IPCEI ist die Abkürzung für „Important Project of Common European Interest“. Dabei handelt es sich um ein transnationales, wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse, das mittels staatlicher Förderung einen wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft leistet. Ein IPCEI muss

  • einen Beitrag zu den strategischen Zielen der Europäischen Union (EU) leisten,
  • von mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden,
  • eine eigene Ko-Finanzierung durch die beteiligten Unternehmen/Einrichtungen vorsehen,
  • positive Spill-over-Effekte in der gesamten EU bewirken und
  • sehr ehrgeizige Ziele in Bezug auf Forschung und Innovation verfolgen, das heißt deutlich über den internationalen Stand der Technik in dem betreffenden Sektor hinausgehen.

Das Funktionieren des Binnenmarktes hängt maßgeblich von gleichen Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsakteure ab. Staatliche Beihilfen (Subventionen), die ein Mitgliedstaat der EU einzelnen Unternehmen gewährt, können den freien Wettbewerb im besonderen Maße verfälschen. Grundsätzlich sieht der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) daher ein Verbot staatlicher Beihilfen vor. Allerdings gilt dieses Beihilfeverbot nicht ausnahmslos. Beihilfen, die mit dem Binnenmarkt vereinbar sind, kann die Europäische Kommission (KOM) genehmigen. So können beispielsweise Unterstützungsmaßnahmen im Bereich der Regionalförderung, der Energie- und Umweltpolitik oder im Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbereich unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.

Die Besonderheit eines IPCEI ist, dass es aufgrund seiner positiven Spill-over-Effekte auf den Binnenmarkt und die europäische Gesellschaft einen insgesamt sehr wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft leisten kann. Wissen, Know-how, finanzielle Mittel und Wirtschaftsbeteiligte aus der gesamten Union können/sollen zusammengeführt werden, um schwerwiegende Marktstörungen oder systemische Ausfälle zu beheben und gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen, die ansonsten nicht gelöst werden könnten. Der öffentliche Sektor und private Sektoren führen als IPCEI gemeinsam groß angelegte Vorhaben durch, die bedeutende Vorteile für die Union und ihre Bürger hervorbringen können und sollen.

Mit anderen Worten: Gibt es ein übergeordnetes, europäisches Interesse und sind die zu tätigenden Investitionen nicht von den Partnern des Vorhabens allein zu stemmen, können große und bedeutende, hoch innovative Vorhaben als IPCEI von mehreren EU-Mitgliedstaaten gemeinsam nach klaren europäischen Vorgaben gefördert werden. Die Vorgaben sind in der sogenannten IPCEI-Mitteilung der Europäischen Kommission ausgeführt.

Es werden darin drei Klassen von Vorhaben unterschieden: Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsvorhaben (FuEuI-Vorhaben, Ziffer 21), Vorhaben, die auf industrielle Nutzung zielen (Ziffer 22), sowie Umwelt-, Energie- und Verkehrsvorhaben (Ziffer 23), welche auch Infrastrukturförderung enthalten können.

Die weiteren Ausführungen in diesen FAQ beziehen sich auf Vorhaben, die industriell genutzt werden sollen. In Abgrenzung zu Forschungs- und Entwicklungsvorhaben kann sich die Förderung bei Vorhaben mit industrieller Nutzung der Ergebnisse dabei bis zum Ende der sogenannten „ersten gewerblichen Nutzung“ („First Industrial Deployment“, FID) erstrecken, das heißt bis unmittelbar vor die kommerzielle Nutzung im Rahmen einer Massenproduktion.

Bei einem IPCEI handelt es sich um ein einzelnes oder sogenanntes „integriertes“ Vorhaben, an dem in der Regel mehrere Mitgliedstaaten (mindestens jedoch zwei) beteiligt sind. In der Regel sind also Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder ähnliches aus mindestens zwei europäischen Mitgliedstaaten an dem geförderten Vorhaben beteiligt. Das Vorhaben muss zudem eine Ko-Finanzierung durch die beteiligten Unternehmen/Einrichtungen umfassen (siehe oben).

Die einzelnen Bestandteile eines IPCEI können sich auf verschiedene Stufen einer Wertschöpfungskette beziehen. Dann handelt es sich um ein „integriertes Vorhaben“, das heißt um eine Gruppe einzelner Vorhaben, die Teil einer gemeinsamen Struktur, eines gemeinsamen „Fahrplans“ oder eines gemeinsamen Programms und auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet sind. Wichtig ist, dass sich alle Vorhaben komplementär ergänzen und gleichzeitig jedes für sich genommen erforderlich ist, um das gemeinsame, wichtige europäische Ziel zu erreichen.

Die beteiligten europäischen Mitgliedstaaten benötigen für ein IPCEI eine beihilferechtliche Genehmigung der KOM. Grundsätzlich sind die Mitgliedstaaten, die beabsichtigen, eine Beihilfe zu gewähren, verpflichtet, die Beihilfe bei der KOM zu notifizieren. Die Beihilfe darf erst gewährt werden, wenn die KOM diese genehmigt hat („Anmelde- und Stillhalteerfordernis“).

Unter einer gemeinsamen Zielstellung beantragen die Mitgliedstaaten bei der KOM Einzelbeihilfen für jedes am IPCEI teilnehmende Unternehmen/Einrichtung. Die KOM achtet unter anderem darauf, dass die Ergebnisse der Vorhaben möglichst breit in die EU gestreut werden, damit möglichst viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen in den Mitgliedstaaten davon profitieren und daher keine unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des EU-Beihilferechts stattfinden.

Die Voraussetzungen und Grundlagen für die Notifizierung und anschließende Genehmigung beschreibt die IPCEI-Mitteilung der KOM. Für jeden zu fördernden Partner muss die KOM eine Einzelbeihilfe beihilferechtlich genehmigen.

Wird ein IPCEI nach der Mitteilung von 2014 notifiziert, prüft die KOM bei Vorhaben der industriellen Nutzung (Ziffer 22) vor allem, ob die geförderten Vorhaben innovativ sind und nicht die industrielle (Massen)produktion abdecken (das heißt ob sie ein innovatives Produkt entwickeln oder einen grundlegend innovativen Produktionsprozess einführen). Ferner müssen die dabei gewonnenen neuen Erkenntnisse in der gesamten EU verbreitet und Spill-over-Effekte bewirkt werden (wie zum Beispiel bei der Entwicklung von Technologien, die in mehreren Industriezweigen Anwendung finden und bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen helfen können). Ein IPCEI muss der Union als Ganzes zu Gute kommen und sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht bedeutend – also besonders groß oder mit einem hohen Risiko oder finanziellem Engagement –verbunden sein. Die KOM führt zudem eine eingehende wettbewerbsrechtliche Prüfung durch, um unverhältnismäßige Wettbewerbsverfälschungen auszuschließen.

Jeder an dem Vorhaben beteiligte Partner muss dafür individuelle Dokumente (Vorhabenbeschreibung, Finanzierungsübersicht) beim zuständigen nationalen Ministerium einreichen. Darin müssen die beteiligten Partner unter anderem ihre Bereitschaft zu sogenannten Spill-over- / Disseminations-Aktivitäten erklären, um sicherzustellen, dass der Nutzen des IPCEI nicht auf die Teilnehmenden beschränkt bleibt. Zudem muss in der Finanzierungsübersicht die Förderbedürftigkeit belegt werden, indem eine Finanzierungslücke nachgewiesen wird. In der Praxis werden diese Dokumente bei dem fachpolitisch zuständigen Ministerium gesammelt, gesichtet und auf Plausibilität geprüft, bevor eine Entscheidung über die Förderung und sodann eine förmliche Notifizierung bei der KOM über das Beihilfe-Referat des BMWK erfolgt.

Als Spill-over-Aktivität wird eine Verbreitung der Ergebnisse

  1. über die teilnehmenden Mitgliedstaaten hinaus (europäische Wirtschaft oder Gesellschaft)
  2. über die Partner hinaus (nicht auf die teilnehmenden Unternehmen beschränkt) und
  3. über den/die Sektor(en) hinaus, in dem/denen die Partner tätig sind,

gefordert. Die Partner gehen bei der Verbreitung ihrer Ergebnisse daher deutlich über die routinemäßigen und normalen Geschäftsbeziehungen, die Marketingaktivitäten oder die Verbreitung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (Publikationen, Präsentation bei wissenschaftlichen Konferenzen) hinaus.

Zudem beteiligen sich die Partner bei der Erstellung der Gesamtbeschreibung des europäischen Vorhabens, aus der die gemeinsame Struktur, der gemeinsame Fahrplan und das gemeinsame Ziel hervorgehen.

Für die Zwecke der Notifizierung reichen alle teilnehmenden Mitgliedstaaten zeitgleich bei der KOM sowohl eine Gesamtvorhabenbeschreibung ein (das sogenannte „Chapeau-Dokument“, welches von allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten und den von ihnen jeweils geförderten Partnern gemeinsam erstellt wird) als auch individuelle vertrauliche Dokumente der Partner.

Die Förderung von IPCEI ist prinzipiell themenoffen und kann für alle Bereiche relevant sein, bei denen die EU gemeinsame europäische Ziele verfolgt und die über ein hoch innovatives Merkmal verfügen. In der Mitteilung von 2014 heißt es:

„Das Vorhaben muss in konkreter, klarer und erkennbarer Weise zu einem oder mehreren Zielen der Union beitragen und signifikante Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU, auf das nachhaltige Wachstum, die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen oder die Wertschöpfung in der gesamten Union haben. Das Vorhaben muss einen wichtigen Beitrag zu den Zielen der Union leisten. Zum Beispiel muss es von großer Bedeutung für die Europa-2020-Strategie, den Europäischen Forschungsraum, die Europäische Strategie für KET, die Europäische Energiestrategie, den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030, die Europäische Energiesicherheitsstrategie, die Strategie der EU für den Elektroniksektor, die transeuropäischen Netze in den Bereichen Verkehr und Energie, die Leitinitiativen der Union wie die Innovationsunion, die Digitale Agenda für Europa, das Ressourcenschonende Europa oder die Integrierte Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung sein.“

Im Januar 2018 hat die KOM das sogenannte „Strategic Forum for Important Projects of Common European Interest“ eingesetzt, in dem die europäischen Mitgliedstaaten mit Industrie- und Wissenschaftsvertreterinnen und -vertretern gemeinsam an der Frage gearbeitet haben, welche Wertschöpfungsketten in der EU zu den wichtigsten und strategisch bedeutsamsten für die Sicherung der Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gehören könnten.

In einem einjährigen Auswahlverfahren hat das Strategische Forum IPCEI neben den Schlüsseltechnologien Mikroelektronik, Hochleistungscomputer und Batteriezellfertigung sechs weitere wichtige strategische Wertschöpfungsketten für Europa identifiziert: Vernetzte, saubere und autonome Fahrzeuge, Smart Health, CO2 -arme Industrie, Wasserstofftechnologien und -systeme, Internet of Things und Cybersecurity. Am 5.11.2019 veröffentlichte das Strategische Forum seinen Abschlussbericht mit Aktionsplänen zu jeder einzelnen Wertschöpfungskette, inklusive konkreter Handlungsempfehlungen – auch zur Vorbereitung pan-europäischer industrieller Kooperationen mit Hilfe des IPCEI-Instruments.

Die neue EU-Industriestrategie sieht ab September 2020 die Einrichtung eines Industrieforums mit Vertretern der MS, der Industrie und KOM vor, welches die Arbeit der KOM an industriellen Ökosystemen begleiten und damit an die Arbeit des Strategischen Forums anknüpfen wird. Soweit nötig, sollen zudem Industrieallianzen – nach dem Vorbild der European Battery Alliance – gegründet werden, um unter anderem die Arbeit in den einzelnen Wertschöpfungsketten und die Koordinierung weiterer IPCEI zu unterstützen. In Kürze wird die KOM einen ersten Vorschlag im Hinblick auf eine European Clean Hydrogen Alliance vorlegen.

  • Das Vorhaben muss von bedeutender, innovativer Natur sein oder einen wichtigen innovativen Mehrwert unter Berücksichtigung des Stands der Technik in dem betreffenden Sektor darstellen.
  • Es muss sich um ein Vorhaben mit einem erheblichen Anteil an Forschung und Entwicklung gerade auch während der FID-Phase handeln.
  • Ein Vorhaben, dessen Ergebnisse industriell genutzt werden sollen, muss die Entwicklung eines neuen Produkts oder einer neuen Dienstleistung mit hohem Forschungs- und Innovationsgehalt und/oder die Einführung eines grundlegend innovativen Produktionsprozesses ermöglichen.
  • Regelmäßige Aktualisierungen oder die Entwicklung neuer Versionen bereits bestehender Produkte kommen nicht als Vorhaben eines IPCEI in Betracht.

Jede staatliche Beihilfe ist nur insoweit zulässig, als sie erforderlich und angemessen ist beziehungsweise den Wettbewerb nicht unverhältnismäßig verfälscht. Auch Beihilfen für ein IPCEI dürfen weder eine Subvention für die Kosten eines Vorhabens darstellen, das ein Unternehmen ohnehin durchgeführt hätte, noch das übliche Geschäftsrisiko einer Wirtschaftstätigkeit ausgleichen. Neu ist nach der Mitteilung von 2014, dass Beihilfen nunmehr auch für die erste gewerbliche Nutzung eines FuE-Vorhabens, etwa zur industriellen Pilotierung, möglich sind.

Beihilfen gelten zudem nur dann als angemessen, wenn ausgeschlossen ist, dass dasselbe Ergebnis auch mit einer geringeren Beihilfe erreicht werden könnte.

Für IPCEI bedeutet das, dass die Förderung (nur) die Finanzierungslücke decken und nicht weiter reichen soll, als dass eine hinreichende Rentabilität des Vorhabens gewährleistet wird. Grundsätzlich soll eine Ko-Finanzierung durch den Empfänger der Beihilfe erfolgen (siehe oben). Nach der IPCEI-Mitteilung sind bis zu 100 % der beihilferechtlich anerkannten förderfähigen Kosten bis zur Höhe der Finanzierungslücke (sogenannter „Funding Gap“ – Definition siehe IPCEI Mitteilung) zuwendungsfähig. Die Entscheidung darüber trägt jedoch der zuständige Mitgliedstaat im Rahmen der Vorgaben der beihilferechtlichen Genehmigung und der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten. Die Partner müssen sich in jedem Fall mit einem erheblichen Eigenanteil beteiligen. Rückzahlbare Beihilfeinstrumente sind grundsätzlich vorzuziehen.

Für die Praxis heißt das: Die Mitgliedstaaten können für IPCEI rückzahlbare Vorschüsse, Kredite, Garantien oder nichtrückzahlbare Zuschüsse gewähren. Die Art der Förderung (zuwendungsfähige Kosten/Ausgaben, Förderquote, Förderzeitraum etc.) wird für jedes IPCEI vom zuständigen Fördermittelgeber, das heißt dem betroffenen Mitgliedstaat, im Rahmen der Vorgaben der beihilferechtlichen Genehmigung festgelegt. Die beteiligten Mitgliedstaaten stellen die Fördermittel aus ihrem nationalen Haushalt zur Verfügung. Die KOM beteiligt sich bisher nicht an der Förderung von IPCEI. Dies ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Die Europäische Kommission verpflichtete die beteiligten Mitgliedstaaten im Rahmen der bisherigen Genehmigungspraxis dazu, unter bestimmten Voraussetzungen eine Rückgriffklausel (sogenannte „Clawback-Klausel“) umzusetzen. Das heißt, der betroffene Mitgliedstaat muss nach Ende des Förderzeitraums überprüfen, ob eine „Überförderung“ stattgefunden hat, und bejahendenfalls die Fördermittel anteilig oder komplett zurückfordern. Diese Klausel stellt sicher, dass nach Ende des Förderzeitraumes keine unverhältnismäßigen Wettbewerbsvorteile für die am IPCEI beteiligten Partner entstehen.

Allgemeine Informationen zur Beihilfenkontrollpolitik finden Sie auf der Internetseite des BMWK unter Informationen zur Beihilfekontrollpolitik.

Hier erhalten Sie weitere Informationen zum Strategic Forum on Important Projects of Common European Interest" (IPCEI).