Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, hat am 11. Oktober 2018 die Herbstprojektion der Bundesregierung vorgestellt. Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft setzt sich fort. Die privaten und staatlichen Konsumausgaben sowie die Investitionen tragen den Aufschwung. Das Expansionstempo bleibt hoch, es normalisiert sich aber allmählich. Risiken für die Konjunktur bestehen insbesondere im außenwirtschaftlichen Umfeld. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,8 % zunehmen. Für das Jahr 2019 rechnet die Bundesregierung mit einem Wachstum von ebenfalls 1,8 %.
Das Wichtigste in Kürze
Die deutsche Wirtschaft verzeichnete in der ersten Jahreshälfte 2018 weiterhin ein kräftiges Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Allerdings wurde die starke Dynamik des zweiten Halbjahres 2017 nicht ganz gehalten; vor allem die Weltwirtschaft entwickelte sich im ersten Halbjahr des laufenden Jahres weniger dynamisch. Eine ähnliche Entwicklung zeigten auch andere fortgeschrittene Volkswirtschaften – insbesondere im Euroraum –, aber auch einige große Schwellenländer. Die bestehenden Handelskonflikte dürften dabei eine Rolle gespielt haben. Der Welthandel stagniert sogar seit Jahresbeginn. Dies führte zu einer nur zögerlichen Ausweitung der deutschen Ausfuhren und einem spürbar negativen Wachstumsbeitrag des Außenhandels im ersten Halbjahr. Angesichts der anhaltend guten Finanzierungskonditionen und der hohen Kapazitätsauslastung in der Industrie haben die Unternehmen dennoch kräftig in Ausrüstungen investiert. Gleichzeitig entwickelten sich die Bauinvestitionen im ersten Halbjahr 2018 sehr dynamisch. Auch die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich weiter fortgesetzt. So ist von Januar bis August die saisonbereinigte Beschäftigung in Deutschland um über 350 000 Personen gestiegen. Die damit und mit der guten Lohnentwicklung verbundenen Einkommenssteigerungen sorgten für eine lebhafte private Konsumnachfrage. Im Gesamtbild blieb der Aufschwung daher in Deutschland kräftig, wenn auch weniger stark als im Frühjahr angenommen.
Die grundsätzlich sehr positive Entwicklung wird sich im laufenden und in den kommenden Jahren fortsetzen. Nach Einschätzung der Bundesregierung wird das BIP in diesem und im kommenden Jahr mit einem Anstieg von jeweils 1,8 % (preisbereinigt) wachsen. Die Beschäftigung wird in diesem Jahr um 590 000 Personen und im Jahr 2019 noch einmal um 400 000 Personen zunehmen. Gleichzeitig steigen aufgrund von spürbaren Lohnsteigerungen und von Entlastungen die verfügbaren Einkommen der Haushalte. Die Inflation zieht zwar weiter an, dennoch bleibt der reale private Konsum eine wichtige Stütze der Konjunktur.
Die Weltwirtschaft wird im laufenden und im kommenden Jahr mit ähnlichem Tempo wie im vergangenen Jahr wachsen. Dies legt auch die jüngste Prognose des Internationalen Währungsfonds nahe. Die Investitionen in Deutschland werden ihr Expansionstempo nahezu halten. Insgesamt dominieren im Prognosehorizont weiterhin die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte. Im kommenden Jahr erhalten die privaten Konsumausgaben durch die Umsetzung des Koalitionsvertrages, z.B. durch die Erhöhung des Kindergeldes, die Ausweitung der Mütterrente oder die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung des Zusatzbeitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung, zusätzlichen Auftrieb. Die Exporte liefern weiter wichtige Wachstumsbeiträge, doch die starke Inlandsnachfrage und die damit einhergehenden Importsteigerungen führen dazu, dass vom Außenhandel – rein rechnerisch – im Projektionszeitraum leicht negative Wachstumsbeiträge zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund wird sich der Leistungsbilanzüberschuss – gemessen an der nominalen Wirtschaftsleistung – bis zum Jahr 2019 weiter auf 7,1 % verringern. Die deutsche Volkswirtschaft bewegt sich im Prognosezeitraum am Rande einer leichten Überauslastung. In einigen Bereichen der Wirtschaft, beispielsweise in der Baubranche, machen sich Knappheiten bereits bemerkbar.
Für das laufende Jahr liegt die Projektion der Bundesregierung geringfügig über der von den Forschungsinstituten erstellten Gemeinschaftsdiagnose (Letztere liegt bei 1,7 % für 2018). Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass bei der Erstellung der Herbstprojektion die jüngsten Konjunkturindikatoren berücksichtigt werden konnten, allen voran die zuletzt wieder günstigeren Daten für die Auftragseingänge in der Industrie und für den Arbeitsmarkt. Für das kommende Jahr liegt die Herbstprojektion der Bundesregierung angesichts der zahlreichen außenwirtschaftlichen Risiken geringfügig unterhalb der Prognose der Institute.
Aktuelle Entwicklungen seit der Frühjahrsprojektion
In der Frühjahrsprojektion vom 25. April war die Bundesregierung für dieses Jahr von einem BIP-Wachstum von 2,3 % ausgegangen. Auch für das Jahr 2019 schätzte sie die konjunkturelle Dynamik mit einem erwarteten Anstieg von 2,1 % höher ein als in der aktuellen Herbstprojektion. Die Einschätzung lag damals im Prognosespektrum von Instituten und internationalen Organisationen. Die Entwicklung des BIP im ersten Quartal mit preis-, kalender- und saisonbereinigt +0,4 % gegenüber dem Vorquartal wurde durch die Bundesregierung im Frühjahr korrekt vorausgeschätzt. Die schwächere Dynamik im weiteren Jahresverlauf war allerdings auf Basis der damaligen Datenlage nicht absehbar.
Die Weltwirtschaft hat seit dem Jahreswechsel merklich an Schwung verloren. Die Weltindustrieproduktion lag im Juli 2,9 % über dem Vorjahresniveau, während die entsprechende Rate zu Jahresbeginn 4,1 % betrug. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Welthandel, wo die aktuelle Expansionsrate von 4,3 % deutlich unter der Rate vom Januar von 5,7 % lag. Die bestehenden Handelskonflikte dürften bei der zögerlichen internationalen Wirtschaftsentwicklung eine Rolle gespielt haben. In Zeiten zunehmender Unwägbarkeiten verhalten sich zum Beispiel Investoren zurückhaltender; dies hat Auswirkungen auf die Produktion und den Handel. Der Internationale Währungsfonds hat seine Einschätzung vom Juli für die Weltwirtschaft auch deshalb jüngst spürbar nach unten korrigiert (siehe Kasten 1), insbesondere für die für Deutschland so wichtige Eurozone.
Hinzu kommen nationale Sonderentwicklungen. Die Industriekonjunktur hat im ersten Halbjahr nicht nur angesichts der weltwirtschaftlichen Eintrübung gestockt, sondern auch wegen der Umstellung auf ein neues Testverfahren für Emissionen und Verbrauch von Pkw (WLTP), das ab dem 1. September 2018 für alle Neuzulassungen verbindlich wird. Der aufwendigere Prüfzyklus hat zu einem Zulassungsstau geführt. Die Hersteller haben hierauf teilweise mit Produktionsanpassungen reagiert. Die im Jahresverlauf schwachen Auftragseingänge sowie die Sonderentwicklung im Automobilsektor sprechen dafür, dass die Industriekonjunktur im dritten Quartal noch sehr verhalten bleibt. Es ist aber davon auszugehen, dass sich dieser Zulassungsstau im Verlauf des vierten Quartals allmählich auflöst. Die Belebung der Auftragseingänge im August und die Aufhellung der Erwartungen des Ifo-Geschäftsklimas für das Verarbeitende Gewerbe weisen bereits auf eine Erholung im vierten Quartal hin. Auch die weiterhin guten jüngsten Daten vom Arbeitsmarkt sprechen dafür, dass die Verlangsamung der Industriekonjunktur zum Jahresende hin überwunden wird.
Für die Korrektur der Wachstumserwartungen für das Jahr 2018 spielten des Weiteren Datenrevisionen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen durch das Statistische Bundesamt eine Rolle. Durch den korrigierten Verlauf des Wachstums im Jahr 2017 wurde die Ausgangsbasis für das Jahr 2018 ungünstiger. Dieser eher technische statistische Effekt verringert die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate für 2018 allein um zwei Zehntel-Prozentpunkte gegenüber dem Datenstand bei der Frühjahrsprojektion.
Alles in allem signalisieren die Konjunkturindikatoren für das zweite Halbjahr insgesamt eine weitere leichte Wachstumsabschwächung gegenüber dem ersten Halbjahr, trotz der Belebung im vierten Quartal.
Zu Beginn des kommenden Jahres dürfte die Konjunktur temporär anziehen, da mit Jahresbeginn viele Maßnahmen des Koalitionsvertrages in Kraft treten werden, die die Konjunktur anregen. Die konjunkturelle Grunddynamik dürfte sich aber in der Gesamtbetrachtung weiter normalisieren. Das Wachstum der Weltwirtschaft wird sich über den Prognosezeitraum geringfügig abschwächen und mit ihr auch die Dynamik und die Impulse der deutschen Absatzmärkte. Im Inland wird die Ausweitung der Produktionskapazitäten zunehmend durch das knapper werdende Arbeitskräfteangebot begrenzt. Insgesamt dürfte die Zunahme der Wirtschaftsleistung kräftig bleiben. Im weiteren Verlauf wird sich die Konjunktur allmählich geringfügig verlangsamen und damit dem Wachstumstempo des Produktionspotenzials annähern.
Annahmen der Herbstprojektion 2018
In Übereinstimmung mit den Prognosen internationaler Organisationen wird für die Weltwirtschaft ein Wachstum in Höhe von 3 ¾ % für dieses und kommendes Jahr erwartet. Dies entspricht weitgehend der jüngsten Prognose des Internationalen Währungsfonds, die kurz nach Abschluss der Rechnung der Herbstprojektion veröffentlicht wurde.
Für die Entwicklung des Ölpreises wird eine technische Annahme auf Basis von Terminnotierungen zum Zeitpunkt des Projektionsabschlusses getroffen. Demnach ist für dieses Jahr von einem durchschnittlichen Rohölpreis für ein Fass der Sorte Brent von 74 US-Dollar auszugehen, der im Folgejahr leicht auf 76 US-Dollar steigen wird.
Die Wechselkurse werden im Projektionszeitraum mit ihren jeweiligen Durchschnitten der letzten sechs Wochen vor der Prognoseerstellung als konstant unterstellt. Für den Wechselkurs ergeben sich damit für die Jahre 2018 und 2019 Werte von 1,19 bzw. 1,16 US-Dollar je Euro. Darüber hinaus wird angenommen, dass der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte der Europäischen Zentralbank bis zum Ende des Projektionszeitraums konstant bei 0,00 % bleibt.
In der Herbstprojektion wird davon ausgegangen, dass es im Projektionszeitraum zu keinen weiter als bisher eingeführten Zollerhöhungen kommt. Zudem wird angenommen, dass kein sprunghafter Anstieg der Verunsicherung eintritt. Hierzu könnte es beispielsweise im Zuge der Brexit-Verhandlungen oder im Falle von Währungskrisen in Schwellenländern kommen. Zudem wird angenommen, dass der Finanzsektor stabil bleibt und sich keine weitere Eskalation geopolitischer Risiken ergibt.
Bei der Projektion wurden wie üblich alle bereits beschlossenen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen berücksichtigt.
Leichte Wachstumsabschwächung im Ausland
Im Projektionszeitraum dürfte sich das Wachstum der Weltwirtschaft von 3 ¾ % im Jahr 2018 auf etwa 3 ½ % im Jahr 2019 geringfügig abschwächen. Für die Vereinigten Staaten gehen wir von einem relativ starken Wachstum von etwas über 2 ½ % aus. Im Zuge der schwächeren Weltwirtschaft haben sich auch in der Eurozone die wirtschaftlichen Perspektiven verschlechtert. Dennoch dürfte das BIP der Eurozone weiter deutlich wachsen. Der Aufschwung im europäischen Umfeld steht weiter auf breitem Fundament, auch wenn insbesondere durch den Brexit-Prozess erhebliche Risiken bestehen. In den Schwellenländern ist die Entwicklung sehr heterogen. Einige Schwellenländer leiden unter Verfall ihrer Währungen und Kapitalabfluss, sodass sich auch hier außenwirtschaftliche Risiken ergeben.
Insgesamt nimmt die Dynamik der deutschen Absatzmärkte, insbesondere wegen der etwas geringeren Wachstumsdynamik in den entwickelten Volkswirtschaften, im Projektionszeitraum leicht ab.
Für das laufende Jahr wird mit einem für einen Aufschwung eher gemäßigten Zuwachs der Exporte von Waren und Dienstleistungen in Höhe von preisbereinigt 2,8 % und im Jahr 2019 in Höhe von 3,7 % gerechnet. Aufgrund der hohen Binnennachfrage sowie wegen des weiterhin hohen Importgehalts der Exporte werden die Importe im Projektionszeitraum mit einer höheren Rate zunehmen als die Exporte. Die preisbereinigten Importe steigen in diesem Jahr um 3,6 % und im Jahr 2019 um 4,9 %. Betrachtet man Ex- und Importe gemeinsam, so gehen vom Außenhandel für die deutsche Volkswirtschaft im Projektionszeitraum rein rechnerisch leicht negative Wachstumsimpulse aus.
In diesem Jahr dürfte sich durch die stärker steigenden Importpreise, insbesondere durch die preisliche Erholung bei den Rohstoffen, ein negativer Terms-of-Trade-Effekt ergeben. Für das nächste Jahr wird sich das Verhältnis von Ex- und Importpreisen nur geringfügig verändern. Aus den Preiseffekten und der starken deutschen Importnachfrage ergibt sich in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt ein Rückgang des Leistungsbilanzüberschusses von 7,9 % im Jahr 2017 auf 7,6 % im laufenden und 7,1 % im Jahr 2019.
Investitionsanstieg setzt sich fort
Die Investitionstätigkeit war bereits in den vergangenen beiden Jahren eine wichtige Stütze für das Wachstum in Deutschland. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie ist überdurchschnittlich hoch und die Finanzierung möglicher Projekte bleibt angesichts der niedrigen Zinsen weiterhin günstig. Trotz volatiler Auftragseingänge zeugt der nach wie vor hohe Bestand im Verarbeitenden Gewerbe von einer weiterhin guten Auftragslage. Insofern wurden die Investitionen in der Gesamtwirtschaft trotz stagnierender Produktion im ersten Halbjahr um 5,1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesteigert. Für das Gesamtjahr 2018 wird ein jahresdurchschnittlicher Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen von 4,5 % erwartet. Wegen des bereits erfolgten deutlichen Ausbaus der Kapazitäten und den gestiegenen außenwirtschaftlichen Unsicherheiten werden die Ausrüstungsinvestitionen im Jahr 2019 mit 2,6 % etwas weniger stark expandieren.
Auch die Bauinvestitionen haben sich im ersten Halbjahr sehr dynamisch entwickelt. Die Nachfrage nach Wohnraum, insbesondere in den Ballungsräumen, bleibt weiterhin hoch. Angesichts der günstigen Kreditkonditionen und einer positiven Einkommensentwicklung werden die Investitionen in Wohnbauten in diesem Jahr um 3,0 % zunehmen. Im kommenden Jahr dürfte die Nachfrage nach Baudienstleistungen nicht zuletzt durch die verstärkten öffentlichen Bauinvestitionen auch infolge der Umsetzung des Koalitionsvertrages deutlich zunehmen. Auch die hohe private Nachfrage nach Bauinvestitionen dürfte anhalten. Allerdings werden Angebotsknappheiten in der Bauwirtschaft immer deutlicher sichtbar, zum Beispiel in Form von Fachkräftemangel und steigenden Baupreisen. Für das nächste Jahr ist somit alles in allem mit einem weiteren Zuwachs von ebenfalls 3,0 % zu rechnen.
Die sonstigen Anlageinvestitionen entwickeln sich seit einigen Jahren sehr volatil. Sie umfassen im Wesentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Software, Datenbanken sowie andere immaterielle Anlagegüter und haben insgesamt an Bedeutung gewonnen. Sie werden auch im weiteren Prognosezeitraum mit Raten von 0,6 % in diesem und 1,9 % im kommenden Jahr steigen.
Alles in allem werden die Bruttoanlageinvestitionen recht deutlich um 3,0 % in diesem Jahr und 2,7 % im kommenden Jahr ausgeweitet. Die Investitionsquote – also die nominalen Bruttoanlageinvestitionen in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt – wird bis 2019 auf 21,1 % steigen. Im Jahr 2016 lag diese noch bei 20,1 %.
Arbeitsmarkt weiter dynamisch
Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt setzt sich im Prognoseverlauf fort. Dies gilt insbesondere für den kräftigen Aufwärtstrend der Beschäftigung. Die Erwerbstätigkeit dürfte sich im laufenden Jahr um 590 000 Personen erhöhen und auch im Folgejahr mit einem Anstieg von knapp 400 000 Personen spürbar zunehmen. Im Ergebnis wird das Beschäftigungsniveau im Jahr 2019 eine neue Rekordmarke von jahresdurchschnittlich 45,3 Mio. Personen erreichen. Dabei wird vor allem die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kräftig ausgeweitet, während die Zahl der Minijobber und der Selbständigen weiter zurückgeht.
Mit der positiven Entwicklung der Beschäftigung setzt sich auch der Rückgang der Arbeitslosigkeit fort. Allein in diesem Jahr ist ein Rückgang um weitere 185 000 Personen zu erwarten. Im Jahr 2019 wird die Zahl der Arbeitslosen um weitere 110 000 Personen sinken. Die Arbeitslosenquote verringert sich damit im Jahresdurchschnitt 2019 auf 5,0 %, womit Deutschland zu den Ländern mit der niedrigsten Erwerbslosigkeit in Europa gehört.
Während die Nachfrage nach Arbeitskräften weiterhin sehr hoch ist, zeichnen sich in einigen Bereichen der Wirtschaft bereits angebotsseitige Restriktionen ab. Immer mehr Unternehmen melden Rekrutierungsprobleme, die Dauer bis zur Stellenbesetzung steigt und die Zahl offener Stellen liegt auf Rekordniveau. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird sich diese Problematik in den kommenden Jahren verschärfen. Bisher konnte der demografisch bedingte Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials durch die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren sowie durch die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland kompensiert werden. Angesichts zurückgehender Zuwanderung nach Deutschland und bereits hoher Erwerbsquoten großer Personengruppen wird das Potenzial für weitere Beschäftigungszunahmen in den kommenden Jahren allerdings zunehmend an seine Grenzen geraten.
Anziehende Preisdynamik
Die Entwicklung der Verbraucherpreise war bis zuletzt von der Bewegung der Energiepreise dominiert. Seit dem Tiefststand im Januar 2016, als ein Fass der Sorte Brent zwischenzeitlich nur 28 US-Dollar kostete, hat sich der Rohölpreis deutlich erhöht. Für den weiteren Prognoseverlauf ist auf Basis von Terminkontrakten nur ein allmählicher Rückgang zu erwarten (siehe Kasten 1). Vor diesem Hintergrund haben sich die Verbraucherpreise wieder stärker als in den zurückliegenden Jahren erhöht. Für dieses Jahr ist mit einem Anstieg der Inflationsrate auf 1,9 % zu rechnen. Für das kommende Jahr wird die Rate mit 2,0 % etwas höher liegen. Insbesondere die Verteuerung der Mieten schlägt hier zu Buche. Die Kerninflation, also die Entwicklung der Verbraucherpreise unter Ausschluss der volatilen Energie- und Lebensmittelpreise, steigt ebenfalls an. Die Rate steigt von 1,4 % im Jahr 2017 auf 1,8 % im Jahr 2019 und liegt damit permanent über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre.
Kräftig steigende Einkommen
Angesichts der weiterhin positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben sich die Tarifpartner in den zurückliegenden Verhandlungsrunden auf kräftige Lohnzuwächse geeinigt. Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer werden daher in diesem Jahr um 3,0 % und im kommenden Jahr etwas stärker um 3,1 % steigen. In diesem Jahr dürften die Nettolöhne je Arbeitnehmer mit 2,7 % aufgrund der Progression im Einkommensteuertarif etwas weniger stark zunehmen als die Bruttogröße. Im nächsten Jahr treten hingegen eine Vielzahl von entlastenden Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag in Kraft (z.B. paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung). Daher nehmen die Nettolöhne je Arbeitnehmer im Jahr 2019 mit 3,8 % besonders kräftig zu. Auch nach Abzug der Inflationsrate nehmen die Nettoreallöhne im Jahr 2018 um 0,7 % und im Jahr 2019 mit 1,8 % kräftig zu. Die Lohnquote steigt bis zum Jahr 2019 leicht auf 69 %.
Die monetären Sozialleistungen werden in diesem Jahr um 3,2 % ausgeweitet. Mit der Erhöhung des Kindergeldes, der Ausweitung der Mütterrente und weiteren Maßnahmen des Koalitionsvertrages steigen die monetären Sozialleistungen auch im Jahr 2019 weiterhin recht kräftig um 5,2 %. Die Gewinn- und Vermögenseinkommen der privaten Haushalte entwickeln sich nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase zunächst noch schleppend.
Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte nehmen in diesem Jahr somit in der Summe um 3,6 % und im kommenden Jahr um 3,9 % zu.
Die dynamische Beschäftigungsentwicklung und steigende Einkommen der privaten Haushalte führen zu einer weiterhin lebendigen Konsumnachfrage. Der private Verbrauch wird im Jahr 2018 um 1,6 % und im Folgejahr um 2,0 % zunehmen und damit einen maßgeblichen Wachstumsbeitrag liefern. Rechnerisch ist etwa die Hälfte des Anstiegs des BIP auf den Zuwachs der privaten Konsumausgaben zurückzuführen.
Keine Überhitzung der Wirtschaft in Sicht
Die deutsche Wirtschaft befindet sich aktuell noch im Bereich der Normalauslastung. Im Rahmen des konjunkturellen Aufschwungs wächst die Wirtschaftsleistung allerdings etwas schneller als das geschätzte Produktionspotenzial, das im mittelfristigen Projektionszeitraum (2018-2023) um durchschnittlich 1,6 % pro Jahr zunimmt. Im Ergebnis werden die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten im weiteren Prognoseverlauf teilweise leicht überausgelastet sein. Die so genannte Produktionslücke, die die tatsächliche Wirtschaftsleistung zum Produktionspotenzial in Beziehung setzt, steigt bis zum Jahr 2020 auf lediglich 0,7 %. Eine Überhitzung der deutschen Volkswirtschaft zeichnet sich damit nicht ab.
Chancen und Risiken
Die dargestellte Herbstprojektion stellt aus Sicht der Bundesregierung den wahrscheinlichsten Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung für Deutschland dar.
Mögliche Risiken bestehen insbesondere im außenwirtschaftlichen Umfeld. Das primäre Risiko ist ein eskalierender Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und deren Handelspartnern. Auch der ungewisse Verlauf und Ausgang der Brexit-Verhandlungen könnte die konjunkturelle Entwicklung in der Europäischen Union belasten. Die weitere Straffung der US-Geldpolitik könnte zu Kapitalabflüssen aus den Schwellenländern führen. Einzelne dadurch verursachte Währungskrisen sind nicht auszuschließen. Im Inland könnte der dynamische Beschäftigungsaufschwung stärker und früher durch die demografische Entwicklung gebremst werden.
Andererseits existieren auch Aufwärtsrisiken. Sollten sich zum Beispiel die Handelskonflikte auflösen, wäre ein kräftigeres Anziehen der Ausfuhren und der heimischen Investitionen zu erwarten.
Kontakt: Mathias Kesting
Referat: Beobachtung, Analyse und Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
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[1] Die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Herbstprojektion bilden die Grundlage für die Steuerschätzung vom 23. bis 25. Oktober 2018. Als gemeinsamer Orientierungsrahmen dienen sie der Aufstellung der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen. Die Schätzung des Produktionspotenzials und die Mittelfristprojektion liefern die gesamtwirtschaftlichen Grundlagen für die Berechnung des zulässigen Verschuldungsspielraums gemäß der in der Verfassung verankerten Schuldenregel.