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02.11.2018 - Online-Version - Schlaglichter der Wirtschaftspolitik

I. Wirtschaftspolitische Themen und Analysen

Einleitung

1. Auf einen Blick

Start des Europäischen Semesters 2019

Im November beginnt das neue Europäische Semester – ein jährlich wiederkehrender Zyklus auf europäischer Ebene mit dem Ziel, die Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) aufeinander abzustimmen. Der Semesterprozess wurde im Jahr 2010 als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise eingeführt und soll zu Konvergenz und Stabilität in der EU beitragen und die Umsetzung notwendiger Reformen fördern. Der Prozess erstreckt sich im Kern über circa ein halbes Jahr – daher die Bezeichnung „Semester“.

Den Auftakt macht das Herbstpaket…

Im November gibt die Europäische Kommission mit dem sogenannten Herbstpaket den Startschuss für das Europäische Semester. Das Paket beinhaltet unter anderem den Jahreswachstumsbericht, in dem die Kommission die wichtigsten finanz-, wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen für das kommende Jahr benennt. Darüber hinaus enthält das Herbstpaket einen Entwurf für Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (sogenannte Eurozonenempfehlungen). Mit diesen Empfehlungen soll eine besonders intensive wirtschaftspolitische Koordinierung für die Mitgliedstaaten der Eurozone erreicht werden, da diese über die gemeinsame Geldpolitik in besonderem Maße verflochten sind. Ein weiterer Teil des Herbstpakets ist der sogenannte Frühwarnbericht im Rahmen des makroökomischen Ungleichgewichteverfahrens. In diesem Bericht identifiziert die Kommission gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte, welche aus ihrer Sicht einem reibungslosen Funktionieren der einzelnen Volkswirtschaften, des Euroraums oder der EU insgesamt im Wege stehen können. Mitgliedstaaten, in denen die Kommission solche Ungleichgewichte vermutet, werden in den darauffolgenden Monaten einer vertieften Analyse unterzogen. Deutschland gehört regelmäßig zu der Gruppe von Volkswirtschaften, die von der Kommission vertieft untersucht werden. Grund dafür ist der anhaltend hohe deutsche Leistungsbilanzüberschuss.

Als letztes Element enthält das Herbstpaket Stellungnahmen der Kommission zu den Haushaltsplänen der Mitgliedstaaten, die diese der Kommission bis Mitte Oktober vorlegen. Darin bewertet die Kommission, inwieweit die jeweilige Haushaltsplanung für das kommende Jahr mit den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und den bestehenden Reformempfehlungen in Einklang steht. Durch diesen frühzeitigen Konsultationsprozess, der vor der offiziellen Verabschiedung der Haushaltspläne durch die nationalen Parlamente stattfindet, sollen Unklarheiten und potenzielle Fehlentwicklungen vermieden werden

Dieser Prozess hat dieses Jahr durch die Rückweisung des italienischen Haushaltsplans durch die Kommission besondere Aufmerksamkeit erfahren.

Im Herbst findet außerdem ein enger Konsultationsprozess zwischen der Kommission und den nationalen Regierungen statt. Bei sogenannten Fact-Finding Missions besuchen auf Fachebene Delegierte der Kommission nationale Regierungen und informieren sich über deren Prioritäten sowie über aktuelle Entwicklungen in den Mitgliedstaaten. Am 17. Oktober 2018 hat ein solcher Austausch zwischen Kommission und Bundesregierung im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie stattgefunden.

…es folgt die Veröffentlichung des Winterpakets…

In der Regel zwischen Ende Februar und Anfang März legt die Kommission Länderberichte zu jedem EU-Mitgliedstaat vor. Diese beinhalten ausführliche Analysen der Finanz-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik und zeigen die zentralen Herausforderungen aus Sicht der Kommission auf. Darüber hinaus enthalten die Länderberichte das Ergebnis der vertieften Analysen mit Blick auf ein mögliches makroökonomisches Ungleichgewicht. [1] Deutschland wird seit 2014 durchgehend ein Ungleichgewicht attestiert. Grund für diese Einstufung ist der anhaltend hohe deutsche Leistungsbilanzüberschuss, der 2017 bei 7,9 % und damit im maßgeblichen Dreijahreszeitraum (2015 bis 2017) über der im Verfahren festgelegten Schwelle von 6 % lag. Aus Sicht der Kommission reflektiert der Leistungsbilanzüberschuss nicht nur die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie, sondern auch ein übermäßiges Sparen einerseits und ein begrenztes inländisches Investitionsverhalten andererseits.

… und die Indossierung durch den Europäischen Rat

Im Frühjahr indossiert der Europäische Rat den Jahreswachstumsbericht der Kommission und fordert die Mitgliedstaaten auf, die darin verankerten Prioritäten bei ihrer wirtschafts- und finanzpolitischen Planung zu berücksichtigen. Außerdem billigt der Europäische Rat die Eurozonenempfehlungen.

Nun sind die Mitgliedstaaten gefragt

Bis Ende April müssen die Mitgliedstaaten des Euroraums und die übrigen EU-Mitgliedstaaten der EU-Kommission ihre Stabilitäts- bzw. Konvergenzprogramme vorlegen. Darin stellen sie ihre mittelfristigen Finanzplanungen dar und geben Auskunft darüber, wie sie tragfähige öffentliche Finanzen sicherstellen. Sozusagen als Antwort auf den Länderbericht übermitteln alle Mitgliedstaaten außerdem nationale Reformprogramme an die Kommission. Darin nehmen sie explizit Stellung zu den von der Kommission identifizierten Herausforderungen und erläutern ihre Maßnahmen zur Umsetzung der Reformempfehlungen aus dem Vorjahr (so genannte länderspezifische Empfehlungen). Die Mitgliedstaaten, denen die Kommission ein Ungleichgewicht attestiert hat, erläutern zudem ausführlich, welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen sie ergreifen, um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken.

Die Zielgerade: Das Frühjahrspaket der Kommission

Im Anschluss an die Vorlage der Berichte der Mitgliedstaaten veröffentlicht die Kommission ihre Vorschläge für die sogenannten länderspezifischen Empfehlungen für jeden einzelnen Mitgliedstaat. Dabei handelt es sich um maßgeschneiderte Vorschläge, wie die Mitgliedstaaten Wachstum und Beschäftigung ankurbeln können, ohne die Solidität ihrer Haushalte zu beeinträchtigen. Die Kommission berücksichtigt dabei die Prioritäten aus dem Jahreswachstumsbericht von Beginn des Semesterprozesses. Mit der Einführung der Europäischen Säule sozialer Rechte im vergangenen Jahr werden dabei soziale Aspekte noch stärker als bisher einbezogen.

Neben den Entwürfen zu Reformempfehlungen enthält das Frühjahrspaket eine Einschätzung der Kommission zu den Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen. Darin bewertet die Kommission, inwiefern die nationalen Programme mit den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in Einklang stehen. So kann die Kommission in diesem Zuge beispielsweise das Ende oder auch die Eröffnung eines Defizitverfahrens gegen einen EU-Mitgliedstaat empfehlen.

Im Juni werden die Vorschläge der länderspezifischen Empfehlungen von den Regierungen im Rat erörtert, von den Regierungschefs gebilligt und schließlich von den Finanzministern der EU-Länder verabschiedet. Alle EU-Länder sind damit aufgefordert, die Empfehlungen aufzugreifen und in ihre nationale Reformagenda aufzunehmen. Damit endet offiziell der Semesterprozess.

Ist das Europäische Semester ein Erfolg?

Dem Europäischen Semester kommt als Instrument der wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung in der EU große Bedeutung zu. Der Semesterprozess institutionalisiert einen engen Austausch zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission, hilft mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken und fördert zudem – anhand von „best practice“-Beispielen – auch das Lernen der Mitgliedstaaten untereinander. Der Koordinierungszyklus liefert sowohl für die Kommission als auch für die Mitgliedstaaten Jahr für Jahr einen wertvollen Erkenntnisgewinn. Die tatsächliche Umsetzung der vom Rat empfohlenen Strukturreformen in den Mitgliedstaaten obliegt dann letztlich den nationalen Parlamenten. Die „Umsetzungsquote“ der länderspezifischen Empfehlungen ist in den letzten Jahren allerdings etwas zurückgegangen; das könnte auch eine Folge der wirtschaftlichen Erholung sein. Um auf solche Entwicklungen angemessen reagieren zu können, wird intensiv darüber diskutiert, wie die Koordination von Wirtschafts- und Finanzpolitiken im Europäischen Semester weiter verbessert werden kann. Zu den Vorschlägen gehört neben der Umstellung des Semesters auf einen Zweijahreszyklus auch eine engere Verlinkung der Strukturfonds mit den länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters.

Kontakt: Dr. Sybille Lehwald
Referat: Europäische Wirtschafts- und Währungsfragen

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[1] Die Ungleichgewichte sind in vier Kategorien eingeteilt. „Kein Ungleichgewicht“, „Ungleichgewicht“, „übermäßiges Ungleichgewicht“ und „übermäßiges Ungleichgewicht mit korrektivem Arm“. Deutschland ist somit in der zweituntersten Kategorie eingestuft.

Wirtschaftspolitische Termine des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

November 2018
05.-06.11.Eurogruppe/ECOFIN
06.11.Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (September)
07.11.Produktion im Produzierenden Gewerbe (September)
09.11.Handelsministerrat
14.11.Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage
16.11.ECOFIN-Haushalt
29.11.WBF-Rat
Ende NovemberSchlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website)
Dezember 2018
03.-04.12.Eurogruppe/ECOFIN
06.12.Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Oktober)
07.12.Produktion im Produzierenden Gewerbe (Oktober)
13.12.Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage
19.12.Energieministerrat (TTE)
Ende DezemberSchlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website)
Januar 2019
07.01.Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (November)
08.01.Produktion im Produzierenden Gewerbe (November)
14.01.Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage
21.-22.01.Eurogruppe/ ECOFIN
Ende JanuarSchlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website)

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Der Monatsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist nicht nur als Druckexemplar, sondern auch im Online-Abo als elektronischer Newsletter verfügbar. Sie können ihn unter der nachstehenden Internet-Adresse bestellen: www.bmwi.de/abo-service

Darüber hinaus können auf der Homepage des BMWi auch einzelne Ausgaben des Monatsberichts sowie Beiträge aus älteren Ausgaben online gelesen werden: www.bmwi.de/schlaglichter

Grafik des Monats

Der Rohölpreis…
... ist seit Jahresbeginn kräftig gestiegen, aktuell ist er mehr als doppelt so hoch als noch zu Beginn des Jahres 2016. Mit steigen den Ölpreisen auf dem Weltmarkt zieht auch die Förderung von Schieferöl mit der so genannten Fracking-Methode wieder deutlich an. Das Fracking, das vorwiegend in den USA zum Einsatz kommt, ist eine vergleichsweise teure Methode der Ölproduktion und daher stark abhängig von der Entwicklung der Ölpreise. Besonders deutlich ist dies nach den starken Ölpreisrückgängen in den Jahren 2008 und 2014 zu beobachten, in deren Folge die Anzahl der aktiven Bohrtürme in den USA rapide gesunken ist. Bei den derzeitigen Ölpreisen ist das Fracking aber rentabel und die USA sind aktuell der weltweit größte Ölproduzent, noch vor Saudi-Ara bien und Russland.

Weiterführende Informationen

2. Überblick über die wirtschaftliche Lage

  • Der Aufschwung setzt sich fort. Die Bundesregierung erwartet in ihrer Herbstprojektion für dieses und das kommende Jahr eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von jeweils 1,8 %.
  • Die Erzeugung des Produzierenden Gewerbes wird im laufenden Quartal durch Sondereffekte gedämpft. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe stiegen nach zwei schwachen Monaten an, der Auftragsbestand ist weiterhin sehr hoch. Das Baugewerbe befindet sich in der Hochkonjunktur.
  • Die Entwicklung von Einkommen und Konsumnachfrage der privaten Haushalte bleibt aufwärtsgerichtet. Auch die Stimmung im Handel ist gut.
  • Die Erwerbstätigkeit steigt weiter kräftig und die Arbeitslosigkeit geht spürbar zurück. Strukturelle Probleme am Arbeitsmarkt bleiben aber Herausforderungen.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter im Aufschwung. Die Bundesregierung erwartet gemäß ihrer Herbstprojektion [1] eine Expansion der gesamtwirtschaftlichen Leistung im laufenden und im kommenden Jahr von preisbereinigt jeweils 1,8 %. [2] Dabei wird die solide konjunkturelle Grunddynamik angesichts des etwas weniger anregenden außenwirtschaftlichen Umfelds vor allem durch die starke Binnenwirtschaft gestützt. Überlagert wird dies allerdings durch vorübergehende Produktionsanpassungen bei Herstellern von Personenkraftwagen und ihren Vorleistern. Dies ist Folge der Umstellung auf den neuen Abgastestzyklus WLTP, der ab 1. September verbindlich ist und einen Zulassungsstau bei Pkw-Typen auslöste. Der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Leistung wird dadurch im dritten Quartal etwas gedämpft. Mit der allmählichen Auflösung des Zulassungsstaus dürfte sich die Konjunktur im vierten Quartal wieder beschleunigen. Die jüngsten Indikatoren für die Industrie und für die Gesamtwirtschaft sprechen allesamt dafür, dass der Aufschwung der deutschen Wirtschaft auf einem soliden Fundament steht. Wichtige binnenwirtschaftliche Auftriebskräfte entfalten unverändert ihre Wirkung: Die Beschäftigung und Einkommen erhöhen sich weiter kräftig. Insbesondere in den Dienstleistungsbereichen nimmt die Wertschöpfung weiter zu und die Bauwirtschaft boomt. Für das kommende Jahr sind kräftige Impulse durch die Umsetzung der Koalitionsvereinbarungen zu erwarten.

Aus dem weltwirtschaftlichen Umfeld kommen gegenwärtig geringere Impulse. Hierauf weisen Indikatoren für den globalen Handel und die globale Industrieproduktion hin. Bei unterschiedlicher Entwicklung in den Schwellenländern kommt die etwas verlangsamte Dynamik der industriellen Erzeugung vor allem aus den entwickelten Volkswirtschaften. Der gegenwärtig schwache Welthandel geht demgegenüber auf geringere Handelsströme der Schwellenländer insbesondere in Asien zurück. Der IHS Markit Global Composite PMI gab im September den dritten Monat in Folge nach und der ifo Index zum Weltwirtschaftsklima verschlechterte sich für das dritte Quartal 2018 erneut. Vor diesem Hintergrund gehen die internationalen Organisationen in ihren jüngsten Prognosen weiter von einer zwar positiven, aber gegenüber früheren Einschätzungen abgeschwächten Entwicklung der Weltwirtschaft aus.

Unter dem schwierigeren außenwirtschaftlichen Umfeld leiden grundsätzlich auch die deutschen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen. Im August gingen die Exporte saisonbereinigt und in jeweiligen Preisen leicht um 0,6 % zurück. Im stabileren Dreimonatsvergleich erhöhten sich die Ausfuhren nominal deutlich um 1,0 %, preisbereinigt dürfte der Zuwachs jedoch etwas geringer ausfallen. Die ifo Exporterwartungen sind weiterhin abwartend niedrig und deuten noch nicht auf eine deutliche Belebung der Ausfuhren hin. Die nominalen Importe von Waren und Dienstleistungen waren von März dieses Jahres bis Juli aufwärtsgerichtet. Im August nahmen sie saisonbereinigt um 1,8 % ab. Im Dreimonatsvergleich betrug der Anstieg der Importe 3,6 %. Auch preisbereinigt dürften sich die Importe deutlich positiv entwickelt haben.

Im Produzierenden Gewerbe hat sich der Produktionsrückgang der beiden Vormonate im August merklich verlangsamt, obwohl die eingangs erwähnten Sondereffekte in der Kfz-Industrie noch Einfluss hatten. Die Erzeugung in der Industrie nahm im August dennoch lediglich um 0,1 % ab, im Zweimonatsvergleich Juli/August gegenüber Mai/Juni verringerte sich der Produktionsausstoß jedoch um 2,2 %. Die Produktion im Baugewerbe wurde im gleichen Zeitraum um 0,7 % eingeschränkt. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe nahmen nach Rückschlägen in den beiden Vormonaten im August demgegenüber um 2,0 % zu, bei kräftigen Auftragszuwächsen in der Kfz-Industrie. Allerdings lagen die Bestellungen im Zweimonatsvergleich bei einem Rückgang um 1,9 % noch deutlich im Minus. Hier dürften sich auch weiterhin die geringere Dynamik des Welthandels und die gestiegene Unsicherheit durch die Handelskonflikte bemerkbar machen. Dennoch dürfte sich die Industriekonjunktur mit der allmählichen Auflösung des Zulassungsstaus im vierten Quartal erholen. Die seit Februar auf den höchsten Wert gestiegenen Geschäftserwartungen zeugen von Zuversicht. Das sehr gute Auftragspolster mit einer Reichweite von 5,6 Monaten gibt Sicherheit. Das Baugewerbe arbeitet nahe seiner Kapazitätsgrenzen, sein Boom dürfte anhalten.

Die gute Entwicklung des Arbeitsmarkts und kräftige Lohnzuwächse sorgen dafür, dass der private Konsum eine wichtige Stütze der deutschen Konjunktur bleibt. Die Bundesregierung erwartet in ihrer Herbstprojektion eine Ausweitung der privaten Konsumausgaben um 1,6 % im laufenden und um weitere 2,0 % im kommenden Jahr. Am aktuellen Rand deuten die Umsätze im Einzelhandel auf eine etwas langsamere Gangart hin, nach einem schwachen Start ins dritte Quartal sanken sie im August erneut leicht um 0,3 %. Die Umsätze im Kfz-Handel gingen im Juli ebenfalls zurück. Durch die Zulassungsprobleme bei Pkw sind auch die Neuzulassungen privater Kfz im September stark zurückgegangen (-32,8 % im Vergleich zum Vormonat). Für eine positive Entwicklung des privaten Konsums in den kommenden Monaten sprechen neben dem Anstieg der Einkommen die Stimmungsindikatoren. Sowohl das ifo Geschäftsklima für den Einzelhandel als auch das Konsumklima der Verbraucher haben sich im September verbessert.

Am Arbeitsmarkt hält die positive Entwicklung an. Die Erwerbstätigkeit erhöhte sich im August saisonbereinigt um 31.000 Personen; auf Jahresfrist betrug der Anstieg 1,3 %. Im Juli lag der Zuwachs bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit 77.000 Personen über dem Niveau der letzten Monate. Auch wenn sich die Frühindikatoren im September unterschiedlich entwickelten, signalisieren sie eine anhaltend starke Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften. Die Zahl der Arbeitslosen sank im September saisonbereinigt um 23.000 Personen; in Ursprungszahlen verringerte sie sich nach dem Ende der Ferienzeit auf 2,26 Mio. Personen. Langfristige Herausforderungen bleiben die Eindämmung der Langzeitarbeitslosigkeit und die Stärkung der Wirtschaftskraft strukturschwacher Regionen.

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[1] Die Herbstprojektion 2018 der Bundesregierung vom 11. Oktober 2018 wird in einem separaten Kapitel in dieser Ausgabe der SdW ausführlich dargestellt.
[2] In diesem Bericht werden Daten verwendet, die bis zum 16. Oktober 2018 vorlagen. Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich um Veränderungsraten gegenüber der jeweiligen Vorperiode auf Basis preisbereinigter, kalender- und saisonbereinigter Daten.

Weiterführende Informationen

3. Aufschwung setzt sich fort

Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, hat am 11. Oktober 2018 die Herbstprojektion der Bundesregierung vorgestellt. Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft setzt sich fort. Die privaten und staatlichen Konsumausgaben sowie die Investitionen tragen den Aufschwung. Das Expansionstempo bleibt hoch, es normalisiert sich aber allmählich. Risiken für die Konjunktur bestehen insbesondere im außenwirtschaftlichen Umfeld. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,8 % zunehmen. Für das Jahr 2019 rechnet die Bundesregierung mit einem Wachstum von ebenfalls 1,8 %.

Das Wichtigste in Kürze

Die deutsche Wirtschaft verzeichnete in der ersten Jahreshälfte 2018 weiterhin ein kräftiges Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Allerdings wurde die starke Dynamik des zweiten Halbjahres 2017 nicht ganz gehalten; vor allem die Weltwirtschaft entwickelte sich im ersten Halbjahr des laufenden Jahres weniger dynamisch. Eine ähnliche Entwicklung zeigten auch andere fortgeschrittene Volkswirtschaften – insbesondere im Euroraum –, aber auch einige große Schwellenländer. Die bestehenden Handelskonflikte dürften dabei eine Rolle gespielt haben. Der Welthandel stagniert sogar seit Jahresbeginn. Dies führte zu einer nur zögerlichen Ausweitung der deutschen Ausfuhren und einem spürbar negativen Wachstumsbeitrag des Außenhandels im ersten Halbjahr. Angesichts der anhaltend guten Finanzierungskonditionen und der hohen Kapazitätsauslastung in der Industrie haben die Unternehmen dennoch kräftig in Ausrüstungen investiert. Gleichzeitig entwickelten sich die Bauinvestitionen im ersten Halbjahr 2018 sehr dynamisch. Auch die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich weiter fortgesetzt. So ist von Januar bis August die saisonbereinigte Beschäftigung in Deutschland um über 350 000 Personen gestiegen. Die damit und mit der guten Lohnentwicklung verbundenen Einkommenssteigerungen sorgten für eine lebhafte private Konsumnachfrage. Im Gesamtbild blieb der Aufschwung daher in Deutschland kräftig, wenn auch weniger stark als im Frühjahr angenommen.

Die grundsätzlich sehr positive Entwicklung wird sich im laufenden und in den kommenden Jahren fortsetzen. Nach Einschätzung der Bundesregierung wird das BIP in diesem und im kommenden Jahr mit einem Anstieg von jeweils 1,8 % (preisbereinigt) wachsen. Die Beschäftigung wird in diesem Jahr um 590 000 Personen und im Jahr 2019 noch einmal um 400 000 Personen zunehmen. Gleichzeitig steigen aufgrund von spürbaren Lohnsteigerungen und von Entlastungen die verfügbaren Einkommen der Haushalte. Die Inflation zieht zwar weiter an, dennoch bleibt der reale private Konsum eine wichtige Stütze der Konjunktur.

Die Weltwirtschaft wird im laufenden und im kommenden Jahr mit ähnlichem Tempo wie im vergangenen Jahr wachsen. Dies legt auch die jüngste Prognose des Internationalen Währungsfonds nahe. Die Investitionen in Deutschland werden ihr Expansionstempo nahezu halten. Insgesamt dominieren im Prognosehorizont weiterhin die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte. Im kommenden Jahr erhalten die privaten Konsumausgaben durch die Umsetzung des Koalitionsvertrages, z.B. durch die Erhöhung des Kindergeldes, die Ausweitung der Mütterrente oder die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung des Zusatzbeitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung, zusätzlichen Auftrieb. Die Exporte liefern weiter wichtige Wachstumsbeiträge, doch die starke Inlandsnachfrage und die damit einhergehenden Importsteigerungen führen dazu, dass vom Außenhandel – rein rechnerisch – im Projektionszeitraum leicht negative Wachstumsbeiträge zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund wird sich der Leistungsbilanzüberschuss – gemessen an der nominalen Wirtschaftsleistung – bis zum Jahr 2019 weiter auf 7,1 % verringern. Die deutsche Volkswirtschaft bewegt sich im Prognosezeitraum am Rande einer leichten Überauslastung. In einigen Bereichen der Wirtschaft, beispielsweise in der Baubranche, machen sich Knappheiten bereits bemerkbar.

Für das laufende Jahr liegt die Projektion der Bundesregierung geringfügig über der von den Forschungsinstituten erstellten Gemeinschaftsdiagnose (Letztere liegt bei 1,7 % für 2018). Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass bei der Erstellung der Herbstprojektion die jüngsten Konjunkturindikatoren berücksichtigt werden konnten, allen voran die zuletzt wieder günstigeren Daten für die Auftragseingänge in der Industrie und für den Arbeitsmarkt. Für das kommende Jahr liegt die Herbstprojektion der Bundesregierung angesichts der zahlreichen außenwirtschaftlichen Risiken geringfügig unterhalb der Prognose der Institute.

Aktuelle Entwicklungen seit der Frühjahrsprojektion

In der Frühjahrsprojektion vom 25. April war die Bundesregierung für dieses Jahr von einem BIP-Wachstum von 2,3 % ausgegangen. Auch für das Jahr 2019 schätzte sie die konjunkturelle Dynamik mit einem erwarteten Anstieg von 2,1 % höher ein als in der aktuellen Herbstprojektion. Die Einschätzung lag damals im Prognosespektrum von Instituten und internationalen Organisationen. Die Entwicklung des BIP im ersten Quartal mit preis-, kalender- und saisonbereinigt +0,4 % gegenüber dem Vorquartal wurde durch die Bundesregierung im Frühjahr korrekt vorausgeschätzt. Die schwächere Dynamik im weiteren Jahresverlauf war allerdings auf Basis der damaligen Datenlage nicht absehbar.

Die Weltwirtschaft hat seit dem Jahreswechsel merklich an Schwung verloren. Die Weltindustrieproduktion lag im Juli 2,9 % über dem Vorjahresniveau, während die entsprechende Rate zu Jahresbeginn 4,1 % betrug. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Welthandel, wo die aktuelle Expansionsrate von 4,3 % deutlich unter der Rate vom Januar von 5,7 % lag. Die bestehenden Handelskonflikte dürften bei der zögerlichen internationalen Wirtschaftsentwicklung eine Rolle gespielt haben. In Zeiten zunehmender Unwägbarkeiten verhalten sich zum Beispiel Investoren zurückhaltender; dies hat Auswirkungen auf die Produktion und den Handel. Der Internationale Währungsfonds hat seine Einschätzung vom Juli für die Weltwirtschaft auch deshalb jüngst spürbar nach unten korrigiert (siehe Kasten 1), insbesondere für die für Deutschland so wichtige Eurozone.

Hinzu kommen nationale Sonderentwicklungen. Die Industriekonjunktur hat im ersten Halbjahr nicht nur angesichts der weltwirtschaftlichen Eintrübung gestockt, sondern auch wegen der Umstellung auf ein neues Testverfahren für Emissionen und Verbrauch von Pkw (WLTP), das ab dem 1. September 2018 für alle Neuzulassungen verbindlich wird. Der aufwendigere Prüfzyklus hat zu einem Zulassungsstau geführt. Die Hersteller haben hierauf teilweise mit Produktionsanpassungen reagiert. Die im Jahresverlauf schwachen Auftragseingänge sowie die Sonderentwicklung im Automobilsektor sprechen dafür, dass die Industriekonjunktur im dritten Quartal noch sehr verhalten bleibt. Es ist aber davon auszugehen, dass sich dieser Zulassungsstau im Verlauf des vierten Quartals allmählich auflöst. Die Belebung der Auftragseingänge im August und die Aufhellung der Erwartungen des Ifo-Geschäftsklimas für das Verarbeitende Gewerbe weisen bereits auf eine Erholung im vierten Quartal hin. Auch die weiterhin guten jüngsten Daten vom Arbeitsmarkt sprechen dafür, dass die Verlangsamung der Industriekonjunktur zum Jahresende hin überwunden wird.

Für die Korrektur der Wachstumserwartungen für das Jahr 2018 spielten des Weiteren Datenrevisionen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen durch das Statistische Bundesamt eine Rolle. Durch den korrigierten Verlauf des Wachstums im Jahr 2017 wurde die Ausgangsbasis für das Jahr 2018 ungünstiger. Dieser eher technische statistische Effekt verringert die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate für 2018 allein um zwei Zehntel-Prozentpunkte gegenüber dem Datenstand bei der Frühjahrsprojektion.

Alles in allem signalisieren die Konjunkturindikatoren für das zweite Halbjahr insgesamt eine weitere leichte Wachstumsabschwächung gegenüber dem ersten Halbjahr, trotz der Belebung im vierten Quartal.

Zu Beginn des kommenden Jahres dürfte die Konjunktur temporär anziehen, da mit Jahresbeginn viele Maßnahmen des Koalitionsvertrages in Kraft treten werden, die die Konjunktur anregen. Die konjunkturelle Grunddynamik dürfte sich aber in der Gesamtbetrachtung weiter normalisieren. Das Wachstum der Weltwirtschaft wird sich über den Prognosezeitraum geringfügig abschwächen und mit ihr auch die Dynamik und die Impulse der deutschen Absatzmärkte. Im Inland wird die Ausweitung der Produktionskapazitäten zunehmend durch das knapper werdende Arbeitskräfteangebot begrenzt. Insgesamt dürfte die Zunahme der Wirtschaftsleistung kräftig bleiben. Im weiteren Verlauf wird sich die Konjunktur allmählich geringfügig verlangsamen und damit dem Wachstumstempo des Produktionspotenzials annähern.

Annahmen der Herbstprojektion 2018

In Übereinstimmung mit den Prognosen internationaler Organisationen wird für die Weltwirtschaft ein Wachstum in Höhe von 3 ¾ % für dieses und kommendes Jahr erwartet. Dies entspricht weitgehend der jüngsten Prognose des Internationalen Währungsfonds, die kurz nach Abschluss der Rechnung der Herbstprojektion veröffentlicht wurde.

Für die Entwicklung des Ölpreises wird eine technische Annahme auf Basis von Terminnotierungen zum Zeitpunkt des Projektionsabschlusses getroffen. Demnach ist für dieses Jahr von einem durchschnittlichen Rohölpreis für ein Fass der Sorte Brent von 74 US-Dollar auszugehen, der im Folgejahr leicht auf 76 US-Dollar steigen wird.

Die Wechselkurse werden im Projektionszeitraum mit ihren jeweiligen Durchschnitten der letzten sechs Wochen vor der Prognoseerstellung als konstant unterstellt. Für den Wechselkurs ergeben sich damit für die Jahre 2018 und 2019 Werte von 1,19 bzw. 1,16 US-Dollar je Euro. Darüber hinaus wird angenommen, dass der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte der Europäischen Zentralbank bis zum Ende des Projektionszeitraums konstant bei 0,00 % bleibt.

In der Herbstprojektion wird davon ausgegangen, dass es im Projektionszeitraum zu keinen weiter als bisher eingeführten Zollerhöhungen kommt. Zudem wird angenommen, dass kein sprunghafter Anstieg der Verunsicherung eintritt. Hierzu könnte es beispielsweise im Zuge der Brexit-Verhandlungen oder im Falle von Währungskrisen in Schwellenländern kommen. Zudem wird angenommen, dass der Finanzsektor stabil bleibt und sich keine weitere Eskalation geopolitischer Risiken ergibt.

Bei der Projektion wurden wie üblich alle bereits beschlossenen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen berücksichtigt.

Leichte Wachstumsabschwächung im Ausland

Im Projektionszeitraum dürfte sich das Wachstum der Weltwirtschaft von 3 ¾ % im Jahr 2018 auf etwa 3 ½ % im Jahr 2019 geringfügig abschwächen. Für die Vereinigten Staaten gehen wir von einem relativ starken Wachstum von etwas über 2 ½ % aus. Im Zuge der schwächeren Weltwirtschaft haben sich auch in der Eurozone die wirtschaftlichen Perspektiven verschlechtert. Dennoch dürfte das BIP der Eurozone weiter deutlich wachsen. Der Aufschwung im europäischen Umfeld steht weiter auf breitem Fundament, auch wenn insbesondere durch den Brexit-Prozess erhebliche Risiken bestehen. In den Schwellenländern ist die Entwicklung sehr heterogen. Einige Schwellenländer leiden unter Verfall ihrer Währungen und Kapitalabfluss, sodass sich auch hier außenwirtschaftliche Risiken ergeben.

Insgesamt nimmt die Dynamik der deutschen Absatzmärkte, insbesondere wegen der etwas geringeren Wachstumsdynamik in den entwickelten Volkswirtschaften, im Projektionszeitraum leicht ab.

Für das laufende Jahr wird mit einem für einen Aufschwung eher gemäßigten Zuwachs der Exporte von Waren und Dienstleistungen in Höhe von preisbereinigt 2,8 % und im Jahr 2019 in Höhe von 3,7 % gerechnet. Aufgrund der hohen Binnennachfrage sowie wegen des weiterhin hohen Importgehalts der Exporte werden die Importe im Projektionszeitraum mit einer höheren Rate zunehmen als die Exporte. Die preisbereinigten Importe steigen in diesem Jahr um 3,6 % und im Jahr 2019 um 4,9 %. Betrachtet man Ex- und Importe gemeinsam, so gehen vom Außenhandel für die deutsche Volkswirtschaft im Projektionszeitraum rein rechnerisch leicht negative Wachstumsimpulse aus.

In diesem Jahr dürfte sich durch die stärker steigenden Importpreise, insbesondere durch die preisliche Erholung bei den Rohstoffen, ein negativer Terms-of-Trade-Effekt ergeben. Für das nächste Jahr wird sich das Verhältnis von Ex- und Importpreisen nur geringfügig verändern. Aus den Preiseffekten und der starken deutschen Importnachfrage ergibt sich in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt ein Rückgang des Leistungsbilanzüberschusses von 7,9 % im Jahr 2017 auf 7,6 % im laufenden und 7,1 % im Jahr 2019.

Investitionsanstieg setzt sich fort

Die Investitionstätigkeit war bereits in den vergangenen beiden Jahren eine wichtige Stütze für das Wachstum in Deutschland. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie ist überdurchschnittlich hoch und die Finanzierung möglicher Projekte bleibt angesichts der niedrigen Zinsen weiterhin günstig. Trotz volatiler Auftragseingänge zeugt der nach wie vor hohe Bestand im Verarbeitenden Gewerbe von einer weiterhin guten Auftragslage. Insofern wurden die Investitionen in der Gesamtwirtschaft trotz stagnierender Produktion im ersten Halbjahr um 5,1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesteigert. Für das Gesamtjahr 2018 wird ein jahresdurchschnittlicher Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen von 4,5 % erwartet. Wegen des bereits erfolgten deutlichen Ausbaus der Kapazitäten und den gestiegenen außenwirtschaftlichen Unsicherheiten werden die Ausrüstungsinvestitionen im Jahr 2019 mit 2,6 % etwas weniger stark expandieren.

Auch die Bauinvestitionen haben sich im ersten Halbjahr sehr dynamisch entwickelt. Die Nachfrage nach Wohnraum, insbesondere in den Ballungsräumen, bleibt weiterhin hoch. Angesichts der günstigen Kreditkonditionen und einer positiven Einkommensentwicklung werden die Investitionen in Wohnbauten in diesem Jahr um 3,0 % zunehmen. Im kommenden Jahr dürfte die Nachfrage nach Baudienstleistungen nicht zuletzt durch die verstärkten öffentlichen Bauinvestitionen auch infolge der Umsetzung des Koalitionsvertrages deutlich zunehmen. Auch die hohe private Nachfrage nach Bauinvestitionen dürfte anhalten. Allerdings werden Angebotsknappheiten in der Bauwirtschaft immer deutlicher sichtbar, zum Beispiel in Form von Fachkräftemangel und steigenden Baupreisen. Für das nächste Jahr ist somit alles in allem mit einem weiteren Zuwachs von ebenfalls 3,0 % zu rechnen.

Die sonstigen Anlageinvestitionen entwickeln sich seit einigen Jahren sehr volatil. Sie umfassen im Wesentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Software, Datenbanken sowie andere immaterielle Anlagegüter und haben insgesamt an Bedeutung gewonnen. Sie werden auch im weiteren Prognosezeitraum mit Raten von 0,6 % in diesem und 1,9 % im kommenden Jahr steigen.

Alles in allem werden die Bruttoanlageinvestitionen recht deutlich um 3,0 % in diesem Jahr und 2,7 % im kommenden Jahr ausgeweitet. Die Investitionsquote – also die nominalen Bruttoanlageinvestitionen in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt – wird bis 2019 auf 21,1 % steigen. Im Jahr 2016 lag diese noch bei 20,1 %.

Arbeitsmarkt weiter dynamisch

Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt setzt sich im Prognoseverlauf fort. Dies gilt insbesondere für den kräftigen Aufwärtstrend der Beschäftigung. Die Erwerbstätigkeit dürfte sich im laufenden Jahr um 590 000 Personen erhöhen und auch im Folgejahr mit einem Anstieg von knapp 400 000 Personen spürbar zunehmen. Im Ergebnis wird das Beschäftigungsniveau im Jahr 2019 eine neue Rekordmarke von jahresdurchschnittlich 45,3 Mio. Personen erreichen. Dabei wird vor allem die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kräftig ausgeweitet, während die Zahl der Minijobber und der Selbständigen weiter zurückgeht.

Mit der positiven Entwicklung der Beschäftigung setzt sich auch der Rückgang der Arbeitslosigkeit fort. Allein in diesem Jahr ist ein Rückgang um weitere 185 000 Personen zu erwarten. Im Jahr 2019 wird die Zahl der Arbeitslosen um weitere 110 000 Personen sinken. Die Arbeitslosenquote verringert sich damit im Jahresdurchschnitt 2019 auf 5,0 %, womit Deutschland zu den Ländern mit der niedrigsten Erwerbslosigkeit in Europa gehört.

Während die Nachfrage nach Arbeitskräften weiterhin sehr hoch ist, zeichnen sich in einigen Bereichen der Wirtschaft bereits angebotsseitige Restriktionen ab. Immer mehr Unternehmen melden Rekrutierungsprobleme, die Dauer bis zur Stellenbesetzung steigt und die Zahl offener Stellen liegt auf Rekordniveau. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird sich diese Problematik in den kommenden Jahren verschärfen. Bisher konnte der demografisch bedingte Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials durch die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren sowie durch die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland kompensiert werden. Angesichts zurückgehender Zuwanderung nach Deutschland und bereits hoher Erwerbsquoten großer Personengruppen wird das Potenzial für weitere Beschäftigungszunahmen in den kommenden Jahren allerdings zunehmend an seine Grenzen geraten.

Anziehende Preisdynamik

Die Entwicklung der Verbraucherpreise war bis zuletzt von der Bewegung der Energiepreise dominiert. Seit dem Tiefststand im Januar 2016, als ein Fass der Sorte Brent zwischenzeitlich nur 28 US-Dollar kostete, hat sich der Rohölpreis deutlich erhöht. Für den weiteren Prognoseverlauf ist auf Basis von Terminkontrakten nur ein allmählicher Rückgang zu erwarten (siehe Kasten 1). Vor diesem Hintergrund haben sich die Verbraucherpreise wieder stärker als in den zurückliegenden Jahren erhöht. Für dieses Jahr ist mit einem Anstieg der Inflationsrate auf 1,9 % zu rechnen. Für das kommende Jahr wird die Rate mit 2,0 % etwas höher liegen. Insbesondere die Verteuerung der Mieten schlägt hier zu Buche. Die Kerninflation, also die Entwicklung der Verbraucherpreise unter Ausschluss der volatilen Energie- und Lebensmittelpreise, steigt ebenfalls an. Die Rate steigt von 1,4 % im Jahr 2017 auf 1,8 % im Jahr 2019 und liegt damit permanent über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre.

Kräftig steigende Einkommen

Angesichts der weiterhin positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben sich die Tarifpartner in den zurückliegenden Verhandlungsrunden auf kräftige Lohnzuwächse geeinigt. Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer werden daher in diesem Jahr um 3,0 % und im kommenden Jahr etwas stärker um 3,1 % steigen. In diesem Jahr dürften die Nettolöhne je Arbeitnehmer mit 2,7 % aufgrund der Progression im Einkommensteuertarif etwas weniger stark zunehmen als die Bruttogröße. Im nächsten Jahr treten hingegen eine Vielzahl von entlastenden Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag in Kraft (z.B. paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung). Daher nehmen die Nettolöhne je Arbeitnehmer im Jahr 2019 mit 3,8 % besonders kräftig zu. Auch nach Abzug der Inflationsrate nehmen die Nettoreallöhne im Jahr 2018 um 0,7 % und im Jahr 2019 mit 1,8 % kräftig zu. Die Lohnquote steigt bis zum Jahr 2019 leicht auf 69 %.

Die monetären Sozialleistungen werden in diesem Jahr um 3,2 % ausgeweitet. Mit der Erhöhung des Kindergeldes, der Ausweitung der Mütterrente und weiteren Maßnahmen des Koalitionsvertrages steigen die monetären Sozialleistungen auch im Jahr 2019 weiterhin recht kräftig um 5,2 %. Die Gewinn- und Vermögenseinkommen der privaten Haushalte entwickeln sich nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase zunächst noch schleppend.

Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte nehmen in diesem Jahr somit in der Summe um 3,6 % und im kommenden Jahr um 3,9 % zu.

Die dynamische Beschäftigungsentwicklung und steigende Einkommen der privaten Haushalte führen zu einer weiterhin lebendigen Konsumnachfrage. Der private Verbrauch wird im Jahr 2018 um 1,6 % und im Folgejahr um 2,0 % zunehmen und damit einen maßgeblichen Wachstumsbeitrag liefern. Rechnerisch ist etwa die Hälfte des Anstiegs des BIP auf den Zuwachs der privaten Konsumausgaben zurückzuführen.
Keine Überhitzung der Wirtschaft in Sicht

Die deutsche Wirtschaft befindet sich aktuell noch im Bereich der Normalauslastung. Im Rahmen des konjunkturellen Aufschwungs wächst die Wirtschaftsleistung allerdings etwas schneller als das geschätzte Produktionspotenzial, das im mittelfristigen Projektionszeitraum (2018-2023) um durchschnittlich 1,6 % pro Jahr zunimmt. Im Ergebnis werden die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten im weiteren Prognoseverlauf teilweise leicht überausgelastet sein. Die so genannte Produktionslücke, die die tatsächliche Wirtschaftsleistung zum Produktionspotenzial in Beziehung setzt, steigt bis zum Jahr 2020 auf lediglich 0,7 %. Eine Überhitzung der deutschen Volkswirtschaft zeichnet sich damit nicht ab.

Chancen und Risiken

Die dargestellte Herbstprojektion stellt aus Sicht der Bundesregierung den wahrscheinlichsten Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung für Deutschland dar.

Mögliche Risiken bestehen insbesondere im außenwirtschaftlichen Umfeld. Das primäre Risiko ist ein eskalierender Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und deren Handelspartnern. Auch der ungewisse Verlauf und Ausgang der Brexit-Verhandlungen könnte die konjunkturelle Entwicklung in der Europäischen Union belasten. Die weitere Straffung der US-Geldpolitik könnte zu Kapitalabflüssen aus den Schwellenländern führen. Einzelne dadurch verursachte Währungskrisen sind nicht auszuschließen. Im Inland könnte der dynamische Beschäftigungsaufschwung stärker und früher durch die demografische Entwicklung gebremst werden.

Andererseits existieren auch Aufwärtsrisiken. Sollten sich zum Beispiel die Handelskonflikte auflösen, wäre ein kräftigeres Anziehen der Ausfuhren und der heimischen Investitionen zu erwarten.

Kontakt: Mathias Kesting
Referat: Beobachtung, Analyse und Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

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[1] Die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Herbstprojektion bilden die Grundlage für die Steuerschätzung vom 23. bis 25. Oktober 2018. Als gemeinsamer Orientierungsrahmen dienen sie der Aufstellung der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen. Die Schätzung des Produktionspotenzials und die Mittelfristprojektion liefern die gesamtwirtschaftlichen Grundlagen für die Berechnung des zulässigen Verschuldungsspielraums gemäß der in der Verfassung verankerten Schuldenregel.

Weiterführende Informationen

4. Deutschland bekämpft Bestechung im Ausland: Vierter Bericht der OECD zur Umsetzung des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Auslandsbestechung veröffentlicht

Die „Anti Bribery Convention“ der OECD ist eines der bedeutendsten Instrumente der internationalen Korruptionsbekämpfung. Sie verpflichtet Vertragsstaaten, die Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe zu stellen. Die OECD stellt Deutschland im vierten Bericht zum Umsetzungsstand ein überwiegend positives Zeugnis aus und lobt Deutschland als eines der weltweit aktivsten Länder bei der Bekämpfung der Auslandsbestechung.

Im Dezember 2017 feierte die OECD das 20-jährige Bestehen des Übereinkommens über die Bekämpfung ausländischer Amtsträger („Anti Bribery Convention“). Deutschland hat sich dem Übereinkommen von Beginn an verpflichtet. Auch wenn die (aktive) Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr nur einen kleinen Teil der Korruption insgesamt abdeckt, sind die Auswirkungen des Übereinkommens weitreichend. Zentral ist dabei vor allem ein rigoroser Evaluierungsmechanismus, der mittlerweile in die vierte Runde gegangen ist. Auch Deutschland hat sich jüngst zum vierten Mal der Evaluierung seiner Umsetzungsanstrengungen unterzogen.

Was hat die OECD mit der Bekämpfung der Auslandsbestechung zu tun?

Ziel der OECD ist es, Politikempfehlungen zu geben, um das wirtschaftliche und soziale Wohl der Bürger in ihren Mitgliedstaaten zu fördern. Sie erstellt hierfür vor allem Analysen und Prognosen sowie Berichte zu wirtschaftspolitischen Aspekten.

Neben ihren massiven negativen gesellschaftlichen und sozialen Auswirkungen bremst Korruption wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung und untergräbt das Vertrauen in staatliche Organe, im Inland wie im Ausland. Vor allem grenzüberschreitende Bestechung läuft damit den Kernzielen der OECD zuwider.

Die Bekämpfung der Auslandsbestechung begann in den 1970er Jahren: US-Behörden verfolgten auf Grundlage des Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) Unternehmen wegen Auslandsbestechungstaten. Bis dahin war es – nicht nur in den USA – weit verbreitet, dass Unternehmen im Auslandsgeschäft versuchten, ihre Chancen bei Aufträgen durch die Zahlung von Bestechungsgeldern zu erhöhen. Die amerikanischen Unternehmen sahen es jedoch als erheblichen Wettbewerbsnachteil an, dass sie für solche Zahlungen sanktioniert wurden, während Mitbewerber aus anderen Ländern straffrei agieren konnten. Denn in den meisten Ländern waren die Bestechung im Auslandsgeschäft und vor allem die Bestechung ausländischer Amtsträger anders als in den USA nicht strafbar. Überwiegend konnten Bestechungszahlungen sogar steuerlich abgesetzt werden. Auf Initiative der USA wurde daher im Rahmen der OECD begonnen, international geltende Standards zur Bekämpfung der Auslandsbestechung zu erarbeiten.

Im Ergebnis wurde im Jahr 1997 das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr beschlossen. Ziel der Konvention war und ist es, im internationalen Geschäftsverkehr faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Fairen Wettbewerb kann es gerade im internationalen Geschäftsleben nur geben, wenn für alle Unternehmen die gleichen Regeln gelten, also die Bestechung ausländischer Amtsträger in allen OECD-Staaten sanktioniert wird.

Der Inhalt des OECD-Übereinkommens

Das OECD-Übereinkommen verpflichtet dazu, die aktive Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe zu stellen. Die Bestechlichkeit hingegen, also die Strafbarkeit der Annahme von Bestechungszahlungen, klammert das Übereinkommen aus. Ebenso wird die Bestechung anderer Empfänger nicht berücksichtigt. Neben der Strafbarkeit der Bestechungshandlung an sich verpflichtet das Übereinkommen seine Vertragsstaaten unter anderem dazu, in Bestechungshandlungen involvierte Unternehmen zu sanktionieren.

Das Übereinkommen wurde im Jahr 2009 durch eine Empfehlung des OECD-Rates zur weiteren Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger ergänzt. Die Empfehlung macht unter anderem genauere Vorgaben zur steuerlichen (Nicht-)Abzugsfähigkeit von Bestechungszahlungen, zu Buchführungspflichten sowie zu Maßnahmen der Korruptionsprävention in Unternehmen. So gibt die Empfehlung Unternehmen Leitlinien für interne Kontrollsysteme, Ethikstandards und Compliance vor.

Die Umsetzung des Übereinkommens in Deutschland

Deutschland hat das OECD-Übereinkommen im Jahr 1998 als einer der ersten Staaten unterzeichnet. Die Ratifizierung folgte, nachdem man mit dem Gesetz zur Bekämpfung der internationalen Bestechung die notwendigen Voraussetzungen geschaffen hatte und insbesondere die Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe gestellt hatte. In engem zeitlichen Zusammenhang wurde zudem der steuerliche Abzug von Bestechungszahlungen an ausländische Amtsträger untersagt. Mittlerweile ist die Bestechung ausländischer Amtsträger in den §§ 334, 335a des Strafgesetzbuchs geregelt.

Das Übereinkommen haben alle Mitgliedstaaten der OECD sowie mittlerweile acht weitere Staaten unterzeichnet. Die Unterzeichnung ist Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der OECD. Entsprechend dem Sinn und Zweck des Übereinkommens ist es außerdem konsequent, den Beitritt zum Übereinkommen auch Staaten zu ermöglichen, die nicht Mitglied der OECD sind. Faire Wettbewerbsbedingungen sind nur zu erreichen, wenn möglichst alle führenden Wirtschaftsnationen die Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe stellen und diese Straftaten tatsächlich verfolgen. Daher wird im Rahmen der OECD, aber unter anderem auch auf Ebene der G20 darauf hingearbeitet, weitere Staaten zur Zeichnung des OECD-Übereinkommens zu bewegen, so vor allem die Volksrepublik China, Indonesien und Indien.

Die Überwachung der Umsetzung

Das Übereinkommen sieht vor, dass sich die Vertragsstaaten gegenseitig evaluieren. Vorgegeben ist ein so genanntes „Peer-review“, in dem jeweils zwei Staaten einen weiteren evaluieren. Solche Peer-review-Verfahren sind auf internationaler Ebene ein übliches Mittel, um die Umsetzung internationaler Vorgaben zu überwachen. Grundlage der Evaluierung sind umfangreiche Fragebögen sowie ein Besuch der Evaluierungsexperten im jeweiligen Staat. Bei diesem Besuch werden über eine Woche hinweg Gespräche mit den verschiedenen Akteuren geführt, die in die Bekämpfung der Auslandsbestechung involviert sind – unter anderem Vertreter von Ministerien, Strafverfolgungsbehörden und aus der Wirtschaft.

Um die regelmäßigen Evaluierungen zu gewährleisten, wurde auf Ebene der OECD eine Arbeitsgruppe eingerichtet (Working Group on Bribery, WGB). Innerhalb der Arbeitsgruppe treffen sich die Mitgliedstaaten viermal jährlich und beraten und beschließen unter anderem die jeweiligen Evaluierungsberichte. Darüber hinaus dient die Arbeitsgruppe dem regelmäßigen Austausch zu aktuellen Entwicklungen bei der Bekämpfung der Auslandsbestechung und dem Austausch mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft.

Die vierte Evaluierung Deutschlands

Der vierte Bericht zum Stand der Umsetzung des OECD-Übereinkommens in Deutschland wurde im Juni 2018 in der WGB beschlossen. Den Bericht hatten zuvor Experten aus Japan und Russland sowie Vertreter des OECD-Sekretariats über einen Zeitraum von rund einem Jahr auf Grundlage der von Deutschland vorgelegten Informationen und der in Berlin geführten Gespräche vorbereitet. Neben Deutschland haben beispielsweise auch die Schweiz und Großbritannien bereits die vierte Evaluierungsrunde (Phase 4) absolviert. Andere Vertragsstaaten des Übereinkommens durchlaufen aufgrund eines späteren Beitritts noch frühere Evaluierungsrunden.

Jede Evaluierung setzt unterschiedliche Schwerpunkte. So liegt der Schwerpunkt in Phase 4 auf der Verfolgung von Auslandsbestechung. Dies ist wichtig, da zahlreiche Vertragsstaaten bereits bis zu drei oder vier Evaluierungsrunden durchlaufen haben und auf dem Papier einen guten Umsetzungsstand vorweisen, jedoch faktisch so gut wie keine Fälle der Auslandsbestechung aufdecken und verfolgen. Ohne praktische Umsetzung – und das bedeutet in erster Linie die Verfolgung der Taten – verfehlt das Übereinkommen jedoch seine Ziele. Intention von Phase 4 ist es daher, mit der Evaluierung und den daraus resultierenden Empfehlungen den Druck auf die Mitgliedstaaten zur aktiven Strafverfolgung zu erhöhen. Die Beispiele des Vereinigten Königreichs und Australiens etwa zeigen, dass der internationale Druck durchaus funktionieren kann, wenn entsprechender politischer Wille hinzukommt. Beide Länder werden in ihren aktuellen Berichten zur Phase 4 unter anderem dafür gelobt, dass sie ihre Anstrengungen im Bereich der Strafverfolgung gerade in den letzten Jahren deutlich intensiviert haben.
Weitere Schwerpunkte der vierten Evaluierungsrunde betreffen Sanktionen gegen Unternehmen, die internationale Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden sowie mögliche Quellen zur Aufdeckung von Auslandsbestechungsdelikten. Dabei sollen nicht nur Lücken in der Umsetzung aufgedeckt, sondern zugleich Herangehensweisen aufgezeigt werden, die anderen Vertragsstaaten als Vorbild dienen können.

Die Ergebnisse der Evaluierung im Einzelnen

Die OECD stellt Deutschland in ihrem Bericht zum Stand der Umsetzung ein überwiegend positives Zeugnis aus. Die OECD würdigt vor allem die intensive Verfolgung der Auslandsbestechung durch die Strafverfolgungsbehörden. Seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens wurden nach den Erkenntnissen der OECD 328 Einzelpersonen im Zusammenhang mit der Bestechung ausländischer Amtsträger mit Haft- oder Geldstrafen belegt. Gegen 18 Unternehmen wurden Geldbußen ausgesprochen, und bei elf weiteren Unternehmen wurden Vorteile abgeschöpft, die durch Bestechungsdelikte erlangt worden waren. Damit ist Deutschland neben den USA und der Schweiz eines der aktivsten Länder bei der Verfolgung der Auslandsbestechung.

Dieses positive Zeugnis darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin Verbesserungsbedarf besteht. Dieser betrifft in erster Linie die gegen Unternehmen verhängten Sanktionen. Die OECD geht davon aus, dass nur in etwa einem Viertel der Fälle, in denen Einzelpersonen strafrechtlich belangt wurden, auch das jeweils involvierte Unternehmen mit einer Sanktion belegt wurde. Dementsprechend beziehen sich die Empfehlungen der OECD zu einem großen Teil auf das Sanktionsrecht für Unternehmen.

Insgesamt hat die OECD 38 Einzelempfehlungen gegenüber Deutschland ausgesprochen. Die Empfehlungen bilden die Aspekte ab, bei denen Deutschland das OECD-Übereinkommen nicht vollständig umgesetzt hat oder seine Umsetzung noch verbessern könnte. Die große Anzahl der Empfehlungen ist dabei nicht ungewöhnlich, sondern entspricht den Ergebnissen anderer Vertragsstaaten des Übereinkommens.

Reformbedarf beim Unternehmenssanktionsrecht

Die größten Umsetzungslücken sieht die OECD beim Sanktionsrecht für Unternehmen. Dies ist nach jetziger Rechtslage im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) verortet. Danach können Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von Leitungspersonen dem jeweiligen Unternehmen zugerechnet werden (§ 30 OWiG). Eine solche Zurechnung ist etwa möglich, wenn eine Leitungsperson eine Straftat, bspw. ein Bestechungsdelikt, begeht. Als Sanktion sieht das geltende Recht für Unternehmen die Festsetzung von Geldbußen sowie die Abschöpfung von durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Vorteilen vor. Die maximale Höhe der Geldbuße beträgt derzeit zehn Millionen Euro, die darüber hinausgehende Abschöpfung ist unbegrenzt möglich.

Die geringe Anzahl an Unternehmen, gegen die wegen Auslandsbestechungsdelikten tatsächlich Geldbußen verhängt wurden, nimmt die OECD zum Anlass, grundlegende Reformen zu fordern. Während es nach geltendem Recht im Ermessen der Staatsanwaltschaft steht, ob ein Unternehmen sanktioniert wird, soll dieses Ermessen künftig abgeschafft werden. Zudem hält die OECD die maximale Höhe der Geldbuße für zu niedrig, um insbesondere auf Großkonzerne abschreckend zu wirken. Sie fordert daher, dass sich die Geldbuße künftig am Unternehmensumsatz orientieren müsse.

Ferner fehlt es nach Ansicht der OECD im jetzigen deutschen System an Rechtssicherheit, vor allem für Unternehmen. Das geltende Recht enthalte kaum Kriterien, wie die Höhe der Geldbuße zu bemessen ist. Das Ermittlungsverfahren sei insoweit nicht ausreichend geregelt und werde von den Staatsanwaltschaften der einzelnen Bundesländer sehr unterschiedlich gehandhabt. Es sei unklar, ob und wie sich Bemühungen von Unternehmen, Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption (Compliance) einzuführen, auf die Geldbuße auswirken würden. Diese Forderungen der OECD resultieren vor allem aus Gesprächen mit Vertretern von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, die die mangelnde Rechtssicherheit angemahnt haben.

Hohes Bewusstsein für Korruptionsrisiken in Unternehmen

Sehr positiv äußert sich die OECD zum Bewusstsein der Wirtschaft für die mit der Auslandsbestechung verbundenen Risiken. Nicht zuletzt große Korruptionsskandale der vergangenen zwei Jahrzehnte, aber auch – zum Teil gemeinsame – Initiativen seitens Behörden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft haben dazu geführt, dass Unternehmen ein hohes Problembewusstsein entwickelt haben. Dies gelte nicht nur für große Konzerne, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen. Einen Bewusstseinswandel erkennt die OECD zudem bei so genannten Beschleunigungs- bzw. Schmiergeldzahlungen. Dies sind meist kleinere Summen, die an Amtsträger für an sich rechtmäßige Handlungen geleistet werden, um etwa Verfahren wie bei der Abfertigung von Zollgütern zu beschleunigen. In der vorangegangenen dritten Evaluierungsrunde wurde der Umgang mit solchen Zahlungen noch kritisch gesehen. Mittlerweile konnte die OECD in ihren Gesprächen mit Wirtschaftsvertretern feststellen, dass solche Zahlungen in der Praxis weitgehend untersagt werden.

Vorbildliche Aspekte der Bestechungsbekämpfung in Deutschland

Als Vorbild auf internationaler Ebene nennt die OECD die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungs- und Finanzbehörden in Deutschland. Etwa ein Viertel der Ermittlungsverfahren zu Auslandsbestechungsfällen gehen auf Informationen der Finanzbehörden zurück, die verpflichtet sind, verdächtige Zahlungsflüsse an die Staatsanwaltschaften zu melden. Deutschland ist eines der wenigen Länder, die nicht nur den steuerlichen Abzug von Bestechungsgeldern untersagt haben, sondern zugleich eine Berichtspflicht der Finanzbehörden vorgeben. Dadurch werden die umfangreichen Einsichtsmöglichkeiten der Betriebsprüfer auch für die Korruptionsbekämpfung genutzt.
Positiv hervorgehoben wurde zudem die beschlossene Einführung eines Wettbewerbsregisters. Mit dem unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf den Weg gebrachten Wettbewerbsregistergesetz wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass öffentliche Auftraggeber künftig elektronisch abfragen können, ob Unternehmen wegen Wirtschaftsdelikten vom Vergabeverfahren auszuschließen sind. Die Empfehlung für ein solches Register hatte die OECD bereits in der dritten Evaluierungsrunde 2011 ausgesprochen.

Die nächsten Schritte

Deutschland wird im nächsten Schritt prüfen, welcher Handlungsbedarf sich aus den Empfehlungen ergibt und wie die einzelnen Empfehlungen umgesetzt werden können. Der OECD muss Deutschland im Juni 2020 berichten, welche Empfehlungen zwischenzeitlich umgesetzt werden konnten. Sind nach Ansicht der OECD die Empfehlungen in ausreichendem Maße umgesetzt, ist die vierte Evaluierungsrunde für Deutschland abgeschlossen. Anderenfalls wird Deutschland weiter über die Umsetzung der Empfehlungen berichten müssen.

Fazit

Dass die zahlreichen Anstrengungen zur Bekämpfung der Auslandsbestechung in Deutschland von der OECD positiv gewürdigt werden, ist erfreulich. Das Lob sollte Ansporn sein für die zahlreichen daran beteiligten Akteure – Strafverfolgungsbehörden, Ministerien, Wirtschaft, Anwaltschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft –, ihre Anstrengungen aufrechtzuerhalten.

Verkehrt wäre es hingegen, sich auf dem bereits erreichten hohen Niveau auszuruhen. Der Bericht zeigt bestehende Defizite auf – daran gilt es zu arbeiten. Dazu gehört auf nationaler Ebene die sorgfältige Analyse und Umsetzung der Empfehlungen. Auf internationaler Ebene gehört dazu, dass andere Staaten ebenfalls ihre Bemühungen intensivieren und konsequent Auslandsbestechungsdelikte verfolgen. Denn solange nur einzelne Staaten ihre Verpflichtungen aus dem OECD-Übereinkommen in der Praxis tatsächlich umsetzen und andere wirtschaftlich bedeutende Staaten entsprechende internationale Verpflichtungen vermeiden, ist ein fairer Wettbewerb nicht zu erreichen. Hoffnungsvoll stimmt die Tatsache, dass die Zahl der Staaten steigt, die im Rahmen des OECD-Übereinkommens Auslandsbestechung aktiv verfolgen.

Der vierte Bericht zum Stand der Umsetzung des OECD-Übereinkommens in Deutschland ist veröffentlicht unter https://bit.ly/2OeW5MQ

Kontakt: Dr. Felix Burkhart
Referat: Zentrales Rechtsreferat

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