Prof. Dr. Hendrik Send

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Die Studie „Smart Energy in Deutschland: Wie Nutzerinnovationen die Energiewende voranbringen” identifiziert Menschen, die bereits Produkte im Bereich Smart Energy nutzen und erforscht deren Motive, Nutzungsverhalten und Probleme. Darüber hinaus skizziert die Studie des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft und der Beratungsgesellschaft co2online das Potential von Innovationen im Themenfeld.

Herr Professor Send, in der Studie „Smart Energy in Deutschland“ untersuchen Sie die Nutzung und Akzeptanz von Smart-Energy-Lösungen. Sie skizzieren zudem das Potential von Innovationen der Nutzerinnen und Nutzer. Wer sind die Menschen, die sich hier engagieren und was treibt sie an?

Der Anteil der Menschen in Deutschland, die Vorreiter bei der Nutzung innovativer Produkte im Smart-Energy-Sektor sind, ist wie meist bei technologischen Neuerungen recht gering. Nur 12 Prozent der Befragten nutzen Innovationen sofort und haben ein ausgeprägtes Interesse an Neuem. Von diesen geht wiederum nur ein Teil über die reine Nutzung der Produkte hinaus: 6-7 Prozent der Menschen in Deutschland beschäftigen sich privat damit, Smart-Energy-Lösungen weiterzuentwickeln.

Meist möchten diese Menschen ihren eigenen Energieverbrauch senken oder überwachen. Viele nennen auch Spaß an der Beschäftigung mit dem Thema oder den Wunsch, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Oft führt die Unzufriedenheit mit existierenden Produkten oder Lösungen dazu, selbst aktiv zu werden.

Ihre Forschung bezieht sich auf Smart-Energy-Nutzung im privaten Bereich. Sehen sie in Ihren Ergebnissen auch Ansatzpunkte für Smart-Energy-Lösungen im öffentlichen Raum?

Die Grundidee von smarten Technologien liegt darin, Lebensqualität zu verbessern und Ressourcen effizienter zu verwenden. Insofern sind Erkenntnisse dazu, wie Nutzerinnen und Nutzer in die Weiterentwicklung von smarten Lösungen einbezogen werden können, unabhängig vom Anwendungsfall zu sehen. Die Vielfalt der Bedarfe für Smart-Energy-Lösungen im öffentlichen Raum kann man in modernen Flughäfen oder Cafés studieren. Wir arbeiten mit immer mehr energiehungrigen Endgeräten und zunehmend auch einem breiten Spektrum von Mobilitätsgeräten. Im öffentlichen Raum haben wir also sehr heterogene Bedürfnisse und eine One-Size-Fits-All-Lösung ist nicht absehbar. Hier sollten Kommunen, Städte und Quartiere mit den Bürgern und Vorreitern eng zusammen zu arbeiten und Angebote finden, die jeweils zur Situation vor Ort passen. Damit können sie ihre Attraktivität merklich steigern.

Wir haben in der Studie herausgefunden, dass finanzielle Aspekte, Datenschutzbedenken oder ungenügende Informationen zu Lösungen häufig Gründe dafür sind, Innovationen nicht anzunehmen. Dieses Wissen lässt sich auf den Bereich Smart Cities & Smart Regions übertragen. Wenn die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger von Anfang an in die Entwicklung einfließen, wenn der Zweck einer Lösung deutlich wird und wenn durch Transparenz Vertrauen geschaffen wird, dann kann sie sich auch durchsetzen.

Um über die Nutzung hinausgehend zu forcieren, dass Bürgerinnen und Bürger an der Weiterentwicklung der Lösungen mitwirken, ist ein einfacher Zugang zur Technologie notwendig. Open Source ist hier ein mächtiges Werkzeug: Dort, wo Bürgerinnen und Bürger sich einbringen und tüfteln können, dort können Lösungen geschaffen werden, die beispielsweise zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen können.

An welchem Punkt im Prozess ist es sinnvoll, Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen?

Insbesondere zu Beginn eines Entwicklungsprozesses müssen die Personen einbezogen werden, für die ein Produkt relevant sein kann. Wer fragt, was Bürgerinnen und Bürger sich wünschen, der bekommt auch Antworten. Vor allem dann, wenn ihnen dabei deutlich wird, dass sie mit ihrem Engagement die Infrastruktur des eigenen Wohnorts weiterentwickeln können. So etwas spornt an.

Wenn Wünsche, Bedürfnisse und Sorgen offline, beispielsweise in Bürgerdialogen, formuliert worden sind, können im nächsten Schritt kleinere Zielgruppen, technisch versierte Personen und Tüftler, online gut erreicht werden. Diese Personen informieren sich im Netz und diskutieren dort. Sie sind oft dadurch motiviert, in einem Ideenwettbewerb zu stehen und haben einen sportlichen Ehrgeiz. Das können Entwickler nutzen. Wer die Menschen einbezieht, der verbindet den Aufbau von Akzeptanz mit dem Schwarmwissen, das dafür nötig ist, technischen Fortschritt zu erreichen.

Eine weitere Motivation für Bürgerinnen und Bürger kann die monetäre Beteiligung am technischen Fortschritt sein. In Dessau wurde beispielsweise ein Wärmespeicher zur Nutzung regenerativer Energien unter Einbezug der Bürgerinnen und Bürger errichtet. Diese profitieren auch finanziell an der Umsetzung. Das schafft Akzeptanz.