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Branchenskizze

Die deutsche Lederindustrie war in den letzten Jahrzehnten einem dramatischen Anpassungsprozess ausgesetzt. Sie verlor wichtige Abnehmer durch Abwanderung in Niedriglohnländer. Andererseits waren viele Betriebe auch wegen geringer Betriebsgrößen nicht bereit und in der Lage, selbst in großem Umfang Produktionen an kostengünstigere Standorte zu verlagern. Dadurch fehlte vielen Betrieben die Möglichkeit, flexibel auf den industriellen Aufholprozess der Entwicklungs- und Schwellenländer und die verschärften Umweltauflagen in Deutschland zu reagieren. Die Folge war ein gravierender Schrumpfungsprozess in der Ledererzeugung in Deutschland. So ist die Anzahl der Betriebe von 173 zum Jahresende 1970 auf 12 zum Jahresende 2017 zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum verringerte sich die Zahl der Beschäftigten von 13.337 auf 2.022. Der Umsatz belief sich im Jahr 2017 auf etwa 433,5 Millionen Euro.

Die wesentlichen Ursachen für den Rückgang der deutschen Lederindustrie:

  • Erheblicher Wettbewerbsdruck durch den Aufholprozess der Entwicklungsländer. In den 1970er Jahren bauten die Entwicklungsländer eigene Lederindustrien auf, die ständig Marktanteile hinzugewonnen haben. Neben den bekannten Kostenvorteilen wie niedrige Löhne kommt hinzu, dass die Lederindustrien in den Entwicklungsländern direkten Zugang zu sehr preiswerter Rohware (Häute, Felle) haben. Sie verfügen über circa 70 Prozent des gesamten Bestandes an Rindern und Kälbern auf der Welt und produzieren über 50 Prozent aller Häute und Felle. Zur Absicherung der heimischen Produktion haben die Entwicklungsländer Mitte der 1970er Jahre Marktzugangsbeschränkungen insbesondere für Häute eingeführt. Heute sind die Lederindustrien in den Entwicklungsländern so gewachsen, dass der Rückgriff auf eigene Rinderhäute nicht mehr genügt und auf Importe von Häuten und Fellen angewiesen. In vielen Entwicklungsländern ist der Aufbau eigener Fabrikationen mit Subventionen gefördert worden. Unter der mächtigen Konkurrenz aus den Entwicklungsländern, begünstigt durch sehr niedrige Einstandspreise für Rohware, geringe Löhne und staatliche Beihilfen, geriet die deutsche Ledererzeugung unter enormen Wettbewerbsdruck.
  • Abwanderung der deutschen Schuhindustrie und Lederwarenindustrie in Niedriglohnländer. Damit verlor die deutsche Lederindustrie sukzessive bedeutende Abnehmer mit denen traditionelle Lieferverbindungen bestanden.
  • Hohe Umweltstandards in Deutschland. Die Lederindustrie ist traditionell überproportional stark an Umweltbelastungen beteiligt. Durch die ständig verschärften Umweltbestimmungen in Deutschland sind die Umweltschutzkosten der deutschen Lederindustrie immer weiter gestiegen. Im Durchschnitt der Jahre 1985 - 1992 war in der Ledererzeugung der Umweltkostenanteil bei den Investitionen von allen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes am höchsten. Dadurch wurden die deutschen Ledererzeuger vergleichsweise stärker belastet, als die Mitbewerber in anderen Staaten. Die Lederindustrie musste sich gegen Erzeugnisse aus Ländern behaupten, die keine oder nur geringe Umweltkosten hatten, weil dort entweder keine Umweltschutzbestimmungen bestanden oder nicht konsequent durchgesetzt wurden („ökologisches Dumping“). Damit ergab sich für die Lederindustrie in Deutschland ein Standort- bzw. Wettbewerbsnachteil verbunden mit einem hohen Preisdruck. Die erforderlichen Umweltinvestitionen überstiegen daher die finanziellen Möglichkeiten vieler ohnehin ums Überleben kämpfender Betriebe. Im Fokus der Betriebsstilllegungen standen vorwiegend die Chromgerber wegen dem produktionsbedingten Anfall von umweltschädlichen chromhaltigen Abwässern und Klärschlämmen.

Die deutsche Lederindustrie ist mittelständisch strukturiert. Sie konzentriert sich vorrangig auf die alten Bundesländer mit den Schwerpunkten Baden-Württemberg und Bayern.

Die Betriebe in Deutschland haben sich auf die Herstellung von hochwertigem Leder konzentriert und produzieren aktuell rund 8 Millionen Quadratmeter Flächenleder. Davon entfielen im Einzelnen Anteile auf die folgenden Positionen: 75 Prozent Auto- und Möbelleder, 15 Prozent Schuhleder sowie 10 Prozent Leder für hochwertige Lederwaren und Reitsportartikel. Dabei ist von Bedeutung, dass die deutschen Hersteller direkten Zugriff auf Rinderhäute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben, die qualitativ zu den besten der Welt zählen (geringer Schädlingsbefall und hervorragende Pflege der Tiere).

Ungefähr die Hälfte der deutschen Lederbetriebe sind „Voll-Gerber“, das heißt der Produktionsprozess beginnt bei den unbehandelten Häuten und endet beim fertigen Leder. Bei den anderen Betrieben beginnt die Fertigung beim sogenannten „wet blue“ (die von Haaren, Muskel- und Fettresten befreiten und einer ersten Gerbung unterzogenen Häute, die dabei verwendeten Chromsalze verleihen den Häuten einen blauen Farbton).

Die deutsche Lederproduktion hat nach der Abwanderung wichtiger Leder-Verarbeiter (z. B. Schuhindustrie) an Bedeutung verloren. Die Lederimporte und -exporte sind ungleich höher als die inländische Produktion. Dies ist auch eine Folge der hohen Re-Exporte der deutschen Schuhindustrie, die ihre Lederkäufe über Deutschland organisiert, wobei hier in Zentrallagern hohe Bestände gehalten werden. In Europa ist Deutschland die drittgrößte lederproduzierende Nation hinter Italien und Spanien.

Konjunkturelle Entwicklung der Lederindustrie

Die deutsche Lederindustrie hatte im ersten Quartal 2018 – mit Ausnahme des Außenhandels – überwiegend Wachstumsraten zu verzeichnen. Im Vergleich mit dem Vorjahresergebnis erhöhte sich der Umsatz mit 114,7 Millionen Euro um 3,3 Prozent. Einen Anstieg in Höhe von 4,1 Prozent auf 107,0 Millionen Euro konnte die Produktion verzeichnen. Binnen eines Jahres nahm die Zahl der Beschäftigten um 2,9 Prozent auf 2.047 zu, während sich die Anzahl der Betriebe mit 12 nicht veränderte.

Im ersten Quartal 2018 verzeichnete der Außenhandel mit Leder folgende Entwicklung: Der Export war gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,9 Prozent auf rund 171,6 Millionen Euro und der Import um 10,7 Prozent auf rund 135,5Millionen Euro zurückgegangen. Dadurch erhöhte sich der Ausfuhrüberschuss um 56,3 Prozent auf 36,1 Millionen Euro.

Das Bundeswirtschaftsministerium ist Ansprechpartner für die wirtschaftspolitische Begleitung der Lederindustrie zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung von Beschäftigung.

Eckdaten der deutschen Lederindustrie

in Millionen EUR1970200020162017Veränderung
ggü. Vorjahr in %
2016/2017
Januar- März 2018
Umsatz422,9536,4424,1433,52,2114,7
Produktion465,6439,6394,8401,61,7107,0
Einfuhren207,1633,1579,3561,7-3,0135,5
Ausfuhren128,2759,0691,1695,80,7171,6
Einfuhrüberschuss78,9-125,9-111,8-134,1-19,9-36,1
Beschäftigte (Anzahl)13.3373.1331.9712.0222,62.047
Betriebe (Anzahl)173251212012