Besonders beim Bauen sollten Umwelt- und Ressourcenschutz eine größere Rolle spielen

Die Bauwirtschaft ist ein besonders ressourcenintensiver Wirtschaftszweig: 90 Prozent der in Deutschland geförderten mineralischen Rohstoffe werden verbaut. Hinzu kommen Baustahl und Zement in erheblichen Mengen. Der Baubereich trägt über die Hälfte zum deutschen Abfallaufkommen bei. Ein sparsamerer Ressourceneinsatz, Recycling und Wiederverwertung von Baustoffen können daher einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

„Erst planen, dann bauen“ lautet ein häufig wiederholter, aber zu wenig be-achteter Grundsatz. In der Realität werden beim Design eines Bauwerks zwar die Heizungsart und die Dämmung meist frühzeitig geplant; eine veränderte Nutzung des Gebäudes im Zeitverlauf oder die Wiederverwertbarkeit der Bau-stoffe bei Sanierung und Abriss werden jedoch weit seltener von Anfang an bedacht. Eine über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes gespannte digitale Planung für Bau und Betrieb ermöglicht es, diese Aspekte viel stärker zu berücksichtigen.

Warum die Bauwirtschaft?

Rund zehn Prozent des deutschen BIP werden für Baumaßnahmen verwen-det, 2017 waren dies 323 Milliarden Euro. Gleichzeitig werden fast fünf Pro-zent der gesamten Wertschöpfung in Deutschland vom Baugewerbe erbracht. Laut der Deutschen Energie-Agentur (dena) stehen in Deutschland insgesamt rund 22 Millionen beheizte Gebäude, und der Bedarf an Wohnraum wächst stetig: Laut der Wohnungsmarktprognose 2030 des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung beläuft sich der errechnete Neubaubedarf an Wohnungen für das gesamte Bundesgebiet auf durchschnittlich 230.000 Wohnungen pro Jahr. Angesichts dieser Größenordnungen liegt es auf der Hand, dass mit Ressourcenschutz- und Nachhaltigkeitsansätzen beim Bauen viel zu erreichen ist.

Bauwerke ressourcenschonend entwickeln – und bitte smart!

Gerade in Ballungszentren ist eine durchdachte und ressourcenschonende Quartiersentwicklung, die den sich wandelnden Bedürfnissen Rechnung trägt, von zentraler Bedeutung. Nachhaltige „Smart“-City-Konzepte, die unter-schiedliche Nutzungsformen, Funktionalitäten und Modularisierung berück-sichtigen, liefern hier erste zukunftsweisende Gestaltungsideen. Dabei sind die Möglichkeiten des ressourcenschonenden Bauens vielfältig: Durch einen stärkeren Einsatz von Modularisierungskonzepten können Bauteile und Bau-produkte vielseitig eingesetzt und wiederverwendet werden. Darüber hinaus ist durch innovative Konstruktions- und Fertigungstechniken ein späterer – gegebenenfalls selektiver – Rückbau ressourcenschonend und umwelt-freundlich möglich, beispielsweise durch auftrennbare Bauteilschichten. Einen weiteren Beitrag zur Ressourcenschonung kann außerdem der Einsatz nachwachsender Rohstoffe und recycelter Bauprodukte leisten. Hybride Bau-weisen, die etwa auf den stärkeren Einsatz von Holz setzen, liefern hier gute Beispiele. Auch aus dem Leichtbau kommen Anregungen für ressourcen-schonendes Bauen: Leichtbauweisen zeichnen sich durch einen geringeren Materialeinsatz bei gleichbleibender oder verbesserter Funktionalität aus (siehe Infokasten).

Infokasten
Leichtbau bietet neben seinen technischen Möglichkeiten interessante Anwendungsgebiete im Bereich Neubau, Altbau und Sanierung. Neben den vielfältigen, bewährten Materialien ermöglichen auch neue Entwicklungen deutliche Ressourceneinsparungen. Beispielsweise konnte durch die Sanierung einer Eisenbahnbrücke über dem Selbitztal mit Carbonbeton deren Abriss und Neubau vermieden werden. Da bei einem Einsatz von Carbonbeton eine Schichtdicke von nur 2 cm statt 8 –10 cm bei einer Sanierung mit Stahlbeton benötigt wurde, musste zuvor auch nur eine Schicht von 2 cm des ursprünglichen Bestandes abgetragen werden. Sowohl die geringere zu entsorgende Abtragsmenge als auch der um 75 Prozent geringere Materialeinsatz der Verstärkungsschicht und die schnellere Ausführung bilden einen innovativen Ansatz für mehr Ressourceneffizienz im Baubereich.

Hohe Ressourceninanspruchnahme: Recycling und Sekundärrohstoffe als Lösung?

Der Bausektor gehört zu den besonders ressourcenintensiven Wirtschaftszweigen. Schon bei der Herstellung der Baumaterialien fällt Abfall an. Im Betrieb fällt ein Gebäude aus Ressourcensicht dann in erster Linie als Energieverbraucher auf: 35 Prozent der gesamten Endenergie in Deutschland werden für Heizung und Warmwasserversorgung verbraucht. Und schließlich entstehen dann auch bei der Sanierung und beim Abriss wieder große Abfallmengen.

Wie sieht es mit dem Recycling von Baustoffen aus? Bau- und Abbruchabfälle unterliegen der Gewerbeabfallverordnung als Teil des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Grundsatz ist das verpflichtende Getrennthalten der Abfälle und das Zuführen zum Recycling. Eine gemischte Sammlung ist nur zulässig, wenn die separate Erfassung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Auf diese Weise können Böden, Bauschutt, Straßenaufbruch sowie einige weitere Bauabfallarten zu rund 90 Prozent im Stoffstromkreislauf gehalten werden.

Gleichwohl ist der Einsatz von recycelten Baustoffen („Sekundärrohstoffen“) noch ausbaufähig. Sie müssen nicht nur zerkleinert, sondern auch bearbeitet werden und normierte Qualitätsanforderungen erfüllen. Zwar werden vor allem im Straßenbau aufbereitete Baustoffe aus dem Abriss durchaus eingesetzt, aber nicht so oft wie möglich, weil die Produktqualität nicht immer ausreicht. Die Grenzwerte für Schadstoffe werden zunehmend schärfer, Boden- und Grundwasserschutz gehen vor. Recyceltes Material muss damit Schritt halten, sonst greifen viele Bauherren dann doch wieder zu Primärrohstoffen zum Bauen

Gewusst wie – Informationen zum ressourcenschonenden Bauen

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat schon 2015 die „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ mit konkreten Ansatzpunkten der Beratung aufgelegt. Diese Strategie integriert die Handlungsfelder Strom, Wärme und Effizienztechnik. Damit schafft sie einen klaren Handlungsrahmen für einen besseren Energieeinsatz im Gebäudebereich. Das Bundesministerium des Innern (BMI) hält Informationen über nachhaltiges Bauen des Bundes bereit und bietet konkrete Leitfäden an, die ständig aktualisiert werden.

Die Bundesarchitektenkammer legte Anfang 2018 ein Strategiepapier für den Beitrag der Architekten zur Energiewende vor. Mit über 1.000 Mitgliedern aus allen Bereichen der Bau- und Immobilienwirtschaft wirbt die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e.V.) für Ressourcenschutz beim Bauen und leistet die Zertifizierung von Bauwerken in unterschiedlichen Qualitätsstufen. Die DGNB hilft, konkrete Lösungen für nachhaltiges Planen, Bauen und Nutzen von Bauwerken zu entwickeln. Die Wirtschaftsinitiative „Ressourcenschonende Bauwirtschaft“ wird sich 2018 als Stiftung „re!source“ breiter aufstellen, um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und Prozessverbesserungen anzuregen.

Bauwirtschaft im Fokus des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess)

Auch für die Bundesregierung ist die Ressourceninanspruchnahme beim Bauen ein wichtiges Thema. So hat sie im Februar 2012 auf Grundlage ihrer Rohstoffstrategie die Entwicklung eines nationalen Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess) auf den Weg gebracht. ProgRess wurde im März 2016 mit ProgRess II fortgeschrieben; eine Neuauflage des Programms ist für 2020 geplant. In ProgRess werden die Ziele formuliert, das Wirtschaftswachstum vom Rohstoffverbrauch zu entkoppeln und die Rohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber 1994 zu verdoppeln. Das Programm setzt auf eine enge Kooperation mit der Wirtschaft, Förderung von Innovationen und Schaffung von Anreizen. Die in ProgRess verankerten Maßnahmen beruhen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Gute Anwendungsbeispiele sollen dabei entscheidende Treiber für Ressourcen- und Energieeffizienz sein.

Vor dem Hintergrund der beträchtlichen Rohstoffintensität in der Bauwirtschaft widmet ProgRess II dem nachhaltigen Bauen ein eigenständiges Kapitel. Das Programm setzt dabei auf eine nachhaltige Stadtentwicklung, eine ressourcenschonende Entwicklung von Quartieren und Bauwerken sowie eine Stärkung der Kreislaufführung bei Bauprozessen. Mit ProgRess hat die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen gesetzt und einen Ausblick darauf gegeben, wie nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen heute und in der Zukunft aussehen kann.

Digitale Methoden machen’s möglich: BIM!

Um die in ProgRess definierten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist der Einsatz von digitalen Methoden unumgänglich. Das Zauberwort heißt hier BIM. BIM steht für „Building Information Modeling“ und bezeichnet das digitale Erfassen von Daten eines Bauwerks über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Die Daten werden dabei allen am Bau beteiligten Partnern zugänglich gemacht und für die weitere Arbeit übergeben. Im Idealfall ermöglicht dies jederzeit Zugriff auf gewünschte Informationen und setzt Baufortschritt in Echtzeit „ins Bild“. Dies führt zu Verbesserungen bei Kosten- und Termintreue, Transparenz und Einsparungen in der Wertschöpfungskette. Aber „digitales Bauen“ hat auch für die Nachhaltigkeit einen bedeutenden Vorteil: Der Materialeinsatz ist jederzeit, also auch im Nachhinein, digital und manipulationssicher nachvollziehbar. Folglich werden Sanierung und Abriss sowie die spätere Entsorgung zuverlässig planbar.

Mit einem 2015 in Kraft getretenen Stufenplan und einem Masterplan des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) von 2017 sollen BIM-Methoden im Bereich der Verkehrsinfrastruktur vorangebracht und Erfahrungen gesammelt werden. Das für Bau verantwortliche BMI hat im Rahmen der „Forschungsinitiative Zukunft Bau“ seit 2006 viele Ansätze auch zum digitalen Bauen untersucht und veröffentlicht.

Damit BIM sich schneller verbreitet und Planer, Ausführende und Betreiber besser vernetzt arbeiten können, sind die Standardisierung von Prozessen und Datenqualität sowie die Offenheit der Schnittstellen zentrale Voraussetzungen. Planung und Bauausführung sind heute noch deutlich voneinander getrennte Bereiche, mit der Digitalisierung sollte diese Trennung überwunden werden.

Wissensaustausch in Kompetenzzentren und Branchendialogen

Seit mehr als zwei Jahren bietet das BMWi mit dem Förderschwerpunkt „Mittelstand-Digital" als Teil der Digitalen Agenda über die Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) konkrete Antworten und praktische Unterstützung bei der Digitalisierung. Derzeit existieren 24 dieser Kompetenzzentren.

Ein für die Bauwirtschaft relevantes Beispiel ist das im November 2017 gestartete „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen“. Dieses wird mit ca. 5,2 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren durch das BMWi gefördert und steht unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik. Das an fünf regionalen Standorten vertretene Kompetenzzentrum bietet der mittelständischen Bau- und Immobilienwirtschaft konkrete Anlaufstellen. Ziel ist es, die Digitalisierung und Vernetzung von KMU in allen Bauphasen (Projektentwicklung, Planen und Bauen sowie Betrieb) zu unterstützen. Zusätzlich wurde zum 1.9.2017 das „Kompetenzzentrum Digitales Handwerk“ um einen fünften Schwerpunkt „Digitales Bauen“ erweitert.

Auch das vom BMWi institutionell geförderte RKW-Kompetenzzentrum mit der Organisationseinheit „Rationalisierungsgemeinschaft Bau“, kurz „RG-Bau“, stärkt die Innovationsfähigkeit in der Bauwirtschaft. Die RG-Bau unterstützt in Kooperation mit den Sozialpartnern die Unternehmen – vor allem die mittelständische Bauwirtschaft – darin, ihre technische, wirtschaftliche und soziale Leistungsfähigkeit zu sichern und zu steigern. Sie stellt Informationen zu wichtigen Themen und aktuellen Trends zur Verfügung: Digitalisierung des Bauens, energieeffizientes Bauen und Ressourceneffizienz, aber auch Fachkräftesicherung und Personalentwicklung. Eine wichtige Aktivität der RG-Bau ist der viel beachtete jährliche Wettbewerb „Auf IT gebaut – Bauberufe mit Zukunft".

Blick nach vorn

Ressourcenschonendes Bauen hat viele Facetten: Angefangen von einer umfassenden digitalen und vernetzten Planung und Ausführung, über die Entwicklung von innovativen und rückbaufähigen Leichtbau- und Modulkonzepten bis hin zum Einsatz von recycelten und recycelbaren Baustoffen. Wie ein ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen der Zukunft aussieht, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Mit ProgRess hat die Bundesregierung erste Ansätze geliefert. Eins ist sicher: Das Bauen muss in Zukunft digitale Prozesse und ressourcenschonenden Mitteleinsatz in allen Phasen stärker einschließen. Getreu dem Motto: „Erst planen, dann bauen“.

Kontakt: Ullrike Blankenfeld und Dr. Marius Leber
Referat: Bauwirtschaft, Ressourceneffizienz und Leichtbau