Um Reallabore als Instrument der Digitalisierung zu stärken, verfolgt das BMWi drei Ziele:
1. Reallabore brauchen rechtliche Spielräume
Wenn wir dem Fortschritt nicht „regulatorisch hinterherlaufen“ wollen, brauchen wir in Zukunft mehr Flexibilität und „Luft zum Atmen“. Experimentierklauseln und Ausnahmeregelungen stellen zentrale Bausteine dar, um den Rechtsrahmen innovationsoffen und zukunftsorientiert zu gestalten. Diese Instrumente müssen gestärkt werden. Ein Teil der Reallabore-Strategie zielt deshalb darauf ab, neuen Gesetzen und Verordnungen durch die verstärkte Anwendung von Experimentierklauseln mehr Flexibilität zu verleihen.
Vor diesem Hintergrund haben wir eine BMWi-Arbeitshilfe zur Formulierung von Experimentierklauseln (PDF, 3 MB) entwickelt, die die gesetzgebenden Stellen bei der Schaffung und Weiterentwicklung von rechtssicheren und innovationsoffenen Experimentierklauseln unterstützen. Die Arbeitshilfe beschreibt fünf Schritte zur Entwicklung einer Experimentierklausel sowie einen konkreten „Setzkasten“ als Formulierungshilfe. Sie basiert auf einem umfangreichen Gutachten (PDF, 5 MB) der Kanzlei Noerr im Auftrag des BMWi.
Das Gutachten „Reallabore – Überblick über internationale regulatorische Ansätze und ihre Umsetzbarkeit in deutsches Recht“ zeigt, welche rechtlichen Erprobungsansätze weltweit zum Einsatz kommen. Davon ausgehend untersucht es für Frankreich, Dänemark und Japan im Detail, welche Ansätze in das deutsche Recht überführt werden könnten. Die Veröffentlichung weiterer Gutachten erfolgt in Kürze.
Auch das europäische Recht spielt oft eine wichtige Rolle für Reallabore. Im Rahmen der deutschen Präsidentschaft hat der Rat der Europäischen Union am 16. November 2020 Ratsschlussfolgerungen zu Reallaboren und Experimentierklauseln beschlossen. Damit haben die EU-Mitgliedstaaten erstmals ein gemeinsames europaweites Verständnis geschaffen, was Reallabore (englisch: „regulatory sandboxes“) sind und welche Chancen sie bieten. Wenn es nun darum geht, die gesetzlichen Grundlagen für Reallabore zu verbessern, ist nun vor allem die Europäische Kommission gefragt. Ebenso rufen die Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Best-Practise-Austausch auf, über den die Kommission im Jahr 2021 umfassend berichten soll.
2. Know-how-Transfer und Vernetzung
Wir müssen Unsicherheiten und Informationsdefizite abbauen sowie die Vernetzung und den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung verbessern. In vielen laufenden und geplanten Projekten tauchen immer wieder dieselben Fragen auf: Ist so etwas rechtlich möglich? An wen muss ich mich wenden? Wo finde ich mögliche Projektpartner? Was muss ich mit Blick aufs Beihilfe- und Wettbewerbsrecht beachten und wie steht es um Fragen der Haftung und Versicherung? Wer kann mich unterstützen?
Die Beantwortung dieser Fragen kosten Zeit und Kraft – nicht selten ein Grund dafür, dass innovative und Erfolg versprechende Ideen nicht umgesetzt werden.
„Handbuch Reallabore“
Unser Ziel ist es, Informationsdefizite abzubauen, Synergieeffekte zu nutzen und Doppelarbeit zu vermeiden. Das BMWi hat daher das „Handbuch Reallabore“ entwickelt, das die relevanten Akteure in die Lage versetzen soll, die richtigen und notwendigen Fragen zu stellen und gleichzeitig bei der Beantwortung dieser Fragen unterstützen soll. Gleichzeitig informiert das Handbuch über rechtliche Fragestellungen und zeigt gelungene Beispiele aus der Praxis.
Forschungsgutachten zu Reallaboren, Online-Konsultation Das BMWi hat ein Gutachten mit dem Titel „Potenziale und Anforderungen regulatorischer Experimentierräume (Reallabore)“ an die VDI-Technologiezentrum GmbH vergeben, die das Thema zusammen mit der Münchner Kanzlei Bird & Bird LLP umfangreich bearbeitet hat. In dem Gutachten wurde zunächst ein umfassendes Screening bestehender Projekte in Deutschland vorgenommen, die zumindest teilweise einen Reallabor-Ansatz verfolgen. Im Rahmen von sechs Fallstudien wurde anschließend für ausgewählte Branchen und Anwendungsfälle analysiert, welche Hürden bei der Umsetzung bestehen, aber auch welche Chancen und Möglichkeiten die Projekte bieten. Die Fallstudien stehen unter den folgenden Links zum Download zur Verfügung: - Delivery Robot Hamburg (PDF, 200 KB) Auf der Basis der Fallstudien haben die Auftragnehmer einen Leitfaden für die Schaffung von Reallaboren entwickelt. Dieser Leitfaden-Entwurf (PDF, 967 KB) wurde im Rahmen einer Online-Konsultation im Frühjahr 2019 durch die Expertinnen und Experten des Netzwerks Reallabore auf seine Praxistauglichkeit hin überprüft. Dabei wurden die Mitglieder des Netzwerks auch gebeten, eigene Beispiele für interessante Praxisprojekte vorzustellen. Die Ergebnisse des Forschungsgutachtens und die Hinweise und Ideen aus dem Netzwerk Reallabore bilden schließlich die Grundlage für das „Handbuch Reallabore“. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Konsultationsprozesse (PDF, 373 KB) stehen zum Download zur Verfügung. |
„Netzwerk Reallabore“
Durch die Einrichtung eines „Netzwerk Reallabore“ soll der Austausch und die Vernetzung zwischen den Stakeholdern erleichtert werden und Informationen über rechtliche Möglichkeiten, zukünftige Reallabore-Wettbewerbe oder Praxisbeispiele aus dem In- und Ausland verbreitet werden. Das Netzwerk kann auch dazu dienen, Projektpartner, wie zum Beispiel ein Start-up mit einer innovativen Idee und eine experimentierfreudige Gemeinde, zusammenzuführen. Das erste Treffen des Netzwerks fand am 28. August im BMWi statt. Auch zwischen den Bundesministerien wird die Vernetzung durch die bestehende interministerielle Arbeitsgruppe gestärkt.
Interministerielle Arbeitsgruppe „Reallabore als Testräume für Innovation und Regulierung“ Das BMWi versteht Reallabore als ordnungspolitisches Querschnittinstrument. Darüber hinaus trägt das BMWi innerhalb des Ressortkreises nicht nur die Verantwortung für die Innovations- und Digitalisierungspolitik, sondern auch für den Bereich Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung. Gleichzeitig gehen die konkreten Anwendungsfelder weit über die Zuständigkeiten des BMWi hinaus. Auch der Koalitionsvertrag 2018 hat das klare Ziel, Reallabore und Experimentierräume in ganz unterschiedlichen Themenbereichen voranzutreiben. Die enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ressorts ist daher zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung unserer Reallabore-Strategie. Um den Austausch zu vereinfachen, wurde die interministerielle Arbeitsgruppe „Reallabore“ ins Leben gerufen. Die Auftaktsitzung der Arbeitsgruppe fand am 27. November 2018 in Berlin statt. Es gibt einen breiten Konsens, dass Reallabore in Zeiten des digitalen Wandels ein wichtiges und notwendiges Instrument darstellen, um den Regulierungsrahmen weiterzuentwickeln und Innovation in Deutschland zu ermöglichen. |
3. Reallabore in der Praxis erproben
Wir wollen die Erprobung von Innovation und Regulierung durch eigene Projekte stärker in der Praxis verankern, mit positiven Beispielen vorangehen und zeigen, dass Reallabore einen wertvollen Beitrag für Innovationen in Deutschland leisten können. Durch Reallabore-Wettbewerbe sollen herausragende Ideen und Projekte aus der Praxis sichtbar gemacht und begleitet werden. Das BMWi hat am 2. Dezember 2019 mit dem "Innovationspreis Reallabore" den ersten Wettbewerb gestartet, für den sich Unternehmen, Verwaltungen und Forschungseinrichtungen bewerben konnten. Am 26. Mai wurden die neun Sieger im Rahmen einer Online-Veranstaltung ausgezeichnet. Alle Infos über den Wettbewerb und die Preisträger finden Sie hier.
„Reallabore der Energiewende“ Parallel zu der hier vorgestellten themenübergreifenden Initiative zur Stärkung von Reallaboren hat das BMWi im 7. Energieforschungsprogramm eine neue Fördersäule „Reallabore der Energiewende“ geschaffen. Ziel ist es, den Technologie- und Innovationstransfer von der Forschung in den Energie-Markt durch großangelegte und systemdienliche Demonstrationsvorhaben in Kombination mit zukunftsfähigen Geschäftsmodellen zu beschleunigen. Im Rahmen der Reallabore der Energiewende wurde ein Ideenwettbewerb gestartet: www.energieforschung.de. Daneben existiert bereits das BMWi-Programm „Schaufenster Intelligente Energie – digitale Agenda für die Energiewende“, in dem unter Nutzung einer Experimentierklausel technische, wirtschaftliche und regulatorische Herausforderungen der Energiewende adressiert werden.“ |