30 Jahre nach der Friedlichen Revolution bleibt es das politische Ziel der Bundesregierung, gleichwertige Lebensverhältnisse überall im Land anzustreben, bestehende Disparitäten zu verringern und deren Verfestigung zu verhindern. Die Angleichung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensverhältnisse zwischen alten und neuen Bundesländern ist bis heute weit vorangekommen: Verkehrs-, Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur wurden massiv modernisiert und erweitert. Der bauliche Zustand der Städte und Dörfer hat sich sichtbar verbessert, der in DDR-Zeiten entstandene Sanierungs- und Modernisierungsstau wurde weitgehend abgebaut.
Die neuen Länder sind ein attraktiver Standort für die Neuansiedlung junger, innovativer Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Besonders anschaulich wird dies im Bereich der erneuerbaren Energien. Umwelt- und Energietechnologien sind in den neuen Ländern überdurchschnittlich stark vertreten und in zunehmendem Maße bedeutsam für die wirtschaftliche Entwicklung. Auf dem Arbeitsmarkt in den neuen Ländern erreichte die Arbeitslosenquote im Jahr 2018 mit 6,9 Prozent einen neuen historischen Tiefstand. Gegenüber dem Westen, wo die Quote nur 4,8 Prozent beträgt, liegt der Wert aber immer noch deutlich höher.
Trotz aller Erfolge verläuft der wirtschaftliche Aufholprozess im Vergleich zu den alten Bundesländern seit einigen Jahren äußerst verhalten. Denn: Nicht nur diedie Wirtschaft in den neuen, sondern auch die starke, international gut eingebundene Wirtschaft der alten Bundesländer (als Bezugsgröße) wächst. Dies führt dazu, dass sich der Abstand nur sehr langsam verringert.
Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2020
In Würdigung des 30-jährigen Jubiläums der Wiedervereinigung zieht der Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2020 eine Bilanz der Aufbauleistung.
Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung präsentiert sich die Bundesrepublik Deutschland als ein erfolgreiches Land, welches seinen Bürgerinnen und Bürgern im Vergleich zu vielen anderen Ländern eine insgesamt hohe Lebensqualität bietet. Innerhalb Deutschlands ist die Angleichung der Lebensverhältnisse weit vorangekommen, auch wenn teilweise noch erhebliche regionale Disparitäten in den Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten, bei der Ausstattung mit Infrastruktur und Angeboten der Daseinsvorsorge bestehen (PDF, 230 KB). Unterschiede bei den Einkommen und den Löhnen werden teilweise durch regionale Unterschiede in den Lebenshaltungskosten relativiert.
Die Ergebnisse zeigen, je nach betrachtetem Themenfeld, dass die regionalen Unterschiede nicht mehr ausschließlich und nicht primär ein „Ost“-„West“-Gefälle sind, sondern Differenzen zwischen strukturschwachen und -starken Gebieten sowie zwischen urbanen und ländlichen Räumen.
Gleichzeitig ist die Bevölkerung heterogener geworden; Globalisierung und Digitalisierung verändern das Leben der Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich und immer schneller.
Deutschland hat viele dieser Veränderungen gut gemeistert. Auch wenn die enormen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie noch nicht absehbar sind, lässt sich sagen, dass die Lebensqualität heute insgesamt gesehen einen Höchststand erreicht. Die weitaus meisten Menschen blicken zuversichtlich in die Zukunft.
Trotz der eindrucksvollen Erfolge stellt der Stand der deutschen Einheit jedoch nicht alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen zufrieden. In den neuen Ländern wirken bis heute die Folgen der DDR-Diktatur und der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche nach der Wiedervereinigung nach. Gleichzeitig sind die Veränderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte für viele Bürgerinnen und Bürger – in den alten und in den neuen Ländern – mit Sorgen und Verunsicherungen verbunden, die zu neuen Polarisierungen in unserer Gesellschaft geführt haben.
Der Jahresbericht geht darauf ein, dass die Bundesregierung im Jahr 2019 die Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ (Kommissionsvorsitzender ist MP a. D. Platzeck, PSt Wanderwitz ist sein Stellvertreter) berufen hat. Ende dieses Jahres wird die Kommission über ihre Arbeit und die Ergebnisse der durchgeführten Bürgerdialoge berichten.
Der Jahresbericht stellt darüber hinaus umfassend die Programme und Initiativen dar, mit denen die Bundesregierung den Aufbau Ost und das Zusammenwachsen von Ost und West unterstützt und flankiert hat.
Im Rückblick wird sichtbar, welch große und auch erfolgreiche Kraftanstrengung die Bürgerinnen und Bürger des vereinten Deutschlands und ihre Institutionen gemeinsam vollbracht haben.
Auch aus der jährlichen repräsentativen Arbeitgeberbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung lassen sich viele interessante Erkenntnisse, auch mit Blick auf wirtschaftliche Angleichung zwischenalten und neuen Ländern, gewinnen.
Die zentralen Ergebnisse der Befragung der Unternehmen von 2018 (PDF, 1 MB) zeigen: Mehr als in den alten Ländern bilden qualifizierte Fachkräfte in den neuen Ländern die Basis der Wirtschaft. 83 Prozent aller Beschäftigten in den neuen Ländern sind auf Arbeitsplätzen tätig, die eine Berufsausbildung oder eine akademischen Abschluss erfordern (alte Länder 73 Prozent). In fast zwei Drittel der Betriebe in den neuen Ländern gibt es mittlerweile keine Arbeitsplätze mehr für Un- und Angelernte. Daher ist es besonders kritisch, dass die Deckung des Fachkräftebedarfs immer schwieriger wird. Knapp 60 Prozent der Betriebe in Deutschland mit Fachkräftebedarf waren im ersten Halbjahr 2018 nicht oder nur teilweise erfolgreich bei der Gewinnung von qualifiziertem Personal. Der Anteil der nicht besetzten offenen Fachkräftestellen stieg in den neuen Ländern auf einen Höchstwert von 41 Prozent (alte Länder39 Prozent). Wie schon in den Vorjahren gelang es insbesondere Kleinstbetrieben häufig nicht, ihren Fachkräftebedarf zu decken; 60 Prozent ihrer Fachkräftestellen blieben unbesetzt (Durchschnitt Ost 41 Prozent).
Die Ausbildungsbeteiligung der Betriebe in den neuen Ländern ist deutlich höher als vor fünf Jahren. Von den ausbildungsberechtigten Betrieben (40 Prozentneue Länder, 56 Prozent alte Länder) beteiligten sich 2018 47 Prozent in den neuen Ländern (alte Länder54 Prozent) an der Ausbildung. Die geringere Ausbildungsquote in den neuen Ländern lässt sich zum Teil damit erklären, dass jüngere und kleinere Betriebe sich seltener an der Ausbildung beteiligen.
Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland - Gemeinsam gegen den Nachwuchsmangel
In dem Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland engagieren sich Vertreterinnen und Vertreter von Schulen und Unternehmen ehrenamtlich, um Schülerinnen und Schülern den Übergang von der Schule in das Berufsleben zu erleichtern. Auf der Bundesebene wird das Netzwerk von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln getragen, auf Landesebene von Dachverbänden und Bildungswerken der Arbeitgeber in Partnerschaft mit den Ministerien. Das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland macht nachahmenswerte Ideen und praxiserprobte Methoden zur Berufsorientierung und Fachkräftesicherung bekannt. Ziel ist es, Fachkräfte für die neuen Bundesländer zu gewinnen und den Wirtschaftsstandort zu stärken. Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer fördert das Netzwerk.
Derzeit sind in den neuen Ländern über 90 lokale Arbeitskreise aktiv, in denen Vertreterinnen und Vertreter aus Schulen und Wirtschaft ehrenamtlich zusammenarbeiten. Die Mitarbeit ist zeitintensiv aber von hohem Mehrwert für die Schülerinnen und Schüler und die Unternehmen. Damit auch künftig schlagkräftige Arbeitskreise existieren, die vielfältige Aktivitäten anbieten, fördert der Beauftragte für die neuen Länder die Arbeit des Netzwerks mit dem Projekt „Zusammenarbeit zukunftsfähig gestalten“ in den Jahren 2019 bis 2021.
Gesamtdeutsches Fördersystem nach Auslaufen des Solidarpaktes ab 2020
Der Bund hat die neuen Länder (einschließlich Berlin) seit der Wiedervereinigung dabei unterstützt, die teilungsbedingten Sonderlasten abzubauen und die Infrastrukturlücke gegenüber den alten Ländern zu schließen. Der Bund-Länder-Finanzausgleich einschließlich des Solidarpakts II lief 2019 aus. Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag 2018 vereinbart, Ende 2019 ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen einzuführen. Dazu hatte sie bereits 2015 erste Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Regionalpolitik für ganz Deutschland vorgelegt. Die Umsetzung einiger Maßnahmen wie zum Beispiel das gesamtdeutsche Programm „Innovation & Strukturwandel“ oder die Ausweitung von INNO-KOM auf alle strukturschwachen Regionen, wurde im Fortschrittsbericht zur Weiterentwicklung des Fördersystems im Jahr 2017 dokumentiert.
Zum 1. Januar 2020 hat die Bundesregierung ihre Regionalförderung neu aufgestellt und unter dem Dach des Gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen gebündelt. Von den über 20 Förderprogrammen und Initiativen aus sechs Bundesressorts profitieren alle strukturschwachen Regionen in ganz Deutschland, also in alten und neuen Ländern, in Stadt und Land gleichermaßen. Das Gesamtdeutsche Fördersystem folgt dem Auslaufen des Solidarpaktes II (Korb II) zum Ende des Jahres 2019 und ist eine der zwölf prioritären Maßnahmen der Bundesregierung zur Umsetzung der Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“. Weitere Informationen zum Gesamtdeutschen Fördersystem finden Sie hier.