Kabinett beschließt Eckpunktepapier für das Klimaschutzprogramm 2030

Deutschland hat sich zur Einhaltung ehrgeiziger Klimaziele verpflichtet – auf nationaler, europäischer und globaler Ebene. Zur Erreichung dieser Ziele hat das Bundeskabinett am 25. September 2019 ein Eckpunktepapier für ein Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen. Kernbestandteile sind die Einführung eines nationalen Emissionshandels für die Sektoren Wärme und Verkehr, Entlastungen für Bürger und Wirtschaft sowie umfangreiche zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen.

Windturbinen auf einem Grasfeld

© GettyImages.com/Adrian Weinbrecht

Klimaschutz: Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft

Der Schutz des Klimas ist eine zentrale globale Herausforderung. Deshalb haben sich auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris 197 Staaten dazu verpflichtet, die
Erderwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst auf 1,5°C, zu begrenzen sowie spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weltweit Treibhausgasneutralität zu erreichen.

Die Europäische Union will den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 verringern. Hierzu trägt der europäische Emissionshandel (EU-ETS) für die Bereiche Energie und Industrie maßgeblich bei. Deutschland hat sich ferner auf europäischer Ebene dazu verpflichtet, die nicht im EU-ETS erfassten Emissionen bis 2030 um 38 Prozent gegenüber 2005 zu mindern. Zu diesem sogenannten Non-ETS-Bereich zählen die Bereiche Verkehr, Gebäude, Kleinindustrie, Landwirtschaft und Abfall. Auf nationaler Ebene sieht der im Jahr 2016 beschlossene Klimaschutzplan 2050 vor, dass die Treibhausgasemissionen bis 2030 insgesamt um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken und darüber hinaus sektorale Emissionsziele eingehalten werden.

Deutschland hat bereits umfangreiche Maßnahmen im Klimaschutz ergriffen. Zur Erreichung der notwendigen CO2-Einsparungen sind jedoch weitere nationale Anstrengungen notwendig. Diese sollen durch ein Klimaschutzprogramm 2030 konkretisiert und noch in diesem Jahr gesetzlich umgesetzt werden. Der Kabinettsausschuss „Klimaschutz“ der Bundesregierung („Klimakabinett“) hat hierzu am 20. September 2019 Eckpunkte vorgelegt, die am 25. September 2019 vom Bundeskabinett beschlossen wurden. Die Kernpunkte werden im Folgenden dargestellt.

Ein Emissionshandel für Verkehr und Wärme

Wichtiger Bestandteil der Beschlüsse des Klimakabinetts ist die Stärkung der CO2-Bepreisung als marktwirtschaftliches Instrument des Klimaschutzes. Demnach wird sich die Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit der EU-Kommission dafür einsetzen, einen europaweiten übergreifenden Zertifikatehandel für alle Sektoren einzuführen. In einem ersten Schritt soll der bestehende europäische Emissionshandel für Energie und Industrie um einen moderaten Mindestpreis ergänzt werden, der Planungssicherheit für Klimainvestitionen erhöht. Perspektivisch soll zweitens in Allianz mit weiteren willigen Mitgliedstaaten darauf hingewirkt werden, alle Sektoren in das EU-ETS zu integrieren.

Auf nationaler Ebene wird die Bundesregierung bereits ab 2021 eine CO2-Bepreisung für die Sektoren Verkehr und Wärme einführen. Das nationale Emissionshandelssystem erfasst die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe (insbesondere Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin, Diesel). Teilnehmer an diesem nationalen Emissionshandelssystem sind die Inverkehrbringer oder Lieferanten der Brenn- und Kraftstoffe. Für die Jahre 2021 bis 2025 sind zunächst feste Zertifikatpreise vorgesehen (siehe Tabelle), die Preissicherheit gewährleisten.

Festpreise im nationalen Emissionshandelssystem für Verkehr und Wärme

Jahr Euro pro Tonne CO2
202110 Euro
202220 Euro
202325 Euro
202430 Euro
202535 Euro


Ab 2026 wird eine maximale Emissionsmenge festgelegt, die von Jahr zu Jahr geringer wird. Im Jahr 2026 erfolgt die Auktionierung der Zertifikate in einem
Korridor zwischen einem Mindestpreis von 35 Euro pro Tonne CO2 und einem Höchstpreis von 60 Euro pro Tonne CO2. Im Jahr 2025 soll überprüft werden, ob ein Preiskorridor auch nach 2026 erforderlich ist.

Entlastung von Bürgern und Wirtschaft

Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen zum einen an die Bürgerinnen und Bürger sowie zum anderen an die Wirtschaft rückerstattet werden. Entlastungen sind auf vier Wegen vorgesehen:

  • Erstens soll die im Strompreis enthaltene Umlage zur Finanzierung der erneuerbaren Energien im Jahr 2021 um 0,25 ct/kWh, im Jahr 2022 um 0,5 ct/kWh, im Jahr 2023 um 0,625 ct/kWh sowie danach entlang des CO2-Preispfades sinken. Damit geht die Bundesregierung auch ihr Ziel an, die im internationalen Vergleich hohen Strompreise für Privathaushalte und Unternehmen zu senken.
  • Zweitens wird im Rahmen der Einkommensteuer die Entfernungspauschale für Fernpendlerinnen und -pendler ab dem 21. Kilometer auf 35 Cent angehoben. Die zusätzliche Absetzbarkeit wird dabei bis Ende 2026 begrenzt.
  • Drittens wird das Wohngeld um zehn Prozent angehoben, um einkommensschwache Haushalte mit hohem Wohnkostenanteil zu unterstützen. Die Bundesregierung prüft ferner eine Begrenzung der Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisungskosten im Mietrecht.
  • Viertens werden erhöhte Energiekosten bei sozialen Transferleistungen nach den bereits festgelegten Verfahren berücksichtigt.

Über diese Entlastungsmaßnahmen hinaus sollen die Einnahmen aus dem Emissionshandel zur Finanzierung zusätzlicher Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden. Diese Maßnahmen sollen den Emissionshandel ergänzen und betreffen insbesondere Bereiche, für die das BMWi innerhalb der Bundesregierung (mit-)zuständig ist.

Maßnahmen im Gebäudesektor

Im Jahr 2030 dürfen gemäß Klimaschutzplan 2050 im Gebäudesektor noch höchstens 72 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert werden – das entspricht einer Minderung um 66 Prozent gegenüber 1990. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Klimakabinett neben der CO2-Bepreisung unter anderem folgende zusätzliche Maßnahmen beschlossen:

  • Als eine zentrale Maßnahme soll die steuerliche Förderung von Sanierungsmaßnahmen an selbstgenutztem Wohneigentum ab dem Jahresbeginn 2020 eingeführt werden. Vorgesehen ist ein Fördersatz von 20 Prozent der Investitionskosten.
  • Die aktuellen investiven Förderprogramme im Gebäudebereich werden künftig in der Bundesförderung für effiziente Gebäude gebündelt, mit höheren Mitteln ausgestattet und zu einem verbesserten, modernisierten Förderangebot ausgebaut.
  • Hinzu kommen verstärkte Anreize für den Einbau klimafreundlicher Heizungen. So wird eine „Austauschprämie“ für alle derzeit mit Heizöl betriebenen Heizungen mit einem Förderanteil von 40 Prozent für ein neues, effizienteres Heizsystem eingeführt. Zur Flankierung wird die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung vorlegen, wonach in Gebäuden, in denen eine klimafreundlichere Wärmeerzeugung möglich ist, der Einbau von Ölheizungen ab 2026 nicht mehr gestattet ist. Hybridlösungen sind auch künftig im Neubau und Bestand zulässig.
  • Die energetischen Standards von Wohn- und Nichtwohngebäuden sollen für Neubau und Bestand weiterentwickelt werden. Dabei werden sowohl das geltende Wirtschaftlichkeitsgebot und der Grundsatz der Technologieoffenheit gewahrt als auch die Bezahlbarkeit des Bauens und Wohnens beachtet. Die nächste Überprüfung des geltenden energetischen Standards erfolgt im Jahr 2023.

Maßnahmen im Verkehrssektor

Gemäß Klimaschutzplan 2050 muss der Sektor Verkehr seine Emissionen um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 auf 95 bis 98 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030 mindern. Zur Schließung der aktuell verbleibenden Lücke in Höhe von 52 bis 55 Millionen Tonnen CO2 sind neben der Einführung des nationalen Emissionshandels vor allem folgende Maßnahmen zentral:

  • Als Grundvoraussetzung für Elektromobilität sollen bis 2030 insgesamt eine Million Ladepunkte öffentlich zur Verfügung stehen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen unter anderem öffentliche Ladesäulen gefördert und ein Masterplan Ladesäuleninfrastruktur vorgelegt werden.
  • Bis 2030 sollen in Deutschland sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein. Dafür werden unter anderem die Kaufprämien für Pkw künftig bis zu einem Kaufpreis von 40.000 Euro gelten und die Kfz-Steuerbefreiung bis Ende 2025 verlängert.
  • Die Anschaffung von Lkw mit klimaschonenden Antrieben soll unterstützt werden, damit bis 2030 etwa ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe erfolgen kann. Dazu wird insbesondere eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut vorangetrieben.
  • Um den Schienenverkehr zu stärken, wird der Bund sich von 2020 bis 2030 jährlich mit einer Milliarde Euro zusätzlichen Eigenkapitals an der Deutschen Bahn AG beteiligen. Dadurch sollen zusätzliche Investitionen in die Modernisierung, den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes und das Bahnsystem erfolgen.
  • Die Bundesmittel zum Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs sind ab 2021 bereits auf eine Milliarde Euro angehoben worden. Die Bundesregierung beabsichtigt, diese Mittel ab 2025 auf zwei Milliarden Euro zu erhöhen.
  • Allgemein wird die Bundesregierung die Kfz-Steuer stärker an den CO2-Emissionen ausrichten. Ferner soll die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten auf sieben Prozent gesenkt und im Gegenzug die Luftverkehrsabgabe angehoben werden.

Maßnahmen in der Industrie

Der Klimaschutzplan 2050 sieht vor, dass die Industrie ihre Emissionen auf 140 bis 143 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030, und somit um 49 bis 51 Prozent gegenüber 1990 mindert. Dieses Ziel soll unter anderem mit folgenden Maßnahmen erreicht werden:

  • Das Investitionsprogramm für Energieeffizienz und Prozesswärme aus erneuerbaren Energien in der Wirtschaft soll durch Bündelung bestehender Förderprogramme den Aufwand für Unternehmen senken sowie die Effektivität der Förderung steigern.
  • Die Vergabe von Fördermitteln im Rahmen von wettbewerblichen Ausschreibungen für Energieeffizienz soll weitergeführt und von Stromeffizienzmaßnahmen auf den Wärmebereich ausgeweitet werden.
  • Im Rahmen der EU-Ökodesign-Richtlinie sollen Mindeststandards für bestimmte Produktgruppen ausgeweitet werden.
  • Ein Nationales Dekarbonisierungsprogramm soll im Bereich Entwicklung, Demonstration und Markteinführung zentrale Projekte der emissionsintensiven Industrie fördern. Zusätzlich soll ein EU-Innovationsfonds innovative CO2-arme Produktionsprozesse in der Industrie anreizen.
  • Im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft sollen Empfehlungen zur Steigerung der Energieeffizienz aus Energieaudits und Energiemanagementsystemen beschleunigt umgesetzt werden.
  • Eine Batteriezellförderung in Höhe von rund einer Milliarde Euro soll zum Aufbau einer großvolumigen industriellen Batteriezellfertigung an mehreren Standorten in Deutschland führen. Im Rahmen eines Dachkonzepts „Forschungsfabrik Batterie“ fördert die Bundesregierung den Kompetenz- und Technologieausbau im Bereich der Batterien entlang der gesamten Wertschöpfungskette, damit auch in Zukunft wesentliche Teile der Wertschöpfung im Automobilsektor in Deutschland angesiedelt bleiben.

Maßnahmen in der Energiewirtschaft

Der Sektor Energiewirtschaft darf laut Klimaschutzplan 2050 im Jahr 2030 noch 175 bis 183 Millionen Tonnen CO2 emittieren, was einer Senkung von 61 bis 62 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 entspricht. Dieses Ziel wird mit folgenden Maßnahmen erreicht, die insgesamt CO2-Emissionen in Höhe von 84 Millionen Tonnen mindern:

  • Der Kohleausstieg bis spätestens 2038 auf Basis der Empfehlungen, die die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ Anfang des Jahres 2019 vorgelegt hat, spart bis zum Jahr 2030 mindestens 43 Millionen Tonnen CO2.
  • Der Ausbau der erneuerbaren Energien auf einen Anteil von 65 Prozent am Stromverbrauch in 2030 ermöglicht eine CO2-Minderung von mindestens 35 Millionen Tonnen.
  • Ergänzend erbringen der Aus- und Umbau der Wärmenetze auf erneuerbare Energien eine CO2-Einsparung von etwa vier Millionen Tonnen sowie die Weiterentwicklung und Modernisierung der Kraft-Wärme-Kopplung eine CO2-Minderung von etwa zwei Millionen Tonnen.

Sektorübergreifende Maßnahmen

  • Neben den zuvor genannten sektorbezogenen Impulsen nennt das Eckpunktepapier der Bundesregierung auch Maßnahmen und Handlungsfelder, die übergreifenden Charakter haben:
  • Das gesamte Innovationssystem soll mobilisiert werden, einschließlich weiterer staatlicher Forschungs- und Innovationsimpulse und Forschungsförderung.
  • Fortschritte im Bereich der Green IT sind erforderlich, um den Energieverbrauch digitaler Technologien zu begrenzen.
  • Angesichts der zunehmenden und sektorübergreifenden Rolle von Wasserstoff wird die Bundesregierung noch bis Ende dieses Jahres eine Wasserstoffstrategie vorlegen.
  • Die Bundesregierung wird die Forschung und Entwicklung zur Speicherung und Nutzung von CO2 fördern und einen Dialogprozess mit relevanten Stakeholdern einleiten.
  • Beim Klimaschutz und bei der Energieeffizienz kommen wichtige Impulse aus kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Daher soll ein Programm speziell für KMU ausgebaut werden.
  • Infrastrukturmaßnahmen, die dem Klimaschutz dienen, müssen schneller geplant und umgesetzt werden. Daher wird die Bundesregierung weitere Anstrengungen unternehmen, um das Planungsrecht zu beschleunigen.
  • Die Entwicklung einer Sustainable-Finance-Strategie verfolgt den Zweck, Deutschland zu einem in diesem Bereich führenden Standort weiterzuentwickeln. Im Rahmen dieser Strategie soll der Bund zukünftig eine grüne Bundesanleihe emittieren, um die Entwicklung nachhaltiger Finanzmärkte zu unterstützen.
  • Die KfW soll als nachhaltige Förderbank zur Unterstützung der Transformation von Wirtschaftssektoren und Finanzmarkt für eine treibhausgasneutrale Zukunft weiterentwickelt werden.

Gesetzliche Umsetzung und Kontrolle der Zielerreichung

Um die Klimaziele für 2030 verlässlich und planbar zu erreichen, werden für alle Sektoren die sich aus dem Klimaschutzplan 2050 ergebenden jährlich definierten Minderungsziele („Sektorziele“) gesetzlich festgeschrieben. Die Überprüfung der Einhaltung erfolgt jahresgenau und wird durch einen externen Expertenrat begleitet. Ferner wird das Klimakabinett entfristet und nimmt die Aufgabe wahr, jährlich die Wirksamkeit, Effizienz und Zielgenauigkeit der Maßnahmen zu überprüfen. Bei Zielverfehlung werden zeitnah Entscheidungen zur Nachsteuerung getroffen. Die gesetzlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Programms sollen 2019 vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Klar ist: Für den Erfolg des deutschen Klimaschutzes ist eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung erforderlich. Deshalb wird die Bundesregierung hierzu in einen intensiven Dialog mit dem Deutschen Bundestag, den Ländern, den Kommunen, mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften sowie mit der gesamten Zivilgesellschaft treten.

Weiterführende Informationen:

Das Eckpunktepapier für das Klimaschutzprogramm 2030 ist unter https://bit.ly/2nu15Wx abrufbar.

Kontakt:
Marta Kujawa
Referat: Klimaschutz, Emissionshandel, Internationale Umweltschutzpolitik
Stefan Besser
Referat: Grundsatz Energieeffizienz und rationelle Energienutzung
Dr. Sebastian Pieper
Referat: Ökonomische Fragen der Energiewende,
Szenarien und energiepolitische Fragen des Emis¬sions¬handels
Dr. Kenan Šehović
Referat: Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik