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Warum die Mikroelektronik für Europa so wichtig ist
Ohne sie geht fast nichts mehr: Flugzeuge bleiben am Boden, Banken überweisen kein Geld und Patienten werden nicht behandelt. Mikroelektronische Komponenten steuern unser modernes Leben. Diese unverzichtbaren elektronischen Bauteile fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen eines „IPCEI Mikroelektronik“ (Important Project of Common European Interest) mit einer Milliarde Euro.
Winzige Komponenten überall
Ein Leben ohne Computer, Smartphone und viele internetbasierte Angebote wie Lieferdienste, Handelsplattformen und Social-Media-Kommunikation kann sich wohl kaum noch jemand vorstellen. Mikroelektronik leistet jedoch weit mehr, als den Alltag von Verbraucherinnen und Verbrauchern angenehmer zu gestalten. Chips, Sensoren und Co. steuern unseren Verkehr mit seinen Personen- und Warenströmen sowie unseren Energieverbrauch. Sie ermöglichen eine moderne medizinische Versorgung in Arztpraxen und OP-Sälen. In der Landwirtschaft kontrollieren sie, wie unsere Nahrungsmittel gedeihen, helfen bei Ernte und Verarbeitung. Behörden, Sicherheitskräfte und Wissenschaft arbeiten dank der IT-Infrastruktur schneller und bürgernäher. Kurzum, Mikroelektronik ist im 21. Jahrhundert geradezu überlebenswichtig: für die Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen und den Staat. Und sie wird es bleiben, denn die Digitalisierung schreitet dank technischer Innovationen – auch in der Mikroelektronik – immer weiter voran. Leistungsfähigere Chips und andere mikroelektronische Komponenten sind Schlüsseltechnologien für zahlreiche Anwendungen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft.
Branchenübergreifende Schlüsseltechnologie mit Hebelwirkung …
Mikroelektronische Bauelemente werden in der Regel aus Halbleitermaterialien wie Silizium hergestellt. Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten daran, immer mehr Informationen auf immer geringerer Fläche noch schneller zu erfassen, zu verarbeiten und zu speichern. Solche mikroelektronischen Bauteile sind in nahezu allen elektronischen Geräten eingebaut. Deshalb gilt die Mikroelektronik als Schlüsseltechnologie für Innovationen. Diese entfaltet eine volkswirtschaftliche Hebelwirkung und treibt die Entwicklung neuer marktfähiger Produkte voran: So arbeitet beispielsweise die Automobilindustrie an autonom fahrenden Fahrzeugen, der Maschinen- und Anlagenbau entwickelt hochautomatisierte und durch Künstliche Intelligenz (KI) gesteuerte Industrieanlagen und die Medizintechnik forscht an noch intelligenterer Bilderkennungssoftware, um zuverlässigere Diagnosen stellen zu können.
… und auf weltweitem Wachstumskurs
Es ist daher kein Wunder, dass der Bedarf an Mikroelektronikprodukten seit Jahrzehnten weltweit steigt – und zwar so rasant, dass Zulieferer ebenso wie Anlagenhersteller die Nachfrage der Halbleiterindustrie kaum bedienen können. Der globale Halbleitermarkt wuchs in den letzten Jahren stetig, 2017 um rekordverdächtige 21,6 % und 2018 um 13,7 %. Auch der deutsche Halbleitermarkt nahm laut dem
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) 2018 gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent auf 14 Milliarden Euro zu. 2018 lag das weltweite Marktvolumen von Halbleitern bei 469 Milliarden US-Dollar. Marktgröße und Wachstum verteilen sich dabei ungleichmäßig über die Weltregionen. China belegt mit 158,4 Milliarden US-Dollar Platz 1. Mit weitem Abstand folgen die USA (95,2 Milliarden US-Dollar), Südkorea (48,8 Milliarden US-Dollar) und die Europäische Union (EU) (41,2 Milliarden US-Dollar).
Europa mag auf den ersten Blick kein großer Player im Vergleich zu Asien und den USA sein. Jedoch arbeiten im „Silicon Europe“ zurzeit etwa 400.000 Menschen in Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit ihrer Expertise an neuen Technologien „Made in Europe“. Dank ihnen ist Europa führend bei Halbleitern für die Automobil- und Industrieelektronik. Dort entwickelte Lösungen in der Mikroelektronik sind damit indirekt die Grundlage für Millionen Arbeitsplätze in den Zulieferindustrien und in nachgelagerten Anwendungen.
Mikroelektronik in Deutschland
In Deutschland haben sich vor allem Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Südwestdeutschland zu starken Zentren der Halbleiterindustrie bzw. der Mikroelektronik entwickelt. Allein im sogenannten „Silicon Saxony“ arbeiten rund 25.000 Menschen.
Zum weit verzweigten Netzwerk der Mikroelektronik-Akteure gehören neben namhaften Großunternehmen und Forschungseinrichtungen auch weit über tausend kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Viele sind auf Gebiete wie Sensorik, Verbindungstechnik oder Systemintegration spezialisiert und auf dem Weltmarkt erfolgreich.
IPCEI: Gemeinsam in Europa für die mikroelektronische Zukunft
Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Elektromobilität und autonomes Fahren: In den Technologien der Zukunft wird es noch wichtiger sein, über welche Fähigkeiten Chips und Co. verfügen und mitzubestimmen, wofür und wiesie verwendet werden. Aus wirtschaftlicher und (sicherheits-)politischer Sicht ist es wichtig, dass Deutschland und Europa ihre Mikroelektronik-Kompetenzen stärken und Produktionskapazitäten entsprechend ausrichten: eine Aufgabe, die die EU-Mitgliedstaaten am besten gemeinsam schultern können.
IPCEI – einfach erklärt
Mit einem „Important Project of Common European Interest“ können EU-Mitgliedstaaten erstmals Innovationen bis zur ersten gewerblichen Nutzung fördern . Das ist neu, denn grundsätzlich dürfen EU-Staaten Innovationen außerhalb von Regionalfördergebieten nur als Forschungs- und Entwicklungsprojekte fördern . Damit soll der Wettbewerb gewahrt werden . Gibt es aber ein übergeordnetes europäisches Interesse und sind die zu tätigenden Investitionen nicht alleine von den Unternehmen zu stemmen, können solche Projekte dank spezieller Beihilferegeln von mehreren Staaten gemeinsam umgesetzt werden . Ein IPCEI erfordert die beihilferechtliche Genehmigung der Europäischen Kommission . Diese achtet darauf, dass alle EU-Mitgliedstaaten profitieren können und keine unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrung stattfindet . Das Fördergeld kommt bisher aus den beteiligten Ländern selbst, nicht von der EU .
Ende 2018 hat die Europäische Kommission das „Important Project of Common European Interest (IPCEI) Mikroelektronik“ beihilferechtlich genehmigt. Damit wurde mehreren europäischen Ländern erlaubt, gemeinsam länderübergreifende Kooperationsprojekte mit großen Synergien in der Mikroelektronik zu unterstützen – und zwar erstmalig bis zur ersten gewerblichen Nutzung.
Weil die Mikroelektronik erheblichen Einfluss auf die Innovationsfähigkeit Europas hat, ist es kein Zufall, dass sich das europaweit erste derartige IPCEI gerade dieser Schlüsseltechnologie widmet. Mit dem „IPCEI Mikroelektronik“ wollen Deutschland, Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich die europäischen Kompetenzen in diesem Feld erhalten und weiter ausbauen. Zudem wollen sie sicherstellen, dass möglichst die gesamte Wertschöpfungskette der Mikroelektronik hiesigen Akteuren zuverlässig zur Verfügung steht. Das heißt vor allem, dass Europa Schlüsselkomponenten der Mikroelektronik auch selbst produzieren kann. Deutschland, Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich fördern mit staatlichen Mitteln in Höhe von insgesamt 1,75 Milliarden Euro die Entwicklung neuer mikroelektronischer Produkte über Branchen- und Ländergrenzen hinweg.
Erstmalig wurde damit das übergeordnete europäische Interesse an einer wichtigen Schlüsseltechnologie in eine gemeinsam getragene Fördermaßnahme übersetzt. Gerade Investitionen in der Mikroelektronik sind häufig finanziell sehr riskant. Mit der Unterstützung durch den jeweiligen Staat werden Unternehmen dazu motiviert, ehrgeizige Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsmaßnahmen voranzubringen. Im Rahmen von „IPCEI Mikroelektronik“ können Unternehmen auch in spezielle Ausrüstung und Baumaßnahmen investieren und damit Bedingungen schaffen, die langfristig und für viele Zwecke nutzbar sind. Im „IPCEI Mikroelektronik“ ist daher auch die ganze weit- verzweigte Mikroelektronik-Themenfamilie versammelt: z. B. Optikentwicklung, Design von Hardware, Prozesswissen, Produktionsanlagen, Chipherstellung sowie nachgelagerte Anwendungen der verschiedensten Branchen.
Bis in jeden Winkel Europas
Am „IPCEI Mikroelektronik“ sind direkt 29 europäische Unternehmen beteiligt. Sie setzen 40 eng miteinander zusammenhängende Teilprojekte um. Diese Unternehmen werden im Laufe des Projekts mit zahlreichen weiteren Partnern wie beispielsweise Forschungsorganisationen oder kleinen und mittleren Unternehmen zusammenarbeiten, und zwar über die vier beteiligten Mitgliedstaaten der EU hinaus. Das technologische Wissen, das die beteiligten Unternehmen im Zuge von „IPCEI Mikroelektronik“ generieren, soll auf diese Weise weit über die vier beteiligten Mitgliedstaaten in der europäischen Mikroelektronikbranche verbreitet werden und so möglichst vielen zugutekommen. Geplant sind Veranstaltungen, Publikationen und länderübergreifende Kooperationen wie z. B. Zulieferungen von Materialien und Ausrüstungen für die Fertigung durch europäische Hersteller. Denn: „IPCEI Mikroelektronik“ soll nicht nur auf dem Papier ein europäisches Projekt sein, sondern bis in jeden Winkel Europas bekannt werden und auch dort andere Branchen und Anwendungen voranbringen.
Schon heute zeigt das „IPCEI Mikroelektronik“ Vorbildcharakter: Mittlerweile sind weitere IPCEI initiiert worden, bei denen unter anderem mobile und stationäre Energiespeicher im Fokus stehen.
Eine Milliarde Euro für deutsche Unternehmen
Den mit einer Milliarde Euro größten Betrag der beteiligten Mitgliedstaaten trägt das BMWi. Damit werden 16 Unternehmen mit Betriebsstätten in Deutschland unterstützt, die ihrerseits insgesamt mehr als 2,6 Milliarden Euro in Forschung, Entwicklung und Umsetzung investieren. Die Förderung durch das BMWi hat hier noch einmal für einen besonderen Schub gesorgt und Investitionen unterstützt, die sonst nicht oder nicht in dieser Höhe getätigt worden wären. So entsteht in diesem Zusammenhang beispielsweise in Dresden die größte Chipfabrik Europas und in Oberkochen einer der größten sogenannten Reinräume Europas. Mit dem finanziellen Anschub des BMWi hat die deutsche Mikroelektronikindustrie die Chance, in neuen, hochmodernen Fabriken innovative Fertigungstechnologien und -prozesse für die Massenfertigung von Chips und mikroelektronischen Systemen zu entwickeln.
Förderung in Deutschland für fünf konkrete Themenfelder
Die Projekte widmen sich fünf verschiedenen Technologiebereichen:
1. Energieeffiziente Chips können den Gesamtenergieverbrauch von elektronischen Geräten deutlich verringern.
2. Leistungshalbleiter können zum Beispiel in intelligenten Geräten, in Elektro- und Hybridfahrzeugen oder bei der Stromübertragung eingesetzt werden.
3. Intelligente Sensoren können unter anderem dazu beitragen, die Fahrzeugsicherheit zu verbessern . Zum Beispiel beim Fahrspurwechsel oder beim Umfahren eines Hindernisses kann das Fahrzeug so verlässlicher und schneller reagieren.
4. Fortgeschrittene optische Geräte ermöglichen verbesserte Technologien für zukünftige High-EndChips und die Chipherstellung.
5. Verbundwerkstoffe sollen Silizium ersetzen und den Fortschritt in der Chipentwicklung beschleunigen.
Diese fünf Technologiebereiche ergänzen sich gegenseitig und sind eng miteinander verflochten – Chips werden normalerweise nicht separat, sondern als Teil eines integrierten Systems geliefert. Aus diesem Grund arbeiten die Unternehmen an 40 eng miteinander verknüpften Teilprojekten zusammen.
Der Blick nach vorn
Wie schnell und erfolgreich die Digitalisierung in Deutschland und Europa gelingt, hängt u. a. davon ab, ob hier genügend leistungsstarke mikroelektronische Systeme gefertigt werden können. Deutschland und Europa müssen im internationalen Technologiewettbewerb vorne mitspielen, denn nur so sichern wir gemeinsam die Zukunft unserer Volkswirtschaften und unseren Lebensstandard.
Mit dem „IPCEI Mikroelektronik“ ist ein wegweisender Schritt in diese Richtung gelungen. Bis 2025 sollen die geplanten Investitionen in der EU umgesetzt werden. Die Mikroelektronikbranche in Europa dürfte daraus gestärkt hervorgehen. Und das BMWi trägt dazu bei, vertrauenswürdige und leistungsfähige Mikroelektronik „Made in Germany“ und „Made in Europe“ voranzutreiben.