Artikel - Europäische Mittelstandspolitik

Europäische Mittelstandspolitik

Einleitung

Große Rollen aus Aluminium

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Wachstum in der Europäischen Union (EU-27) ist nicht denkbar ohne die 23 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Sie stellen 99,8 Prozent der europäischen Unternehmen und sind in vielen Bereichen Treiber für Innovationen und Wettbewerb. Mit rd. 100 Millionen Beschäftigten stellen sie zwei von drei Arbeitsplätzen in Europa befinden sich in KMU und erwirtschaften 53 Prozent des BIP. Kleine und mittlere Unternehmen bieten innovative Lösungen für Herausforderungen wie den Klimawandel, Ressourceneffizienz und den sozialen Zusammenhalt auch in abgelegenen und ländlichen Gebieten. Daher spielen sie eine zentrale Rolle für Wachstum und Wohlstand sowie die grüne und digitale Transformation. Dafür brauchen KMU geeignete Rahmenbedingungen. Für diese setzt sich die Bundesregierung auch auf europäischer Ebene ein.

Europäische KMU-Definition – Entlastung und bessere Rahmenbedingungen für KMU

Nach der Empfehlung der Europäischen Kommission (2003/361/EG) zur Definition von Kleinstunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen (EU-KMU-Definition) ist ein Unternehmen ein KMU, wenn es weniger als 250 Personen beschäftigt und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR erzielt oder eine Jahresbilanzsumme von maximal 43 Mio. EUR aufweist. Die Empfehlung zielt auf eine einheitliche und kohärente Definition von KMU, um Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Binnenmarkt zu vermeiden. Zudem ist sie ein zentraler Anknüpfungspunkt für die europäische Mittelstandspolitik. So nehmen zahlreiche europäische Rechtsakte darauf Bezug, mit dem Ziel KMU zu entlasten. Auch in administrativen Verfahren findet die Empfehlung Anwendung.

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Evaluierung der EU-KMU-Definition durchgeführt und insgesamt keinen Änderungsbedarf der Schwellenwerte festgestellt. Sie möchte jedoch die praktische Anwendung der Regeln vereinfachen und dazu die Verfügbarkeit von und den Zugang zu (Unternehmens-)Daten verbessern sowie den Benutzerleitfaden zur Anwendung der EU-KMU-Definition schärfen. Darüber hinaus untersucht sie in einer weiteren Studie Herausforderungen der Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe den KMU-Statuts verlassen haben.

KMU-Strategie der Europäischen Kommission für ein nachhaltiges und digitales Europa

Mit der „KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa“ (2020) möchte die Europäische Kommission KMU aller Branchen unterstützen und stärken. Der Fokus der Strategie liegt auf drei Schlüsselbereichen: der nachhaltigen und digitalen Transformation, der freien Geschäftsausübung im Binnenmarkt und der besseren Rechtsetzung sowie dem besseren Zugang zu Finanzmitteln. Die EU KMU-Strategie wird unter anderem maßgeblich zur Umsetzung des europäischen Grünen Deals, des Aktionsplans der EU für die Kreislaufwirtschaft, der europäischen Datenstrategie und der europäischen Säule sozialer Rechte beitragen.

Small Business Act - Prinzip "Vorfahrt für KMU" europaweit verwirklichen

Mit dem "Small Business Act for Europe" (SBA) (2008) hat die Europäische Kommission im Jahr 2008 einen Grundstein für mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen in Europa gelegt. Innerhalb der Europäischen Union (EU) soll das Prinzip "Vorfahrt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)" gelten. Der SBA enthält dazu rund 100 konkrete Maßnahmen in zehn zentralen Bereichen der Mittelstandspolitik - vom Unternehmergeist über bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau, Finanzierung und Innovationen bis hin zu internationalen Aktivitäten von KMU. Diese Maßnahmen sollen auf EU- und auf nationaler Ebene in die Praxis umgesetzt werden. Dabei stehen vier Fragen im Mittelpunkt:

  • Wie können Märkte auf intelligente Weise reguliert werden?
  • Wie kann man KMU eine ausreichende Finanzierung gewährleisten?
  • Wie lässt sich der Zugang zu neuen Märkten erleichtern?
  • Wie stärkt man den Unternehmergeist in Europa?

Wo stehen wir bei der Umsetzung des Small Business Act (SBA)?

Inwieweit die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Maßnahmen aus dem SBA und der KMU-Strategie in den verschiedenen Bereichen umgesetzt haben, findet sich bis 2019 in den "SBA Fact Sheets" und seit 2021 im Annual Report on European SMEs wieder (Faktenblatt Deutschland).

Was unternimmt die EU?

Die Europäische Kommission arbeitet in vielen Bereichen daran, die Rahmenbedingungen für KMU in Europa noch freundlicher zu gestalten. So prüft sie beispielsweise vorab die Auswirkungen ihrer Maßnahmenvorschläge speziell auf KMU in so genannten "KMU-Tests". Daneben stellt sie beispielsweise mit dem KMU-Teil des Binnenmarktprogramms und den Strukturfonds Mittel bereit, von denen gerade KMU und Kleinstunternehmen profitieren.

Netzwerk der KMU-Botschafter - den Belangen der kleinen und mittleren Unternehmen Gehör verschaffen

Das Netzwerk aus nationalen KMU-Botschaftern (SME Envoys) sowie Vertreterinnen und Vertretern von KMU-Verbänden bildet das Sprachrohr für KMU-Belange in Brüssel. Deutschland wird hierbei von der Abteilungsleiterin Mittelstandpolitik im BMWK, Dr. Sabine Hepperle, im Netzwerk vertreten. Die KMU-Botschafterinnen und Botschafter sollen eine Brücke schlagen zwischen den Belangen der nationalen KMU und der europäischen Politik. Zu ihre Aufgaben zählen:

  • die Umsetzung der KMU-Strategie und des SBA zu überwachen und voran zu treiben.
  • gemeinsam mit der Europäischen Kommission festzulegen, welche Ziele vorrangig umgesetzt werden sollen.
  • Ansprechpartner für KMU und deren Interessenvertretungen zu sein und ihre Anliegen an die Europäische Kommission heran zu tragen sowie dem EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat regelmäßig darüber zu berichten.
  • Sorge zu tragen, dass bürokratischer Aufwand für KMU abgebaut bzw. vermieden wird.

Die KMU-Botschafter tagen viermal im Jahr zu aktuellen Themen rund um die EU KMU-Strategie und die SBA-Prinzipien. Darüber hinaus besteht ein regelmäßiger informeller Austausch nationaler Vorzeigemodelle (sogenannter "good practices") aus der Mittelstandspolitik, der sich in Krisensituationen wie der Corona-Pandemie als sehr hilfreich erwiesen hat.

Was steht auf der Agenda des SME Envoy-Netzwerks?

In den letzten Jahren diskutierte die Europäische Kommission mit den Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten u.a. Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und zur Vorbereitung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne. Hinzu kamen spezifische Diskussionen zu Fragen der Digitalisierung und der besseren Rechtsetzung. Aktuell stehen die Stärkung der Resilienz von KMU, ihre Begleitung bei der nachhaltigen und digitalen Transformation sowie die Reduzierung bürokratischer Belastungen und eine KMU-freundliche Rechtsetzung im Mittelpunkt.

Förderprogramme auf EU-Ebene

Der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027 stärkt mit 4,2 Mrd. EUR die Regelungen des EU-Binnenmarkts. Für KMU setzt er die Politikmaßnahmen des Programms für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für KMU „COSME“ fort. Dazu gehören Maßnahmen zur Förderung des Markzugangs und des Unternehmertums sowie zur Verbesserung der Rahmenbedingungen. Die Finanzmaßnahmen des COSME-Programms werden im Rahmen von InvestEU weitergeführt. Ausschreibungen im Zusammenhang mit der Programmumsetzung veröffentlichen die Europäischen Kommission und eTendering.

Beratung vor Ort durch das Enterprise Europe Network

Mit den Mitteln aus dem MFRwird auch das Beratungs- und Unterstützungsnetzwerk „Enterprise Europe Network“ (EEN) gefördert. Die mehr als 600 Mitglieder dieses Netzwerks bieten KMU maßgeschneiderte Dienstleistungen und Unterstützung, damit sie besseren Zugang zu ausländischen Märkten und zu den EU-Förderprogrammen finden. Bei den EEN-Partnern können sich Unternehmen beispielsweise konkret über Finanzierungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene informieren. Um KMU beim Übergang zur Nachhaltigkeit zu unterstützen sollen spezielle Nachhaltigkeitsberater KMU bei Investitionen in ressourceneffizientere und kreislauforientiertere Prozesse, der Suche nach passenden Geschäftspartnern und der Förderung der Zusammenarbeit beraten.

Start-ups und KMU im Fokus der europäischen Forschungsförderung: Der EIC Accelerator in Horizont Europa

Start-ups und KMU können sich an Ausschreibungen des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation, „Horizont Europa“ (2021-2027), beteiligen: Das KMU-spezifische Instrument „EIC Accelerator“ unterstützt hochrisikoreiche, innovative Unternehmen mit disruptiven Technologien und Geschäftsmodellen mit einem neuartigen Beteiligungsfonds auf dem Weg zur Kommerzialisierung. Im Wege einer Mischfinanzierung können marktnahe, bahnbrechende, aber sehr risikoreiche Ideen mit bis zu 17,5 Mio. Euro von der EU gefördert werden.

Kostenlose Beratung und Unterstützung bei der Antragstellung zum EIC Accelerator erhalten KMU von der Nationalen Kontaktstelle KMU (NKS KMU), die vom BMWK finanziert wird.

Weiterführende Informationen

http://europa.eu/youreurope/business/funding-grants/access-to-finance/index_de.htm

Weiterführende Informationen

Weitere Politikmaßnahmen

Europäische KMU-Woche

Die "Europäische KMU-Woche" ist eine von der Europäischen Kommission koordinierte Veranstaltungsreihe in 37 Ländern mit der EU SME Assembly als jährlicher Hauptveranstaltung mit über 600 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Konferenz dient dem Austausch aktueller mittelstandspolitischer Themen und der Vernetzung.

Der europäische Unternehmensförderpreis 

Mit den Europäischen Unternehmensförderpreisen (European Enterprise Promotion Awards) zeichnet die Europäische Kommission innovative und erfolgreiche Maßnahmen von Körperschaften des öffentlichen Rechts und öffentlich-privaten Partnerschaften aus, die Unternehmergeist und Unternehmertum auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene fördern. Insgesamt bewerben sich jedes Jahr rund 350 Organisationen aus den EU-Mitgliedstaaten und einigen anderen europäischen Ländern für die nationalen Vorentscheide. Über 50 davon qualifizieren sich für den Wettbewerb auf europäischer Ebene. Sie leisten einen Beitrag, das Bewusstsein für die Rolle von Unternehmerinnen und Unternehmern in der Gesellschaft zu stärken. Auf dieser Website erhalten Sie weitere Informationen zum Wettbewerb sowie zu den nationalen Projekten, die am europäischen Wettbewerb teilnehmen.

Weiterführende Informationen

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