum Wettbewerb sind beim RKW Kompetenzzentrum
oder unter www.europaeischer-unternehmensfoerderpreis.de erhältlich.
Kontakt
Laura Windssus
Referat: Grundsatzfragen der nationalen und europäischen Mittelstandspolitik
schlaglichter@bmwi.bund.de

Große Fortschritte beim Netzausbau

Die Verfahren für den Ausbau der Übertragsungsnetze für die Energiewelt von morgen und übermorgen schreiten weiter voran

Mit dem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien muss Strom künftig noch stärker als bislang über weite Strecken von den Stromerzeugern zu den Verbrauchsstellen transportiert werden. So wird etwa Strom aus Windenergie vorrangig im Norden und Osten sowie auf See erzeugt, die größten Stromverbraucher, vor allem große Industriebetriebe, befinden sich aber im Süden und Westen des Landes. Unser Übertragungsnetz muss daher in den kommenden Jahren verstärkt und ausgebaut werden.

Daher hat der Bundestag seit 2009 insgesamt 65 Netzausbau-Vorhaben mit rund 7.700 Kilometern Länge beschlossen. Zusätzlich verständigten sich die Energieminister von Bund und Ländern mit der Bundesnetzagentur und den Übertragungsnetzbetreibern im Mai 2019 erstmals auf konkrete Zeitpläne mit Meilensteinen für alle Netzausbauvorhaben, um den Ausbau zu beschleunigen. www.bmwi.de/energiewende-ewd-meldung

Jedes Projekt durchläuft drei Phasen bis das Netz in Betrieb geht: das Raumordnungs- oder Bundesfachplanungsverfahren (ROV/BFP), das Planfeststellungsverfahren (PFV) und die Bauphase.

Tabelle 1: Übersicht zum Planungsstand der Vorhaben Bild vergrößern

Tabelle 1: Übersicht zum Planungsstand der Vorhaben

© BMWi; Datenbasis: BMWi, Stand: 4. Quartal 2019

Im Jahr 2019 ist der Netzausbau ein großes Stück vorangekommen: Ende des Jahres waren von den 2009 mit dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) beschlossenen Streckenkilometern knapp die Hälfte in Betrieb; ein weiteres Drittel befand sich in der Bauphase. Bis Ende 2020 sollen rund 90% dieser Streckenkilometer im Bau oder in Betrieb sein. Von den 2013 mit dem Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) genehmigten Vorhaben waren Ende 2019 1.579 Kilometer (63%) im Planfeststellungsverfahren oder weiter fortgeschritten; 2018 waren es noch 1.232 Kilometer (49%). Von den jüngsten Vorhaben aus dem Jahr 2015 befanden sich Ende 2019 949 Kilometer (27%) im Planfeststellungsverfahren oder waren weiter fortgeschritten; 2018 waren es 821 Kilometer (23%).

Zu den rasch voranschreitenden Projekten gehört auch der SuedOstLink, die erste Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Leitung und damit die erste der vier geplanten „Nord-Süd-Stromautobahnen“. Für dieses zentrale Vorhaben steht
inzwischen der komplette Erdkabel-Trassenkorridor fest.

An den großen Fortschritten im Jahr 2019 hatten auch die Überarbeitung des Gesetzes zur Beschleunigung des Netzausbaus (NABEG 2.0) und der damit verbundene Bürokratieabbau großen Anteil. Einige Verfahren zum Netzausbau wurden vereinfacht, insbesondere bei der Optimierung oder Verstärkung bestehender Leitungen. Bei mehreren Netzausbauprojekten konnten die behördlichen Verfahren dadurch um mehrere Jahre verkürzt werden

Mehr zum Thema
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.netzausbau.de
Kontakt
Saskia Könning
Referat: Ausbau der Stromnetze
schlaglichter@bmwi.bund.de

Deutscher Musikinstrumentenpreis 2020

30-jähriges Jubiläum des wichtigsten „Awards“ der deutschen Musikinstrumentenbranche

2020 im Wettbewerb: Kontrabass und Klarinette

2020 im Wettbewerb: Kontrabass und Klarinette

© Hirschen Group GmbH

Der Erhalt und die Förderung der kulturellen und kreativen Vielfalt in Deutschland sind wichtige Anliegen der Bundesregierung. Kunst und Kultur prägen unsere Identität und leisten einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Integration.

Der Musikinstrumentenbau in Deutschland mit seiner jahrhundertealten Tradition ist ein fester Bestandteil unseres Kulturgutes. Die traditionelle deutsche Handwerkskunst des Musikinstrumentenbaus ist weltweit einzigartig und in Teilen als
immaterielles Kulturerbe von der UNESCO anerkannt. Musikinstrumente „Made in Germany“ sind High-End-Produkte. Sie sind Exportschlager und werden sowohl von professionellen Musikern als auch von Laien in hohem Maße geschätzt.

Der im Jahr 1990 vom Bundesminister für Wirtschaft gestiftete Deutsche Musikinstrumentenpreis feiert in diesem Jahr sein 30. Jubiläum [1]. Der Ehrenpreis hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem international anerkannten Qualitäts- und Gütesiegel etabliert. Er unterstreicht die exzellente Qualität der in Deutschland produzierten Instrumente und dokumentiert eindrücklich die Innovationskraft dieser Branche. Seit Bestehen des Wettbewerbs wurden rund 600 Instrumente zur Teilnahme eingesandt. Jedes Jahr erhalten die besten Produkte zweier Instrumentengruppen, die in Deutschland industriell und manufakturartig gefertigt werden, die Auszeichnung.

  1. Gewinner der Gruppe Holzblasinstrumente in der Kategorie A-Klarinette wurde die Meisterwerkstätte Dietz Klarinettenbau mit dem Instrument „A-Klarinette Studentenmodell“. Mit Bestnoten in den Kategorien Klang und Stimmung überzeugte das Instrument die Juroren im Besonderen.
  2. Gewinner der Gruppe Streichinstrumente in der Kategorie Kontrabass (5-saitig) wurde Pöllmann-Krahmer Contrabassbau mit dem Instrument „Pöllmann Contrabass – Modell Imperator“. Das Instrument erreichte in allen drei Bewertungskategorien, in den objektiven und subjektiven akustischen Eigenschaften sowie in der handwerklichen Qualität, aus Sicht der Juroren den ersten Rang.

Im Frühjahr 2020 wurde das Institut für Musikinstrumentenbau Zwota erneut mit der Durchführung des Wettbewerbs in den Jahren 2021 bis 2023 beauftragt. Die Ausschreibung des Wettbewerbs 2021 wurde im Bundesanzeiger vom 19. Juni 2020 bekannt gegeben.

Kontakt
Referat: Konsumgüterindustrie
schlaglichter@bmwi.bund.de

--------------------------------------

[1] Die im Mai 2020 geplante feierliche Jubiläumsveranstaltung im Musikinstrumenten-Museum Berlin musste aufgrund der Corona-Pandemie leider abgesagt werden.

Umsatzsteuersenkung

BMWi setzt sich für eine praxistaugliche Umsetzung ein

Illustration einer Rechnung

© Getty Images

Seit dem 1. Juli beträgt die Umsatzsteuer für die nächsten sechs Monate nur noch 16 % bzw-beziehungsweise. 5 %. Diese Maßnahme soll die negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bei Haushalten wie Unternehmen abmildern helfen, Konsumimpulse setzen und dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum zugutekommen. Vom Beschluss des Koalitionsausschusses bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung im Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz sind gerade einmal vier Wochen vergangen. Die nur sehr kurze Umstellungsphase bedeutet für die Unternehmen eine erhebliche Herausforderung.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hatte bereits Mitte Juni auf die unbürokratische Umsetzungsmöglichkeit durch pauschale Rabatte hingewiesen. Zu den steuerlichen Umstellungsfragen hat sich das BMWi beim federführenden Bundesfinanzministerium darüber hinaus für die frühzeitige Vorlage eines praxistauglichen Anwendungsschreibens eingesetzt. Am 30. Juni hat das Bundesministerium der Finanzen die Endfassung des mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmten 26-seitigen Anwendungsschreibens veröffentlicht.

Unter anderem enthält das Schreiben eine Nichtbeanstandungsregelung bei zu hohem Umsatzsteuerausweis in der Unternehmerkette. Hat ein Unternehmer im Juli eine Leistung erbracht, aber den bisherigen Steuersatz von 19% bzw-beziehungsweise. 7% statt der jetzt geltenden 16% bzw-beziehungsweise. 5% ausgewiesen und die Steuer an das Finanzamt ab-geführt, braucht der Unternehmer seine Rechnung nicht zu berichtigen. Einem zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger wird der Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung gewährt. Hierdurch haben die Unternehmen etwas mehr Zeit zur Umstellung.

Aus unserer Sicht hätte das Anwendungsschreibens noch weitere Hilfestellungen enthalten können: Fehler bei der Steuerberechnung sollten grundsätzlich nicht zwingend unterjährig in der jeweiligen Voranmeldung korrigiert werden müssen, sondern dies sollte auch später in der Umsatzsteuerjahreserklärung erfolgen können. Auch eine Verlängerung der Frist zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung würde den Unternehmen mehr Zeit zur Umstellung ermöglichen. Gegebenenfalls dadurch auftretende Verletzungen der Buchführungsgrundsätze (GoBD), insbesondere die Abweichung von einer zeitnahen Erfassung von Geschäftsvorfällen, sollten ebenfalls nicht beanstandet werden. Analog sollte diese Fristverlängerung für die Rückumstellung zum 1. Januar 2021 gelten. Im Interesse der Wirtschaft wird das BMWi bei dem Thema weiter am Ball bleiben, auch und gerade im Lichte der täglichen Umstellungspraxis kommender Wochen.

Mehr zum Thema

BMF-Anwendungsschreiben:
t1p.de/bmf-befristete-absenkungumsatzsteuer

Kontakt
Andrea Fiekens
Referat: Steuerpolitik
schlaglichter@bmwi.bund.de

Ein starkes Trio

Enge Zusammenarbeit mit Portugal und Slowenien während der 18-monatigen Triopräsidentschaft

Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit dem slowenischen Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Technologie Zdravko Počivalšek und dem portugiesischen Staatsminister und Wirtschaftsminister Dr. Pedro Siza Vieira.

Bundeswirtschaftsminister Altmaier (Mitte) am 18. September 2019 bei einem Treffen in Berlin mit dem slowenischen Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Technologie Zdravko Počivalšek (links) und dem portugiesischen Staatsminister und Wirtschaftsminister Dr. Pedro Siza Vieira (rechts).

© BMWi

Deutschland hat am 1. Juli 2020 für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen. Zeitgleich hat eine neue 18-monatige Trio-EU-Ratspräsidentschaft mit Portugal und Slowenien begonnen, die nach Deutschland den Vorsitz im Rat führen werden.

Die nächsten achtzehn Monate werden entscheidend sein, um die COVID19-Pandemie und ihre Auswirkungen zu bewältigen. Dem Bundeswirtschaftsministerium ist es daher besonders wichtig, eng und effizient mit Portugal und Slowenien zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Prioritäten und Projekte in der EU voranzubringen. Bundesminister Altmaier hat sich im Vorfeld der Präsidentschaft eng mit den Amtskollegen beider Länder abgestimmt, um inhaltliche Schwerpunkte für die Arbeit der verschiedenen Ratsformationen zu erarbeiten. Dies betrifft insbesondere die Fragestellungen aus den Bereichen Binnenmarkt, Industrie, Raumfahrt, Energie, Telekommunikation, Handel und Kohäsion. Die gemeinsamen Schwerpunkte Deutschlands, Portugals und Sloweniens sind im Achtzehnmonatsprogramm des Rates für die Trio-EU-Ratspräsidentschaft festgelegt.

Im Fokus des Trioprogramms stehen insbesondere Maßnahmen zur Abfederung und Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie, welche zugleich einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der EU leisten sollen.

Wirtschaftspolitische Themen finden sich dabei ganz oben auf der Agenda. Hervorgehoben werden unter anderem die Wiederherstellung und Weiterentwicklung des EU-Binnenmarktes, die Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie der industriellen Wettbewerbsfähigkeit, der Ausbau der digitalen und technologischen Souveränität der EU und die Bedeutung eines offenen und regelbasierten Handels.

Was ist die Triopräsidentschaft?
Jeweils drei EU-Mitgliedstaaten, die aufeinanderfolgend die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, bilden eine sogenannte Triopräsidentschaft und stimmen ihre Arbeitsprogramme eng miteinander ab. Damit soll die Arbeitskontinuität und effektive Ressourcennutzung trotz des halbjährlich rotierenden Ratsvorsitzes gewährleistet werden. Portugal übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar 2021 von Deutschland, Slowenien folgt im zweiten Halbjahr 2021. Das Trio davor bestand aus den Ländern Rumänien, Finnland und Kroatien. Das Trio-System wurde formell 2009 mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt. Die letzte deutsche EU-Ratspräsidentschaft hatte 2007 dieses System aber schon vorgezogen und bildete – auch damals mit Portugal und Slowenien – die erste Triopräsidentschaft der EU.
Mehr zum Thema:
Webseite der Bundesregierung:
www.eu2020.de
Kontakt:
Ann-Katrin Zink
Referat: Deutsche EU-Ratspräsidentschaft
2. Halbjahr 2020
schlaglichter@bmwi.bund.de

Für offene Märkte, gegen Abschottung

Die handelspolitischen Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Illustration zum Thema "Für offene Märkte, gegen Abschottung"

© Suzan Hijink

Für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft steht auch im Bereich der Handelspolitik die Bewältigung der COVID-19-Krise im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang, und mit Blick auf schon länger bestehende Herausforderungen für den regelbasierten Handel, soll den Bemühungen zur Modernisierung der Welthandelsorganisation (WTO) neuer Schwung verliehen werden. Zudem wird die deutsche Ratspräsidentschaft die bilaterale Handelsagenda der EU unterstützen, um Partnerschaften zu festigen und moderne, zukunftsweisende Handels- und Investitionsabkommen auf den Weg zu bringen. Auch die EU-eigenen Handelsinstrumente sollen weiterentwickelt werden.

Eine neue handelspolitische Strategie

Im Dezember 2019 hat EU-Handelskommissar Phil Hogan sein Amt von seiner Vorgängerin Cecilia Malmström übernommen. Er hat angekündigt, im Laufe des Jahres 2020 eine neue handelspolitische Strategie der Europäischen Kommission vorzulegen. Die deutsche Ratspräsidentschaft strebt an, dies zum Ausgangspunkt einer ausführlichen Diskussion im Rat der EU zu machen, die aktuelle Fragestellungen ebenso abdecken soll wie mittel- und langfristige Entwicklungen.

Mit Marktöffnung und stabilen Rahmenbedingungen gegen die Krise

Die COVID-19-Pandemie stellt den Welthandel vor große Herausforderungen. Sie hat in vielfältiger Weise internationale Lieferketten unterbrochen und gestört und verstärkt damit weiter die Unsicherheiten, die bereits vor dem Auftreten der Pandemie vor allem durch Handelsspannungen entstanden waren. Nach einer Einschätzung der WTO von Mai 2020 könnte der weltweite Warenhandel in diesem Jahr um 13 bis 32% zurückgehen. Das ist für Deutschland eine besondere Herausforderung, weil die deutsche Wirtschaft und ihre Beschäftigten überdurchschnittlich vom Handel abhängig sind: Etwa ein Drittel der hiesigen Wertschöpfung geht auf Vorprodukte zurück, die bereits eine Grenze überschritten haben. Und 7,9 Mio. bzw. 18 % der Arbeitsplätze in Deutschland sind von Exporten in Nicht-EU-Staaten abhängig.

Um die Folgen der Pandemie zu überwinden, brauchen die deutsche und europäische Volkswirtschaft offene Märkte. Offene Märkte sind besonders wichtig für kleine und mittelständische Unternehmen, für die es im Vergleich zu großen Firmen häufig schwieriger ist, Zugang zu ausländischen Märkten zu erlangen und neue Lieferbeziehungen aufzubauen. Bei der Unterstützung dieser Unternehmen spielt die Handelspolitik der EU eine entscheidende Rolle.

Die Bundesregierung wird daher im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für eine ehrgeizige Handels- und Investitionspolitik der EU werben, die auf offene Märkte setzt und Abschottungstendenzen entgegentritt. Unternehmen sollen darin gestärkt werden, ihre Lieferketten widerstandsfähiger und krisensicher zu gestalten – die EU kann dies maßgeblich fördern, indem sie für noch vielfältigere und stabilere Handelsbeziehungen sorgt. Gleichzeitig sollte die EU sich aktiv gegen unfairen Wettbewerb zu Lasten europäischer Unternehmen einsetzen.

Illustration zum Thema "Für offene Märkte, gegen Abschottung"

© Suzan Hijink

Für eine zukunftsfeste Welthandelsorganisation

Der wirtschaftliche Austausch zwischen Staaten wird seit Langem durch ein System international vereinbarter Regeln unterstützt und gefördert, die vor allem auf Rechtssicherheit und Stabilität abzielen. Kern dieses Systems ist die Welthandelsorganisation, die seit mehr als 25 Jahren besteht und der heute 164 Mitglieder angehören. Ihr Ziel ist es, gute Rahmenbedingungen für den internationalen Handel zu schaffen. Lange Zeit ist es ihr gelungen, die verschiedenen Interessen von Handelsnationen in einen Ausgleich zu bringen, allgemein anerkannte Regeln zu schaffen und in Streitfragen zu schlichten. Diese globale Errungenschaft soll aus deutscher und aus europäischer Sicht unbedingt gesichert, gestärkt und fortentwickelt werden.

Die WTO steht allerdings vor großen Herausforderungen. Viele Mitglieder sind der Ansicht, dass das derzeitige Regelwerk der Organisation angesichts aktueller Entwicklungen nicht mehr zeitgemäß ist – vor allem mit Blick auf den Aufstieg großer, staatlich gelenkter Volkswirtschaften, deren Wirtschaftsmodell vielfach globale Wettbewerbsverhältnisse verzerrt. Dies nehmen einige Staaten zum Anlass, ihre nationalen Interessen mit einseitigen Maßnahmen durchzusetzen, etwa mit Zollerhöhungen, die nicht vom WTO-Recht gedeckt sind. Eine dauerhafte, stabile Lösung im Konsens aller beteiligten Staaten wird damit aber immer schwieriger. Hinzu kommt, dass die USA derzeit die Besetzung wichtiger Posten in der Rechtsmittelinstanz der WTO blockieren (siehe dazu auch den Artikel „Welthandel – WTO-Mitglieder vereinbaren Übergangslösung“ in der Schlaglichter-Ausgabe von Juni 2020).

In Kürze
Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft soll ein deutliches Signal der Unterstützung für die WTO als Institution und für ihre Modernisierung ausgehen.

Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft soll ein deutliches Signal der Unterstützung für die WTO als Institution und für ihre Modernisierung ausgehen. Dies betrifft zunächst in organisatorischer Hinsicht die Klärung der Nachfolge von Roberto Azevêdo, der angekündigt hat, seinen Posten als Generaldirektor der WTO in diesem Jahr vorzeitig niederzulegen. Kurzfristig sollte auch geprüft werden, wie die WTO für mehr Transparenz bei den handelsrelevanten Maßnahmen ihrer Mitglieder
sorgen, und welche Rolle sie bei der Bekämpfung der COVID-19-Krise und bei der Bewältigung ihrer Folgen spielen kann.

Darüber hinaus könnte die EU einen umfassenden WTO-Reformvorschlag vorlegen. Dieser sollte insbesondere darauf abzielen, das Streitbeilegungssystem der Organisation wieder funktionsfähig zu machen und die schwierige Diskussion über neue gemeinsame Regeln, u.a-unter anderem. zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, voranzubringen. Der Vorschlag sollte auch auf mehrere sogenannte „plurilaterale“ Initiativen eingehen, die in den letzten zwei Jahren entstanden sind, um unter gleichgesinnten WTO-Mitgliedern praxistaugliche Regeln zu bestimmten Themen zu erarbeiten. Eine dieser Initiativen befasst sich mit der Digitalisierung des Welthandels und möglichen Regeln, die dieser Entwicklung Rechnung tragen. Dieses Zukunftsthema verdient aus Sicht der Bundesregierung besondere Aufmerksamkeit, zumal Datenverkehr und die digitale Kommunikation auch in der COVID-19-Krise ganz wesentlich dazu beigetragen haben, Lieferketten zu stabilisieren.

Illustration zum Thema "Für offene Märkte, gegen Abschottung"

© Suzan Hijink

Starke Partnerschaften und klare Botschaften

Für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sind tragfähige transatlantische Handelsbeziehungen von großer Bedeutung. Der Rat der EU hat die Europäische Kommission im vergangenen Jahr dazu ermächtigt, mit den USA über Zollfragen im Industriebereich und über technische Zulassungsverfahren zu verhandeln. Neben Fortschritten in diesem Bereich wäre wünschenswert, auch zu anderen handelspolitischen Fragen eine Einigung mit den USA zu erreichen, etwa in dem seit mehr als 15 Jahren andauernden WTO-Streitfall über Subventionen für die Flugzeughersteller Airbus und Boeing.

Auch China ist für die EU ein wichtiger Handelspartner. Die Gemeinsame Mitteilung der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) aus dem Jahr 2019 beschreibt China zugleich als Partner, Wettbewerber und als systemischen Rivalen. Seit 2013 verhandelt die Kommission mit China über ein Investitionsabkommen, das insbesondere den Zugang für europäische Investoren zum chinesischen Markt verbessern und dafür sorgen soll, dass europäische und chinesische Unternehmen zu vergleichbaren Bedingungen konkurrieren können; etwa durch besondere Regeln für Staatsunternehmen oder durch einen verbesserten Schutz für unternehmenseigenes Know-How. Die EU und China haben sich im Rahmen ihres gemeinsamen Gipfels im vergangenen Jahr zu dem Ziel bekannt, diese komplexen Verhandlungen noch im Jahr 2020 auf einem ehrgeizigen Niveau abzuschließen.

Neben der Ausgestaltung ihrer Beziehungen auf der Grundlage bilateraler Abkommen sollte die EU ihre Partner auch daran erinnern, dass sie handelsbeschränkende Maßnahmen oder Vereinbarungen zu Lasten europäischer Unternehmen, die die Regeln der WTO verletzen, nicht akzeptieren wird.

Moderne und wegweisende bilaterale Abkommen

Auch die Arbeiten an ehrgeizigen und ausgewogenen Handels- und Investitionsabkommen zählen zu den handelspolitischen Schwerpunkten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Die Europäische Kommission hat im vergangenen Jahr nach 20 Jahren die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der EU und den Staaten des MERCOSUR (derzeit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) beendet und sich in diesem Jahr mit Mexiko über die Aktualisierung des seit 1997 bestehenden Globalabkommens geeinigt. Mit der Unterzeichnung dieser Verträge kann die EU ein wichtiges Zeichen für eine wertebasierte Handelspolitik setzen und gleichzeitig ihre Beziehungen zur Wachstumsregion Lateinamerika vertiefen, deren strategische Bedeutung zunehmend auch von anderen wichtigen Handelsnationen wahrgenommen wird.

Wichtige Termine

Bundesminister Peter Altmaier lädt die EU-Handelsminister und -ministerinnen am 21. September 2020 zu einem informellen Treffen nach Berlin.

Dieses soll wichtige Impulse für die Arbeiten im zweiten Halbjahr 2020 setzen.

Eine formelle Ministertagung ist für November 2020 geplant.

Auch die Region Asien-Pazifik steht aufgrund ihrer besonderen Dynamik im Fokus der EU-Handelspolitik: Nachdem bereits 2019 ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan und ein Handelsabkommen zwischen der EU und Singapur abgeschlossen wurden und zu Beginn dieses Jahres ein Abkommen der EU mit Vietnam auf den Weg gebracht wurde, könnten nun auch Gespräche mit Australien und Neuseeland in die entscheidende Phase eintreten. Bei all diesen Abkommen verfolgt die EU einen wertegeleiteten Ansatz, der Fragen der nachhaltigen Entwicklung, des Umwelt-, Klima- und Arbeitnehmerschutzes und der Handelserleichterung ausgewogen zusammenführt.

Wichtig ist auch, das in CETA und in den Investitionsschutzabkommen der EU mit Vietnam bzw. Singapur vorgesehene Investitionsgerichtsystem zu etablieren und die Arbeiten an einem multilateralen Investitionsgerichtshof bei den Vereinten Nationen weiter voranzutreiben. Dadurch können die in die Kritik geratenen Investor-Staat-Schiedsgerichte ersetzt und gute Investitionsbedingungen sichergestellt werden. Außerdem muss das gute Investitionsklima im EU-Binnenmarkt durch gezielte Initiativen aufrechterhalten und gestärkt werden.

Eine handlungsfähige EU

Die EU passt auch ihre eigenen Regelungen immer wieder an handelspolitische und außenwirtschaftliche Entwicklungen an: Mit Blick auf die bereits erwähnte Blockade der WTO-Streitschlichtung hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Reaktionsmöglichkeiten der EU in Handelskonflikten auszubauen (Anpassung der sog. Durchsetzungsverordnung). Derzeit wird zudem im Rat der EU über neue EU-rechtliche Vorschriften diskutiert, die dabei helfen sollen, den Zugang europäischer Unternehmen zu öffentlichen Beschaffungsmärkten in Nicht-EU-Staaten zu verbessern (sog. International Procurement Instrument oder IPI). Und schließlich könnte in naher Zukunft eine Reform des geltenden EU-Rechts für den Export von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (sog. „Dual-Use“) verabschiedet werden. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat das Ziel, die Anpassungen der Durchsetzungsverordnung zu verabschieden und die Diskussion im Rat zu IPI und Dual-Use voranzubringen.

Kontakt:
Benjamin Zasche
Referat: Allgemeine Handelspolitik (EU/WTO); Dienstleistungen; Geistiges Eigentum
schlaglichter@bmwi.bund.de

Auf einen Blick

Mit Vollgas aus dem Shutdown

Nachdem die Automobilproduktion im Shutdown-Monat April fast komplett eingestellt wurde, folgt nun eine beträchtliche Erholung.

Entwicklung der monatlichen PKW-Produktion

Entwicklung der monatlichen PKW-Produktion

© Macrobond, Verband der Automobilindustrie

Infografik als PDF (PDF, 256 KB)

Die Automobilbranche ist eine Schlüsselindustrie für Deutschland. Nach dem drastischen Einbruch der Produktion im April, in dem gerade einmal 11.000 Autos gefertigt wurden, waren es im Juni bereits wieder 300.000 Stück. Allerdings zeigt der abwärts gerichtete langfristige Trend, dass die Kfz-Industrie auch vor strukturellen Herausforderungen steht.

Telegramm

In eigener Sache
Silber für die Schlaglichter beim BCM Award
Die „Schlaglichter der Wirtschaftspolitik“ haben Silber gewonnen in der Kategorie Customer Magazine Non-profit/Verbände/Institutionen im Best of Content Marketing Award (BCM). Mit rund 700 Einreichungen ist der Best of Content Marketing Award der größte Wettbewerb für inhaltsgetriebene Unternehmenskommunikation in Europa. Er wird seit 2003 verliehen, die diesjährigen Gewinner wurden am 1. Juli bekannt gegeben.

Heute
Für Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenhalt
Bund und Länder teilen sich die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Die regionale Wirtschaftsförderung ist ein Instrument, um in wirtschaftlich schwächeren Regionen Wachstumsimpulse zu setzen. Das bestätigte ein Gutachten des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), mit dem eindeutig die positiven Effekte der Investitionsförderung in strukturschwachen Regionen belegt werden. Für die GRW stellt der Bund jährlich 600 Millionen Euro bereit. Auf europäischer Ebene sind die EU-Strukturfonds wichtig, um die regionale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und damit ein wichtiges Element für den Zusammenhalt in der europäischen Union.

Überbrückungshilfen
Unterstützung in der Krise
Kleine und mittelständische Unternehmen und Organisationen aus allen Wirtschaftsbereichen, soweit sie sich nicht für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds qualifizieren, Soloselbstständige, selbstständige Angehörige der Freien Berufe im Haupterwerb, gemeinnützige Unternehmen und Organisationen, die dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig sind können seit dem 8. Juli 2020 die Überbrückungshilfen beantragen. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Geschäftstätigkeit vollständig oder zu wesentlichen Teilen wegen der Corona-Pandemie eingestellt wurde. Das wird angenommen, wenn der Umsatz in den Monaten April und Mai 2020 zusammengenommen um mindestens 60% gegenüber April und Mai 2019 eingebrochen ist. Die Höhe der Förderung ist abhängig von der Höhe des Einbruchs. Weitere Informationen finden Sie hier: www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de

Schlagwort
Weissbuch
Anfang des Jahres hatte die Europäische Kommission ihr Weissbuch zur Künstlichen Intelligenz vorgelegt. Es beinhaltet Maßnahmen und politische Handlungsoptionen, um zum einen die Anwendung von KI zu fördern und zum anderen damit verbundene Risiken zu adressieren. Die Bundesregierung hat zu diesem Weißbuch eine Stellungnahme abgegeben mit dem Ziel einer gemeinwohlorientierten und menschenzentrierten Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz sowie die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Innovation. Mit Investitionen in Schlüsselinitiativen sollen Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit von morgen gesichert werden.

Für leistungsfähige öffentliche Infrastruktur

Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim BMWi vorgestellt: Bestandsaufnahme und Impulse

Schienenverkehr

© Getty Images

Ob Brücken, Schulen oder Energie- und Kommunikationsnetze: Eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur ist Grundvoraussetzung für Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung. Der Wissenschaftliche Beirat beim BMWi hat am 23. Juli 2020 ein Gutachten veröffentlicht, in dem er eine Bestandsaufnahme zentraler Infrastrukturbereiche in Deutschland vornimmt und auf dieser Grundlage Politikempfehlungen ausspricht. Die Kerndiagnose: In den letzten Jahren sei in Deutschland erheblich zu wenig in öffentliche Infrastruktur investiert worden. Dadurch habe sich die bestehende Infrastruktur deutlich verschlechtert, auch wenn sie im internationalen Vergleich immer noch gut dastehe. Mit Blick auf die Zukunft seien große Anstrengungen insbesondere beim Ausbau der Strom- und Gasnetze und der digitalen Infrastruktur notwendig. Im Gesundheitswesen seien ferner Investitionen in Laborkapazitäten, Arzneimittelvorräte und Schutzausrüstungen erforderlich, um gegen zukünftige Pandemien und andere Katastrophen gerüstet zu sein.

… Schuld ist aber nicht die Schuldenbremse

Als Grund für die unzureichende öffentliche Investitionstätigkeit sieht der Beirat nicht die Schuldenbremse, sondern die Begünstigung von Konsumausgaben im politischen Prozess. Hinzu kämen Fehlanreize in Governance-Strukturen, etwa bei den Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen oder dem Bund und der Deutschen Bahn AG. Schließlich bedrohe auch die COVID-19-Pandemie die öffentliche Investitionstätigkeit, da mittelfristig eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auf Kosten der Investitionsausgaben erfolgen könnte.

Investitionsfördergesellschaften schaffen, Kommunen entlasten

Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme diskutiert das Gutachten Reformansätze, um Investitionen in öffentliche Infrastruktur zu erhöhen und zu verstetigen. Dabei werden sowohl eine Stärkung der öffentlichen Investitionen durch eine „Goldene Regel“, die eine Schuldenfinanzierung von Nettoinvestitionen zuließe, als auch die Verpflichtung zu einem Mindestinvestitionsniveau kritisch gesehen. Stattdessen schlägt der Beirat vor, dass Bund und Länder Investitionsfördergesellschaften einrichten, deren Finanzierung langfristig garantiert wird. Durch bindende Ansprüche auf gleichbleibende Mittelzuweisungen über einen Zeitraum von fünf oder mehr Jahren erhielten die zu Fördernden (etwa die Kommunen) ebenso wie die Anbieter der benötigten Leistungen (etwa die Bauwirtschaft) Planungssicherheit.

Darüber hinaus empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat, der Bund solle Kommunen weiter bei Sozialausgaben entlasten und gemeinsam mit den Ländern die durch die COVID-19-Pandemie bedingte Verschlechterung der Haushaltslage von Gemeinden kompensieren. Der Beirat begrüßt in diesem Zusammenhang die vom Bund beabsichtigte Erhöhung der Erstattung für die Kosten der Unterkunft für Arbeitssuchende an die Kommunen. Länderseitige Programme zur Sanierung der kommunalen Finanzen sollten fortgeführt oder eingeführt werden, um einen Abbau übermäßiger kommunaler Kassenkredite zu erreichen.

Governance und Infrastrukturplanung verbessern

Um Investitionen in Infrastruktur zu stärken, spricht sich der Wissenschaftliche Beirat auch dafür aus, investitionshemmende politische und rechtliche Entscheidungsstrukturen zu korrigieren. So solle etwa im Bahnbereich der Fehlanreiz beseitigt werden, der sich aus der institutionellen Trennung von Instandhaltungs- und Ersatzinvestitionen ergebe. Ein weiteres Problem sei, dass Infrastrukturvorhaben häufig am Widerstand der lokal vom Ausbau Betroffenen scheitern. Der große Spielraum, den die Verfahrensregeln den Betroffenen gäben, spiele hierbei eine wichtige Rolle. Daher könne eine Verringerung der Mehrstufigkeit des Rechtsschutzes, ggf. in Verbindung mit der Kompensation von Betroffenen, zu einer Beschleunigung des Infrastrukturausbaus beitragen.

Um infrastrukturelle Defizite frühzeitig aufzuzeigen, empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat schließlich einen Bericht zu Qualität und Leistungsfähigkeit der Infrastruktur, eine langfristige Investitionsbedarfsanalyse sowie eine integrierte Infrastrukturplanung für die Bereiche Strom, Gas und Wasserstoff. Schließlich sollen zum Ausbau der Energienetze Investitionen in Flexibilisierungsoptionen zur Behebung von Netzengpässen (z.B. in Speicher) bei der Berechnung von Netzentgelten besser anrechenbar sein.

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist unabhängig und wählt seine Themen frei.

Mehr zum Thema
Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats finden Sie unter:
www.bmwi.de/wissenschaftlicher-beirat-gutachten-infrastruktur
Kontakt:
Dr. Kenan Šehović
Referat:Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik
schlaglichter@bmwi.bund.de

Regional vernetzt - Erfolgreich durch die Krise

Innovationscluster erweisen sich als kompetente Problemlöser für kleine und mittlere Unternehmen

Illustration zum Thema "Regional vernetzt - Erfolgreich durch die Krise"

© Matthias Seifarth

Von den wirtschaftlichen Folgen der COVID19-Krise ist nicht zuletzt der Mittelstand stark betroffen. Kompetente, kreative und effektive Problemlöser für zahlreiche und unterschiedliche Beratungs- sowie Unterstützungsbedarfe kleiner und mittlerer Unternehmen sind sogenannte Innovationscluster. Dabei handelt es sich um Kooperationsverbünde von Wissenschaft und Wirtschaft. Sie sind langjährig aktiv, beruhen auf stabilen Organisationsstrukturen und agieren strategisch und innovationsorientiert. Sie leisten regional und branchenorientiert wichtige Beiträge zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) und sind Ansprechpartner für unternehmerische Belange vor Ort. Gerade in der aktuellen Situation machen sich für den Mittelstand Vorteile dieser Art von Vernetzung bemerkbar.

Regionale Vernetzung als ein Erfolgsfaktor für den Mittelstand

In Deutschland entwickelte sich in den vergangenen drei Jahrzehnten eine vielfältige und agile Clusterlandschaft. In nahezu allen Regionen und Branchen bzw. Technologiefeldern existieren Innovationscluster. Darin engagieren sich verschiedene Akteure entlang der Wertschöpfungskette.

Das Programm „go-cluster“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vereint zahlreiche der leistungsstärksten Innovationscluster Deutschlands. Sie sind Wegbereiter für Innovationen und spiegeln die hohe Kompetenz der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft in zahlreichen Branchen und Technologiefeldern wider. In den 84 Clustern engagieren sich mehr als 13.000 Clusterakteure, darunter über 8.700 KMU.

Überblick
Einen Überblick zur Clusterpolitik, Clusterförderung und über die Clusterlandschaft bietet die
gemeinsame Clusterplattform Deutschland des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
www.clusterplattform.de
Abbildung 1: Deutsche Innovationscluster Bild vergrößern

Abbildung 1: Deutsche Innovationscluster

Das Herzstück eines jeden Clusters bildet die sogenannte Clustermanagement-Organisation. Diese übernimmt eine koordinierende Rolle, unterstützt die Zusammenarbeit aller Akteure in einem Cluster und bietet den Akteuren eines Clusters ein umfangreiches, bedarfsorientiertes Serviceportfolio an. Je besser Clustermanagement-Organisationen aufgestellt sind, desto besser arbeiten die Cluster. Deswegen unterstützt das BMWi-Förderprogramm die Professionalisierung der Clustermanagement-Organisationen.

In den vergangenen Jahren waren die Effekte, vor allem für KMU, vielfältig, und die Vernetzung ein Erfolgsfaktor für Beschäftigungs- und Wirtschaftswachstum. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie zeigen die Innovationscluster einmal mehr eindrucksvoll, dass sie wahre Problemlöser sind, den Mittelstand mit neuen Serviceleistungen bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen unterstützen und auch wesentlich das Innovationsgeschehen im Feld der medizinischen Bekämpfung der Pandemie mitgestalten.

Innovationscluster demonstrieren ihre Leistungs- und Anpassungsfähigkeit in der Krise

Die Innovationscluster standen zu Beginn der Pandemie vor den gleichen Herausforderungen wie andere Organisationen: Sie mussten zeitnah eigene Homeoffice-Lösungen finden und gleichzeitig die Clusteraktivitäten aufrechterhalten. Sie entwickelten dann sehr schnell neue Serviceangebote zur bedarfsgerechten Unterstützung der Clusterakteure in der Krise.

Illustration zum Thema "Regional vernetzt - Erfolgreich durch die Krise"

© Matthias Seifarth

Fünf Aspekte zeichneten die Innovationscluster in der Krise aus

  1. Sie entwickelten sehr schnell neue Formate zur Verlagerung ihrer Aktivitäten in den digitalen Raum. So führte beispielsweise das Umweltcluster Bayern online ein „Mitglieder-Café“ durch, in dem sich die Unternehmen über die aktuellen wirtschaftlichen Probleme und deren Bewältigung austauschen. Mehrere Innovationscluster aus der Hauptstadtregion (u.a-unter anderem. das Cluster Gesundheitswirtschaft – Health Capital sowie das Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik) implementierten die Kooperationsplattform.
    www.cluster-helfen-unternehmen.de
    Unter dem Motto #smartausderkrise bietet die Plattform Unternehmen Hilfe zur Selbsthilfe an und unterstützt sie bei der Suche nach innovativen Projektideen und passenden Kooperationspartnern. Die Logistik-Initiative Hamburg e.V. ging im Bereich der Nachwuchsgewinnung neue Wege und organisierte ein Azubi-Speed-Dating per Webkonferenz, um Vorstellungsgespräche zu ermöglichen und freie Ausbildungsstellen zu besetzen.
  2. Die Clustermanagement-Organisationen entwickelten kurzfristig auch neue Informationsund Beratungsformate. In Webinaren, digitalen Einzelgesprächen, Podcasts, Blogs, Newslettern und über die Internetseiten der Innovationscluster wird fortwährend branchen- und zielgruppenspezifisch über aktuelle Entwicklungen rund um die COVID-19-Pandemie informiert. Themen sind dabei u.a. Informationen über die Soforthilfen des Bundes und der Länder, Fragen zum Kurzarbeitergeld, Aspekte von Arbeitnehmerüberlassungen, Rechtsberatungen sowie das Konjunkturpaket des Bundes. Diese Organisationen nehmen damit die wichtige Rolle branchenspezifischer Multiplikatoren ein.
  3. Viele Innovationscluster unterstützen die Unternehmen auch bei der schnellen Digitalisierung ihrer Arbeit und der Kernprozesse. Dazu zählt z.B., dass digitale Plattformen zur Verfügung gestellt oder Schulungen zur Umsetzung von digitalen Geschäftsprozessen und Formen der Mitarbeiterkooperation angeboten werden. Präsentationsvideos und clusterinterne Vernetzungstools, Informationsmaterialien zum sicheren Umgang mit Endgeräten sowie zur Datensicherheit im Homeoffice beantworten die drängenden Fragen der Cluster-Mitglieder.
  4. Die Innovationscluster leisten zudem substanzielle Beiträge zur tatsächlichen Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Diese reichen von der Herstellung medizinischer Schutzausrüstung über die Produktion von Desinfektionsmitteln bis hin zur Initiierung und Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Behandlung von erkrankten Personen. Auch unterstützen sie Einrichtungen im Gesundheitsbereich bei Lieferengpässen. Die Clustermanagement-Organisationen übernehmen dabei in der Regel eine impulsgebende und koordinierende Funktion, während die Umsetzung den Clusterakteuren obliegt. So betreibt die Allianz Faserbasierte Werkstoffe e.V. mit weiteren Partnern die Internetplattform Place2tex, um die Fertigung von Schutzausrüstung zu forcieren, und bietet Online-Seminare zu ihrer regelkonformen Produktion an. Das Innovationscluster BioM stellte die BioM-COVID-19-Plattform mit einem Projektaufruf zur Entwicklung wirksamer Medikamente und Impfstoffe zur Verfügung. Unter dem Motto „Facing the Challenge“ wurden die Kompetenzen des Life Science Nord e.V. gebündelt: Hersteller von stark nachgefragten Medizinprodukten gingen bei der Produktion bis ans Limit, zugleich wurden Projekte zur Entwicklung neuer Medizinprodukte initiiert.
  5. Die Innovationscluster und ihre Akteure sind in ein Netzwerk unterschiedlicher globaler Wertschöpfungs- und Lieferketten eingebunden und haben deren Verletzlichkeit durch Grenzschließungen, gebremsten Warenverkehr, hohe Nachfrage nach systemrelevanten Produkten sowie Produktionsverzögerungen erfahren. Darum konzentrierten sich die Aktivitäten von Clustermanagement-Organisationen auch darauf, gemeinsam mit Logistikanbietern Lieferketten unter Einhaltung behördlicher Vorgaben neu und zuverlässig zu organisieren, neue Kooperationspartner zu identifizieren und Geschäftskontakte anzubahnen bzw. Zuliefererportale für Austauschbeziehungen zu implementieren.

Eine Beteiligung in Innoavationsclustern lohnt sich!

Die Innovationscluster verdeutlichen nicht erst seit der COVID-19-Pandemie, wie professionell, leistungsstark und agil sie sind. Sie bestimmen das Innovationsgeschehen mit, adressieren besonders die Unterstützungsbedarfe des Mittelstandes, greifen die verschiedensten Herausforderungen sowie Themen in ihren Branchen bzw. Technologiefeldern auf und entwickeln zeitnah wirkungsvolle Lösungen. Entscheidend ist dabei jedoch, dass sich Unternehmen und Institutionen aktiv in die Clusteraktivitäten einbringen und ihre Unterstützungsbedarfe gegenüber der Clustermanagement-Organisation kommunizieren. Dabei gilt die einfache Regel: Je aktiver, desto größer die Mehrwerte und wirtschaftlichen Effekte. In diesem Sinne werden die Clustermanagement-Organisationen ihre Mitgliedsunternehmen dabei unterstützen, auf den Wachstumspfad zurückzukehren.

Illustration zum Thema "Regional vernetzt - Erfolgreich durch die Krise"

© Matthias Seifarth

Kontakt:
Erik Mischke
Referat: Industrieforschung für Unternehmen,
Innovationsberatung
schlaglichter@bmwi.bund.de

Termine

Juli 2020
06.07.2020
Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Mai)
07.07.2020Produktion im Produzierenden Gewerbe (Mai)
09.07.2020Eurogruppe/ECOFIN
13.07.2020Pressemitteilung Wirtschaftliche Lage
17./18.07.2020Europäischer Rat
August 2020
06.08.2020Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Juni)
07.08.2020 Produktion im Produzierenden Gewerbe (Juni)
14.08.2020Pressemitteilung Wirtschaftliche Lage
September 2020
04.09.2020Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Juli)
07.09.2020Produktion im Produzierenden Gewerbe (Juli)
07./08.09.2020Competition Day in Berlin
11./12.09.2020Informeller ECOFIN in Berlin
14.09.2020Pressemitteilung Wirtschaftliche Lage
20./21.09.2020Informelles Treffen der Handelsminister in Berlin
24.09.2020WBF-Rat (Binnenmarkt, Industrie)
29./30.09.2020Kohäsionskonferenz in Halle/Saale

Die „Schlaglichter“ als Email-Abonnement

Der Monatsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist nicht nur als Druckexemplar, sondern auch als elektronischer Newsletter verfügbar. Für ein Abonnement können Sie sich unter folgender Adresse registrieren: www.bmwi.de/abo-service

Darüber hinaus stehen die Ausgaben des Monatsberichts sowie einzelne Beiträge aus älteren Ausgaben auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter folgender Adresse zur Verfügung: www.bmwi.de/schlaglichter

Haben Sie Fragen oder Anregungen zu den „Schlaglichtern“ bzw. einzelnen Artikeln? Dann wenden Sie sich gern an: schlaglichter@bmwi.bund.de

Verwandte Themen