Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ („Kohlekommission“) war ein Beratergremium der Bundesregierung. Sie sollte insbesondere einen Plan für die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung in Deutschland erstellen und konkrete Vorschläge für Wachstum und Beschäftigung in den betroffenen Regionen unterbreiten.

Die Kommission war am 6. Juni 2018 vom Bundeskabinett eingesetzt worden. Sie tagte unter Vorsitz von Matthias Platzeck, Ronald Pofalla, Professorin Barbara Praetorius sowie Stanislaw Tillich und hatte 27 weitere Mitglieder. Mehr Informationen zu den einzelnen Mitgliedern, finden Sie hier.

Die Kommission verabschiedete am 26. Januar 2019 nahezu einstimmig ihren Abschlussbericht.

Die Kommission sollte ein Aktionsprogramm erarbeiten. Darin sollte sie insbesondere

  • eine konkrete Perspektive für neue, zukunftssichere Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen im Zusammenwirken zwischen Bund, Ländern, Kommunen und wirtschaftlichen Akteuren schaffen (zum Beispiel im Bereich Verkehrsinfrastrukturen, Fachkräfteentwicklung, unternehmerische Entwicklung, Ansiedlung von Forschungseinrichtungen, langfristige Strukturentwicklung).
  • einen Instrumentenmix entwickeln, der wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Sozialverträglichkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Klimaschutz zusammenbringt und zugleich Perspektiven für zukunftsfähige Energieregionen eröffnet.
  • dafür Sorge tragen, dass für den Strukturwandel notwendige Investitionen getätigt werden; bestehende Förderinstrumente des Bundes und der EU sollten dabei genutzt werden.
  • Maßnahmen zum Beitrag der Energiewirtschaft vorschlagen, um die Lücke zur Erreichung des 40 Prozent-CO2-Reduktionsziels für das Jahr 2020 so weit wie möglich zu reduzieren.
  • einen Plan erarbeiten, um schrittweise die Kohleverstromung zu reduzieren und zu beenden; einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen.
  • Maßnahmen vorschlagen, um das CO2-Reduktionsziel für den Energiesektor für das Jahr 2030 zuverlässig zu erreichen, das heißt eine Verringerung der CO2-Emissionen aus der Energiewirtschaft um 61 bis 62 Prozent gegenüber dem Jahr 1990.

Den Einsetzungsbeschluss der Bundesregierung mit weiteren Informationen zum Auftrag finden Sie hier (PDF, 94 KB).

Die Empfehlungen der Kommission bestehen aus einem strukturpolitischen sowie einem klima- und energiepolitischen Teil. Die Kommission betont, dass die empfohlenen Maßnahmen einander bedingen.

Zu den strukturpolitischen Vorschlägen zählen insbesondere:

  • in einem Gesetz über einen Zeitraum von 20 Jahren 1,3 Milliarden Euro pro Jahr für projektbezogene strukturpolitische Maßnahmen in den betroffenen Regionen zu gewähren; zusätzlich sollen im gleichen Zeitraum 0,7 Milliarden Euro pro Jahr projektoffen fließen.
  • Sofortprogramme bis zum Jahr 2021, mit denen strukturpolitische Projekte und private Investitionsanreize in den betroffenen Regionen finanziert werden.
  • weitere Maßnahmen: Anpassungsgeld-Braunkohle für Beschäftigte ab 58 Jahre zur Überbrückung bis zur Rente zu entwickeln; neue Behörden von Bund und Ländern in den betroffenen Revieren anzusiedeln zur Schaffung von mindestens 5.000 Arbeitsplätzen; Verkehrsinfrastrukturprojekte durch Einführung eines „Revierbonus“ dort schneller umzusetzen; 5G-Modellregionen einzurichten.

Zu den klima- und energiepolitischen Vorschlägen zählen insbesondere:

  • die installierte Kohlekraftwerksleistung in Deutschland von 42,5 GW im Jahr 2017 (20 GW Braun- und 22,5 GW Steinkohle) bis zum Jahr 2038 auf null zu reduzieren. Als Zwischenschritte sind installierte Kohlekraftwerksleistungen von 30 GW im Jahr 2022 (je 15 GW Braun- und Steinkohle) und 17 GW im Jahr 2030 (9 GW Braun- und 8 GW Steinkohle) vorgesehen. Im Jahr 2032 sei zu überprüfen, ob bereits im Jahr 2035 (oder 2036 oder 2037) auf die Kohleverstromung in Deutschland verzichtet werden kann.
  • mit den Braunkohlekraftwerksbetreibern eine Lösung zu verhandeln und anschließend gesetzlich umzusetzen. Bei einem Scheitern der Verhandlung empfiehlt sie für den Zeitraum der Jahre 2023-2030 eine ordnungsrechtliche Lösung mit Entschädigung soweit rechtlich erforderlich.
  • den Steinkohlekraftwerksbetreibern degressive freiwillige Stilllegungsprämien bis zum Jahr 2030 anzubieten.
  • weitere Maßnahmen (Auswahl): erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030 auf 65 Prozent des Stromverbrauchs systemdienlich und marktkonform sowie Übertragungs- und Verteilnetze konsequent auszubauen; Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger von möglichen Strompreisanstiegen zu entlasten; bei Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) den Umstieg von Kohle auf Gas attraktiver auszugestalten und KWK zu flexiblen Strom-Wärme-System weiterzuentwickeln; Versorgungssicherheit notfalls über einen systematischen Investitionsrahmen für neue Kraftwerkskapazitäten sicherzustellen, sofern die notwendigen Investitionen ausbleiben; im Rahmen des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) durch den Kohleausstieg nicht mehr benötigte Zertifikate zu löschen.

Die Kommission schlägt ein umfassendes Beobachtung der Maßnahmen vor: In den Jahren 2023, 2026 und 2029 soll die Bundesregierung Fortschrittsberichte zum Stand der Umsetzungen vorlegen. Ein unabhängiges Expertengremium, bestehend unter anderem aus Expertinnen und Experten für Strukturentwicklung und Regionalpolitik, Beschäftigung, Energiewirtschaft, Industrie und Klimaschutz, soll diese Berichte prüfen, bewerten und eventuellen Handlungsbedarf ableiten.

Den Abschlussbericht mit allen Empfehlungen der Kommission finden Sie hier.

Die Bundesregierung setzt die Empfehlungen der Kommission bereits mit Hochdruck um und arbeitet an entsprechenden Gesetzesentwürfen:

Im strukturpolitischen Teil sollen den betroffenen Regionen sehr schnell Perspektiven für eine moderne, nachhaltige Wirtschaftsstruktur eröffnet werden.

Im energiepolitischen Teil wird die gesetzgeberische Umsetzung derzeit vorbereitet. Ziel ist es, einen Entwurf für ein Steinkohlegesetz im Herbst vorzulegen und das parlamentarische Verfahren bis Ende des Jahres 2019 abzuschließen.

Die Bundesregierung nimmt bereits frühzeitig begleitend Gespräche mit der Europäischen Kommission auf, um den beihilferechtlichen Rahmen auszuloten. Damit soll sichergestellt werden, dass auf die gesetzliche Umsetzung zügig Einvernehmen mit der Europäischen Kommission erzielt wird.

Im Jahr 2018 betrug der Anteil der Verstromung aus Kohle an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland 35,4 Prozent (Braunkohle: 22,5 Prozent; Steinkohle: 12,9 Prozent).

Die Bedeutung der Kohleverstromung ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Im Jahr 1990 betrug der Anteil noch 56,7 Prozent (Braunkohle: 31,1 Prozent; Steinkohle: 25,6 Prozent). Im Jahr 2010 lag er bei nur noch 41,5 Prozent (Braunkohle: 23 Prozent; Steinkohle: 18,5 Prozent) und ist seitdem weiter auf ein gutes Drittel gesunken.

Gleichzeitig hat sich der Anteil erneuerbarer Energieträger an der Stromerzeugung in Deutschland von 3,6 Prozent im Jahr 1990 auf 35 Prozent im Jahr 2018 vervielfacht.

Diese und weitere Daten können bei der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen abgerufen werden.

Der Kohleausstieg wird für sich gesehen insbesondere dann nur zu moderaten Preiseffekten führen, wenn es weiterhin gelingt, wegfallenden Kohlestrom durch im Betrieb günstigeren erneuerbaren Strom zu ersetzen.

Tatsache ist aber: Die meisten Gutachter rechnen in den nächsten Jahren – unabhängig von einem Kohleausstieg – mit steigenden Börsenstrompreisen. Dies ist unter anderem auf steigende Preise bei Brennstoffen und Zertifikaten des europäischen Emissionshandels zurückzuführen.

Die Bundesregierung wird in jedem Fall alles daran setzen, dass die Strompreise bezahlbar bleiben.

Nein. Für die Bundesregierung ist es zentral, dass das hohe Niveau der Versorgungssicherheit in Deutschland erhalten bleibt.

Nach Erkenntnissen der Bundesregierung gefährdet der vorgeschlagene Ausstiegspfad die hohe Versorgungssicherheit in Deutschland nicht. Entscheidend ist, dass die Minderungen planbar und stetig sind. Die Bundesregierung wird die Versorgungssicherheit auf dem Kohleausstiegspfad mit größter Sorgfalt überwachen. Bei jedem einzelnen Kraftwerk wird sie zunächst durch die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur prüfen lassen, ob es tatsächlich stillgelegt werden kann.

Sollten sich während der Ausstiegszeit wider Erwarten Probleme bei der Versorgungssicherheit abzeichnen, wird die Bundesregierung sofort handeln. In jedem Fall stehen ausreichend Kraftwerkskapazitäten in der Reserve für einen Notfall zur Verfügung.

Mit dem vorgeschlagenen Reduktionspfad sollte das im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung vorgegebene Sektorziel für die Energiewirtschaft bis zum Jahr 2030 erreicht werden. Demnach darf die gesamte Energiewirtschaft dann nur noch 180-188 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittieren. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren es noch rund 350 Millionen Tonnen CO2. Neben dem Kohleausstieg sind dafür allerdings noch weitere Maßnahmen nötig. Denkbar wäre zum Beispiel ein verstärkter Ausbau der erneuerbaren Energien oder die Verbesserte Nutzung von KWK-Anlagen.

Bis zum Jahr 2030 werden sich die CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung von heute rund 270 Millionen Tonnen CO2 auf voraussichtlich nur noch knapp 90 Millionen Tonnen CO2 reduzieren. Die restlichen Emissionen des Energiesektors werden dann insbesondere Gaskraftwerke verursachen.

Derzeit ruhen die Rodungsarbeiten. Wie es weiter geht, liegt in den Händen der zuständigen Gerichte und der Prozessbeteiligten. Denn zu der für den Tagebau Hambach bereits erteilten aktuellen Hauptbetriebsplanzulassung für den Zeitraum der Jahre 2018 bis 2020 und zur Rahmenbetriebsplanzulassung sind gerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln beziehungsweise Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen anhängig.

Aufgrund eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 5. Oktober 2018 ist im Geltungsbereich des aktuellen Hauptbetriebsplans die Inanspruchnahme von bewaldeten Flächen des Hambacher Forsts derzeit nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht Köln hat am 13. März 2019 nach erneuter Rechtsprüfung zwar bestätigt, dass die Bezirksregierung Arnsberg die Hauptbetriebszulassung zu Recht erteilt hatte. Doch ändert diese erstinstanzliche Entscheidung zunächst nichts an dem vorläufigen Rodungsstopp.

„Die Kommission hält es für wünschenswert, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt.“ (Abschlussbericht der Kommission, Seite 63)

Der Energiesektor unterliegt – ebenso wie besonders emissionsintensive Industrieunternehmen und der innereuropäische Luftverkehr – den Regeln des europäischen Emissionshandels (EU-ETS). Demnach benötigen Kraftwerksbetreiber Zertifikate für CO2, das bei der Energieerzeugung freigesetzt wird. Die Anzahl der Zertifikate ist in der EU gedeckelt. Damit sind auch die Emissionen begrenzt, die die am Emissionshandel teilnehmenden Unternehmen ausstoßen dürfen. Die jährlich zur Verfügung gestellte Menge an Zertifikaten wird abgesenkt – mit der Reform des EU-ETS ab dem Jahr 2021 um jährlich 2,2 Prozentpunkte, anstelle von jährlich 1,74 Prozentpunkten in der aktuellen Handelsperiode bis zum Jahr 2020.

Benötigen deutsche Kraftwerksbetreiber wegen des geplanten Kohleausstiegs weniger Zertifikate, können sie diese an andere Emittenten in der EU verkaufen beziehungsweise können andere Emittenten Zertifikate in Auktionen nun zu einem gegebenenfalls günstigeren Preis erwerben. Der Kohleausstieg in Deutschland führt deshalb nur dann zu einer CO2-Reduktion in der EU, wenn die nun ausstiegsbedingt weniger benötigten Zertifikate aus dem Markt genommen beziehungsweise nicht genutzt werden.

Deshalb empfiehlt die Kommission, eine „ausreichende Wirksamkeit der nationalen Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken auch im Rahmen des Europäischen Emissionshandels sicherzustellen.“

Dies kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: Zum einen können Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen eine bestimmte Menge von Zertifikaten aus ihren Auktionsmengen löschen. Zum anderen kommt es durch die Marktstabilitätsreserve ohnehin zu einer automatischen Marktentnahme und späteren Löschung von großen Teilen der nicht benötigten Zertifikate; darunter fallen auch ausstiegsbedingt nicht benötigte Zertifikate.

Der Preis für Zertifikate ist in Folge der Reform des EU-ETS von 5 Euro im Jahr 2017 auf ein Niveau von über 25 Euro im April 2019 angestiegen.

Ja. Bislang haben folgende EU-Länder beschlossen, die Verstromung aus Kohle zu beenden:

  • Schweden (bis 2022)
  • Frankreich (bis 2023)
  • Österreich (bis 2025)
  • Großbritannien (bis 2025)
  • Irland (bis 2025)
  • Italien (bis 2025)
  • Finnland (bis 2029)
  • Niederlande (bis 2029)
  • Dänemark (bis 2030)
  • Portugal (bis 2030)

Die Bedeutung der Kohleverstromung für den jeweiligen Strommix ist in diesen Ländern zum Teil jedoch bedeutend geringer als für Deutschland. In Frankreich beträgt sie etwa nur drei Prozent, in Schweden gar nur ein Prozent.

Mit den geplanten und beschlossenen Kohleausstiegen in Deutschland und anderen europäischen Ländern werden rund zwei Drittel des europäischen Marktes für Kohlestrom verschwinden. Dies wird Auswirkungen auf den europäischen Strommarkt haben. Der Kohleausstieg wird daher mit den Stromnachbarn Deutschlands eng abgestimmt.

Der Kreis der Stromnachbarn umfasst Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Österreich, die Schweiz, Norwegen, Schweden, Dänemark, Polen und die tschechische Republik sowie die EU-Kommission und dient der engeren Zusammenarbeit und Koordinierung im Bereich Versorgungssicherheit und Strommarkt.

Am 8. April 2019 hat Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit seinen Energieministerkolleginnen und -kollegen die Empfehlungen der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung in Berlin diskutiert. Die Empfehlungen der Kommission sind dabei auf eine insgesamt sehr positive Resonanz gestoßen.