Finanztransfers des Bundes an Länder und Kommunen sind fester Bestandteil der Wachstums- und Strukturpolitik im föderalen System Deutschlands. In der 19. Legislaturperiode sind sie unter anderem in den Kommissionen „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ und „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ in den Mittelpunkt gerückt. Durch Finanztransfers soll eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in allen Regionen Deutschlands gestützt werden. Wissenschaftliche Analysen der Wirkungen vertikaler Finanztransfers lassen bislang nur eingeschränkt allgemeine Schlussfolgerungen zu; hier besteht auch angesichts aktueller Entwicklungen weiterer Forschungsbedarf.

Euromünzen

© iStock.com/ Grafner

Die Rolle von Finanztransfers im Föderalstaat

Föderale Finanzsysteme und die Aufgabenverteilung im Gesamtstaat sind im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich. Frankreich ist zum Beispiel ein stark zentralisierter Staat und die Schweiz als Gegenbeispiel ein stark dezentralisierter Staat. In beiden Staaten existieren wie in Deutschland vertikale Finanztransfers. Die Unterschiede in den Fiskalverfassungen in Föderal- und Einheitsstaaten führen allerdings zu unterschiedlichen Anreizstrukturen, sodass Transfers keine einheitliche Wirkung entfalten. Der Zentralisierungsgrad wird üblicherweise an den Anteilen der zentralen Ebene (in Deutschland: des Bundes) an den gesamtstaatlichen Einnahmen und Ausgaben festgemacht. In Deutschland ist im OECD-Vergleich der Grad der Ausgaben-Dezentralisierung relativ hoch. Dies deutet auf eine relativ starke Dezentralisierung auch der Aufgaben hin.

Allerdings sind die Ausgaben- und die Aufgaben-Dezentralisierung nicht deckungsgleich. Ausgaben können steigen, ohne dass zusätzlich Aufgaben übernommen werden. Über die OECD-Länder hinweg übersteigen die Ausgaben der unteren staatlichen Ebenen in der Regel ihre Einnahmen. Die eigene Einnahmeautonomie der lokalen Ebene reicht typischerweise nicht aus, um die Ausgaben zu decken, sodass eine Steuerverteilung in Kombination mit vertikalen Finanztransfers von der zentralen Ebene auf die dezentralen Ebenen erforderlich ist. Zu den „vertikalen“ Finanztransfers zählen im Föderalstaat ferner die Gemeinschaftsaufgaben und Gelder zum Ausgleich für Politikmaßnahmen, die sich über Regionen hinweg auswirken. Mit der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 nimmt das Volumen der vertikalen Transfers in Deutschland weiter zu (unter anderem steigen die Bundesergänzungszuweisungen sowie die Sanierungshilfen für das Saarland und Bremen), ohne dass Länder und Kommunen zusätzliche Aufgaben übernehmen. Der Bund entlastet die Länder ab 2020 in Höhe von anfänglich etwas über 9,7 Milliarden Euro.

Vertikale Finanztransfers kommen in sehr unterschiedlichen Politikbereichen (etwa in den Bereichen Infrastruktur, sozialer Wohnungsbau, Digitalisierung und Städtebauförderung) zum Einsatz. Sie haben jedoch alle das gemeinsame Ziel, die regionalen Finanzkraftunterschiede auszugleichen und zu einer homogeneren Entwicklung im Gesamtstaat beizutragen. Vor dem Hintergrund des in Deutschland insbesondere auf der kommunalen Ebene anhaltend hohen Bedarfs an Infrastrukturinvestitionen können Finanzhilfen einen wichtigen Beitrag leisten, öffentliche Investitionen zu steigern.

Der Bund hat in den vergangenen Jahren unter anderem investitionsbezogene Transfers gewährt oder aufgestockt: mit dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz (sieben Milliarden Euro von 2015 bis 2022), dem Gute-KiTa-Gesetz (5,5 Milliarden Euro von 2019 bis 2022) und im sozialen Wohnungsbau (zwei Milliarden Euro von 2020 bis 2021). Allein im Jahr 2019 betragen die Zuweisungen des Bundes für Investitionen von Ländern und Kommunen rund sieben Milliarden Euro. Das Ziel ist, die öffentliche Investitionstätigkeit auf allen Ebenen zu beleben. Die Investitionstätigkeit des Bundes selbst hat entsprechend stark zugenommen. Die aktuelle Finanzplanung sieht weitere Investitionen in Höhe von 159,2 Milliarden Euro für die Jahre 2020 bis 2023 vor. Dieser neue Höchstwert zeigt, dass die Bundesregierung ihre Investitionsoffensive fortsetzt. Auch wegen des kontinuierlichen Engagements der Bundesregierung ist der Investitionsrückstand auf kommunaler Ebene gesunken; dennoch liegt dieser laut KfW-Kommunalpanel 2019 noch bei 138,4 Milliarden Euro.

Unterschiedliche Transfertypen

Vertikale Finanztransfers können danach unterschieden werden, inwieweit sie zweckgebunden, zeitlich begrenzt und mit einer Kofinanzierung durch die Länder und Kommunen verbunden sind. Die Finanztransfers etwa, die im Rahmen des „Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen“ zur Anpassung an den Strukturwandel in den Kohleregionen geplant sind, sollen zweckgebunden, zeitlich begrenzt und mit einem Kofinanzierungsanteil der Länder in Höhe von zehn Prozent gewährt werden. Außerdem sollen die im Art 104b Abs. 2 im Grundgesetz eingeführten Steuerungs- und Kontrollrechte des Bundes verankert werden.

Ein Vorteil zeitlich begrenzter Finanztransfers ist, dass die Möglichkeit besteht, flexibler auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Dies können beim sozialen Wohnungsbau zum Beispiel ein durch einen Bauboom ausgelöster verringerter Wohnungsbedarf sein oder im Bereich des Breitbandausbaus privatwirtschaftliche Tätigkeiten, die den Bedarf für ein staatliches Eingreifen reduzieren. Genauso kann aber auch ein erhöhter Bedarf zum Beispiel im Bereich der Bildungsinfrastruktur durch unerwartet hohe Zuwanderung ein Anlass sein, die ursprüngliche Planung anzupassen. Schließlich erzeugt eine zeitliche Befristung auch einen gewissen Druck, die Fördermittel abzurufen und Investitionsprojekte zügig umzusetzen. Dies kann wünschenswert sein, wenn es gilt, aus konjunkturellen
Gründen Investitionsanreize zu erhöhen und Investitionen zu beschleunigen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 104b Abs. 2

(2) Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder auf Grund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt . Das Bundesgesetz oder die Verwaltungsvereinbarung kann Bestimmungen über die Ausgestaltung der jeweiligen Länderprogramme zur Verwendung der Finanzhilfen vorsehen . Die Festlegung der Kriterien für die Ausgestaltung der Länderprogramme erfolgt im Einvernehmen mit den betroffenen Ländern . Zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Mittelverwendung kann die Bundesregierung Bericht und Vorlage der Akten verlangen und Erhebungen bei allen Behörden durchführen . Die Mittel des Bundes werden zusätzlich zu eigenen Mitteln der Länder bereitgestellt . Sie sind befristet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen . Die Finanzhilfen sind im Zeitablauf mit fallenden Jahresbeträgen zu gestalten .

Wirkung von Transfers auf die öffentliche Investitionstätigkeit von Ländern und Kommunen

Eine vollumfängliche systematische Erhebung, statistische Aufbereitung und Wirkungsanalyse aller vertikalen Finanztransfers in Deutschland liegt bis jetzt nicht vor. Eine Studie von Blöchliger et al. (2016) hat Untersuchungen für die Gruppe der OECD-Länder vorgenommen. Baskaran et al. (2017) haben den Effekt der Abhängigkeit von Transfers auf die wirtschaftliche Entwicklung untersucht. Sie nutzten dafür Daten zum Bund-Länder-Finanzausgleich von zehn westdeutschen Bundesländern für die Jahre 1975 bis 2005. Eine aktuelle Studie des Walter Eucken Instituts (WEI) im Auftrag des BMWi nimmt eine Analyse der deutschen Transferlandschaft nach Transfertypen mit einem Schwerpunkt auf der öffentlichen Investitionstätigkeit vor. Die dabei berücksichtigten Transferzahlungen des Bundes umfassen ein Volumen von rund 33 Milliarden Euro pro Jahr. Hiervon unterliegen jährlich knapp sechs Milliarden Euro, also etwa 18 Prozent, einer investiven Zweckbindung.

Abbildung 1 zeigt die Verteilung der durchschnittlichen Transfers der Jahre 2005 bis 2014 in Euro pro Kopf. Abbildung 2 zeigt die regionale Verteilung der Sachinvestitionen im Zeitraum von 2005 bis 2015.

© BMWi

Abbildung 1 zeigt die Verteilung der durchschnittlichen Transfers der Jahre 2005 bis 2014 in Euro pro Kopf. Im bundesweiten Vergleich weisen insbesondere die ostdeutschen Regionen ein deutlich höheres Niveau an vom Bund ausgehenden Transferzahlungen auf. Dies ist nach dem Gutachten im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Voraussetzungen für die Gewährung von Transfers meist auf Strukturschwäche abzielen.

Abbildung 2 zeigt die regionale Verteilung der Sachinvestitionen im Zeitraum von 2005 bis 2015. Die Investitionstätigkeit ist demnach in Süddeutschland stärker ausgeprägt als im Rest von Deutschland.

Auf den ersten Blick legen die beiden Grafiken somit einen negativen Zusammenhang zwischen empfangenen Transfers und Investitionstätigkeit nahe. Diese kontraintuitive Beobachtung macht deutlich, dass für die Frage, ob und wie Transfers wirken, noch weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen, so etwa der Aufholprozess im Zuge des Aufbaus Ost oder die kommunale Finanz- und Wirtschaftskraft. Die Studie versucht, diese Einflussgrößen in einer ökonometrischen Analyse systematisch zu berücksichtigen und den kausalen Effekt zusätzlicher Finanztransfers auf die kommunale Investitionstätigkeit zu isolieren.

Wirkung unterschiedlicher Transfertypen

Die Untersuchungen des WEI über die Investitionswirkung von Transfers auf unterschiedlichen föderalen Ebenen zeigen ferner, dass für zusätzliche Investitionsimpulse die Konstruktion der Transfers und die Ausgangslage bei den Empfängern von Bedeutung sein können. Ein positiver Investitionseffekt entsteht insbesondere bei finanzschwachen Kommunen, die zweckgebundene Transfers in Kombination mit einer Kofinanzierung erhalten. Freie Transfers wirken zwar auch positiv, dies aber eher bei finanzstarken Kommunen, die nicht auf zusätzliche Mittel zur Deckung ihrer laufenden Ausgaben angewiesen sind. Finanz- und wirtschaftsstärkere Kommunen, die ohnehin viel investieren, brauchen offenbar keine Zweckbindung, um weitere Investitionen in bestimmten Bereichen zu mobilisieren. Hier kommt es eher zu zusätzlichen Investitionen, wenn der Zweck nicht von vornherein eingeschränkt ist.

Die Studienergebnisse legen den Schluss nahe, dass finanzschwache Kommunen eher dann investieren, wenn Transfers zweckgebunden sind, da sie ansonsten die Notwendigkeit sehen, mit Transfers andere dringende Ausgaben (etwa Bildungsinfrastruktur) zu priorisieren und zu finanzieren. Eine Herausforderung der Ausgestaltung von Transfers liegt somit darin, die finanzielle Eigenverantwortung von Kommunen und den für sie zuständigen Ländern zu stärken. Eine Fokussierung auf finanzschwache Kommunen, wie zwischenzeitlich im Grundgesetz Art. 104c verankert, wirkt demnach grundsätzlich in die Richtung, die Effektivität des Mitteleinsatzes zu erhöhen. Durch eine Änderung des Grundgesetzes in diesem Jahr ist dies allerdings künftig nur noch im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen mit den Ländern möglich.

Relevanter Forschungsbereich

Aufgrund vieler statistischer Unwägbarkeiten, die unter anderem in dem begrenzten Betrachtungszeitraum, der Verwendung von öffentlichen Finanzdaten statt realwirtschaftlichen Daten sowie in der nicht immer eindeutigen Wirkungsrichtung von Transfers auf Investitionen bestehen, sind allgemeine Schlussfolgerungen aus den bisher vorliegenden Untersuchungen zur Wirkung von vertikalen Finanztransfers in Deutschland nur eingeschränkt möglich.

Auch vor diesem Hintergrund wären eine Verbesserung der Datengrundlagen und darauf aufbauend weitere quantitative Analysen wünschenswert. Dies gilt umso mehr angesichts des absehbaren weiteren Anwachsens vertikaler Transfers. Angesichts anhaltender und sich teilweise beschleunigender Strukturveränderungen, wie Migration und zunehmende Mobilität, Digitalisierung, Alterung der Gesellschaft und Klimawandel, stellen sich neue Aufgaben, die in einem Föderalstaat auch eine koordinierte Finanzierung erfordern dürften.

Regelmäßige Evaluationen können einen Beitrag dazu leisten, Finanztransfers so auszugestalten, dass Effizienzverluste möglichst vermieden und eine zielgerichtete Förderung erreicht wird. Dabei sind sich ändernde Rahmenbedingungen zu beachten, so etwa gestiegene Sozialleistungen von Kommunen, veränderte Bedürfnisse an Gesundheitsversorgung einer alternden Gesellschaft oder alternative Mobilitätskonzepte.

Mit der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wurde gleichzeitig das Regelwerk zur Wirkungsanalyse und -kontrolle weiterentwickelt. Die zusätzlich mit dem Art. 104b Abs. 2 im Grundgesetz eingeführten Steuerungs- und Kontrollrechte des Bundes könnten einen Beitrag zur Verbesserung künftiger Transfers leisten. Der Bund-Länder-Koordinierungsausschuss im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ist ein bewährtes Steuerungsinstrument. Es ist zu begrüßen, dass für das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ ebenfalls ein beratendes Bund-Länder-Koordinierungsgremium geplant ist.

Kontakt: Anne Feldhusen
Referat: Finanzpolitik, konjunkturpolitische Koordinierung