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Artikel - Einzelhandel

Dialogplattform Einzelhandel

Einleitung

Demografischer Wandel, geändertes Verbraucherverhalten, technologische Neuerungen, Digitalisierung - nicht erst seit Corona befindet sich der Handel in einem nachhaltigen Strukturwandel. Aber die Corona-Pandemie hat diesen Wandel erheblich beschleunigt. Um in diesem Strukturwandel neue Perspektiven aufzuzeigen, einer Verödung der Innenstädte und einer Unterversorgung im ländlichen Raum entgegenzuwirken, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Dialogplattform Einzelhandel entwickelt.

Runder Tisch zu Innenstädten

Lebendige Innenstädte, innovativ handeln

Innenstädte wiederbeleben

© Illustrator Mario Wagner

Um den durch Corona beschleunigten Strukturwandel und seinen Auswirkungen auf unsere Innenstädte zu begegnen, hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am 20. Oktober 2020 zu einem Runden Tisch eingeladen. In einem kleinen Kreis haben Expertinnen und Experten aus Handel, Logistik und Kultur mit Citymanagerinnen und –managern sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern innovative Konzepte erarbeitet, wie Innenstädte auch in Zukunft attraktiv und lebenswert gestaltet werden können.

Dieser mit dem Runden Tisch angestoßene Prozess wurde mit mehreren Workshops fortgeführt, in denen sich Fachleute aus den genannten Bereichen einzelnen Problemkreisen, wie kreativer Leerstandsnutzung, Digitalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen und Rückholung verschiedener Nutzungen in die Innenstädte, widmeten. Dabei ging es auch darum, aufzuzeigen, wie neue Zielgruppen angesprochen und die Innenstädte mit interessanten Angeboten für jüngere Menschen attraktiver gemacht werden können. Für Informationen zu den einzelnen Maßnahmen der Länder klicken Sie hier.

Im Mai ist ein bundesweiter Best-Practice-Datenpool „Stadtimpulse“ mit zertifizierten Projekten der Stadtentwicklung gestartet. Die Datenbank soll Städten, Kommunen und allen Akteuren der Innenstadtentwicklung gelungene Praxisbeispiele und hilfreiche Inspirationen liefern, um den Innenstädten nach der Corona-Krise zum neuen Glanz zu verhelfen. Der Datenpool ist zu finden unter www.unsere-stadtimpulse.de, welcher unter Mitwirkung des Handelsverbands Deutschland (HDE), des Deutschen Städtetags (DST), des Deutsche Städte- und Gemeindebunds (DStGB) sowie der Bundesvereinigung für City und Stadtmarketing Deutschland (bcsd) und der CIMA Beratung + Management GmbH entstand. Dieser wird durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert.

Weitere gute Ansätze und Beispiele, wie innovative, multifunktionale und kreative Konzepte die Innenstädte neu beleben können, stellen wir Ihnen im Folgenden näher vor.

Best-Practice-Beispiel: Individuelle Kundenansprache per App

Eine Idee aus Köln verbindet digitale Services in den realen Raum hinein. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort können HändlerInnen ihre Kundschaft mit attraktiven Angeboten und Informationen in einem lebensnahen Umfeld treffen. Grundlage dafür ist eine Karte mit smarten Funktionen, die jeder Nutzer und jede Nutzerin selber interaktiv gestalten kann. So bauen sich aus den vielen Angeboten zwischen HändlerInnen und NutzerInnen individuelle Geschichten auf. Die Applikation setzt auf qualitative Inhalte und persönliche, lokale Beziehungen, die von HändlerInnen wie auch von den Nutzenden individuell genutzt werden. Orte können z.B. spielerisch zu Routen verbunden, Aktionen zielgerichtet beworben werden. Mit Mini-Services wie Coupons, Click&Collect oder Events wird die lokale Community mit ihren Angeboten fokussiert angesprochen.

Best Practice-Beispiel: Shoppingmall plus Hotel in Berlin - City West

Mit der Umwandlung eines in die Jahre gekommenen Büroarchitektur-Komplexes in eine innovative Concept Shopping Mall wurde in der Berliner West City erfolgreich eine ganzheitliche Destination entwickelt, die stellvertretend für die Transformation der Innenstadt mit spannenden „Mixed Use“-Formaten steht. Mehr denn je sind es die besonderen Erlebnisse, die Menschen inspirieren und für Produkte begeistern können. Dabei folgen die Macher der Concept Shopping Mall der Idee des kuratierten Einkaufens. Boutiquen und Gastronomie-Angebote sind aufeinander abgestimmt, ergänzt durch modulare Pop-Up-Boxes, die temporär angemietet werden können, um neue Produkte zu launchen. Mit diesem Ansatz und dem Setzen von Schwerpunktthemen (Food, Fashion, Music), die über alle zur Verfügung stehenden Kanäle (also Blogs, Facebook, Twitter und Instagram) gespielt werden, ist es gelungen, den Bekanntheitsgrad, die Besucherfrequenz und nicht zuletzt die Umsätze der Mieter zu erhöhen.

Best Practice-Beispiel: App für MitarbeiterInnen eines Kaufhauses

Einen direkten Draht zu allen MitarbeiterInnen in mehreren Filialen ermöglicht eine neue App, welche aus dem eigenen Bedarf heraus von einem Einzelhändler entwickelt wurde. Alle MitarbeiterInnen können damit gleichzeitig, direkt, schnell und ohne Informationsverlust erreicht werden. Es wurden bereits On-Boarding, Verkaufsschulungen sowie die Einführung einer neuen Kassensoftware mit der App gesteuert. Außerdem bietet sich die Möglichkeit für regelmäßige Videos der Unternehmensleitung, um schnell auf aktuelle Ereignisse zu reagieren, Kampagnen vorzustellen oder Gewinnspiele auszurufen. Die App kann damit zu einer stärkeren Mitarbeiterbindung, mehr Motivation auf der Fläche und deutlich geringeren Schulungskosten führen. Dabei sind Automatisierungen im Hintergrund ein wesentlicher Faktor, um wiederkehrende Prozesse effizient und vor allem nachhaltig zu gestalten.

Best Practice-Beispiel: Modeparties im Laden

Mit der Einrichtung eines exklusiv (auch abends) buchbaren Raumes hat ein badisches Bekleidungsgeschäft ein neues Einzelhandelskonzept geschaffen. Freundinnen/Freunde verabreden sich zu einem Treffen im Laden. Jeder Gast erhält dann eine Rollstange, um sich seine Lieblingsartikel im gesamten Laden auszusuchen. Danach treffen sich die Freundinnen in einem exklusiven Raum zum gemeinsamen Anprobieren. In gelassener Atmosphäre und bei Sekt und Snacks kann dann eine individuelle und persönliche Beratung aller Gäste durch Modeberaterinnen stattfinden. Dabei wird eine persönliche Verbindung zu jeder Kundin aufgebaut. Das Konzept stärkt die Kundenbindung, ermöglicht wetterunabhängige Umsätze, schafft eine neue Werbebotschaft und erhöht den Umsatz. Die Termine werden unabhängig vom Wetter, der Verkehrssituation oder einer Rabattaktion wahrgenommen.

Best Practice-Beispiel: Live Stream Shopping

Eine Händlerin mit drei Conceptstores in Kleinstädten hat mit Hilfe des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Handel ein digitales Konzept entwickelt, um nicht nur lokal präsent zu sein. Dafür wurde ein Live Stream Shopping ausgearbeitet, welches als direkter Absatzkanal genutzt werden kann. Das Ladenlokal wurde in ein Studio umgewandelt, um von dort aus die Ware auf sozialen Netzwerken zu präsentieren. So hat die Händlerin die Möglichkeit, ihre Produkte online zu vermarkten und gleichzeitig mit den Kundinnen zu interagieren. Kundinnen können die zur Schau gestellten Produkte dann sowohl stationär als auch im Online Shop kaufen.

Best Practice-Beispiel: Pop-Up-Stores als Tor zur Welt

Um zukünftig noch breiter und präsenter in Innenstädten aufgestellt zu sein, verwandelt ein Münchner Touristik-Unternehmen leere Ladenflächen in bester Lage mit Pop-Up-Reisebüros zum Tor in die Welt. Es ermöglicht so seinen Franchise-Partnern, die Chancen im lokalen Markt verstärkt zu nutzen und Marktanteile auszubauen. In den Stores, designt im urban Coffeeshop-Stil, haben Besucher die Möglichkeit, ihrer Lust auf Reisen und der Sehnsucht nach Sonne, Strand und Meer nachzugeben und sich in den Urlaub zu träumen. Das Konzept ist flexibel, kostengünstig und nachhaltig. Daher besteht die Ausstattung, die in einem Zeitraum zwischen 3-6 Monaten gemietet werden kann, aus stabiler Pappe, mit integrierten Screens, um die Aufmerksamkeit der Laufkunden durch bewegte Bilder zu verstärken.

Best Practice-Beispiel: Schöpferisches Künstlerpotenzial nutzen

Eine Gruppe von professionellen Theater- und Kulturschaffenden sucht brachliegende Flächen und verbindet künstlerische Arbeit und Bürgerengagement, um wieder Leben in die Innenstädte zu bringen. Mit Hilfe von Theater, Tanz und anderer künstlerischer Performance sollen Kunst und Kultur im öffentlichen Raum durch interaktives Zusammensein wiederbelebt werden. Dabei steht der Bezug zur Lebenswirklichkeit und die Konzentration auf die positiven Dinge des Lebens entscheidend im Vordergrund. Dadurch wird die Innenstadt durch innovative Konzepte künstlerisch aufgewertet. Die Initiative ist eine Anlaufstelle für alle Kulturbegeisterte, Schauspieler und Amateure, die ihre Talente und ihr Können durch Präsenzauftritte oder digital anbieten, um Menschen, insbesondere in der Corona-Pandemie, wieder zusammenzubringen.

Best Practice-Beispiel: Virtual-reality Erlebniswelt

Langenfeld, Düsseldorf, Dresden und Oberhausen verleihen der Innenstadt ein neues Flair und setzen bei großen Leerstandsimmobilien auf Aufbau einer Virtual-reality Erlebniswelt. Auf riesigen Flächen können Technikbegeisterte ein breites VR-Angebot in Anspruch nehmen und sich frei durch die virtuelle Welt bewegen und neue Dimensionen des Gamings erleben. Die VR-Welt zieht insbesondere junges und dynamisches Publikum an, das mittels einer Virtual-Reality Brille abwechslungsreiches Programm genießen kann. Sie tauchen ein in die Welt von Action, Sport, Bildung und Escape-Spielen und können beeindruckendes Ambiente für Selfies in Anspruch nehmen. Durch dieses Model werden Leerstandsflächen bestmöglich genutzt, die Stadt greift den Erlebnis- und Freizeitcharakter auf und profitiert durch hohe Kundenfrequenz nicht nur ortsansässiger Gamer, sondern auch zugereister VR-Fans.

Best Practice-Beispiel: Nachhaltiges Fair- und Kulturkaufhaus

In Bremen ist ein ganzheitliches, nachhaltiges Kaufhaus-Konzept realisiert worden. Hochwertige Produkte (regional, ökologisch, biologisch oder fairtrade) wurden mit einer Kunstausstellung, Kulturveranstaltungen, Workshops und Wissensthemen kombiniert. Das schafft eine hohe Aufenthaltsqualität, Vielfalt, Dialog und Frequenz. Als kooperatives Modell setzt das Kaufhaus dabei auf eine Mischung aus Kommissions-, Handelsware und jungen Shop-in-Shop-Partnern. Das breite Angebot reicht von Pflanzen, Genussmitteln und Naturkosmetik, über faire und Second-Hand-Kleidung sowie Accessoires bis hin zu einem integrierten Café.

Best Practice-Beispiel: Künsterlisches Narrativ zur Schaffung eines kreativen Ökosystems und neuen Publikumsmagneten

In der französischen Stadt Nantes wurde eine im Zentrum befindliche und mit Leerstand durchsetzte Insel zu neuem Leben erweckt. Einen wesentlichen Anteil an diesem Umgestaltungsprozess haben Kreativwirtschaft und Kunst, die auf der Grundlage der Identität der Stadt ein Narrativ entwickelt und umgesetzt haben. Basis des Narrativs in Nantes ist ein berühmter Sohn der Stadt: Jules Verne. In seinen Romanen kommen phantasievolle Kreaturen und Maschinen vor. Diese Themen boten die Grundlage, um den Leerstand für Experimente und die Schaffung eines kreativen Ökosystems zu nutzen und führte zu einer innovativen Neunutzung alter Bestandsarchitektur. So zieht das Kunstprojekt „Les Machines de l’île“ unzählige Besucher und Einheimische an, von denen auch der traditionelle Handel und die Immobilienwirtschaft profitieren. Und wer will, kann sich entlang einer grünen Linie auf einem Kunstparcours an die schönsten Stätten der Stadt führen lassen.

Best-Practice-Beispiel: Click & Collect

Mönchengladbach verknüpft verschiedene Vertriebskanäle („Multi-Channel“), um die Innenstädte neu zu beleben: Durch einen Click & Collect-Service sollen Onlinehandel und stationäres Einkaufen miteinander verzahnt werden. So kann online bestellte Kleidung an einem zentralen Ort in der Innenstadt anprobiert, mitgenommen oder direkt zurückgeschickt werden. Dieser Ort kann bei der Online-Bestellung direkt als Lieferadresse analog zu Paketstationen ausgewählt werden. Das Einkaufserlebnis steht dabei im Fokus. Gleichzeitig sollen die Kundenfrequenz in Mönchengladbachs Innenstadt erhöht und der stationäre Handel durch ergänzende lokale Käufe gestärkt werden. Ein weiteres Plus: Paketfahrten in die Wohngebiete reduzieren sich.

Best Practice-Beispiel: Der Stadtteil als eigene Marke

Der Solinger Stadtteil Ohligs setzt auf gezieltes, kooperatives Stadtteilmarketing durch die Zusammenarbeit mit allen Vertreterinnen und Vertretern der Funktionsbereiche Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Ausgehen. Das Ziel: Bürgerinnen und Bürger sowie Besucherinnen und Besucher sollen sich mit „ihrem“ Stadtteil identifizieren. Das Motto „Zusammen sind wir mehr als die Summe unserer Teile“ bildet dabei die kommunikative Klammer der „Gemeinschaftsmarke Ohligs“. Es geht darum, gemeinsam für den Stadtteil zu werben, Positives herauszustellen und Neues zu entwickeln.

Best-Practice-Beispiel: Aufbruch durch Aufwertung

Innenstadtentwicklung und Stadtmarketing besser verzahnen – das ist das Ziel vom Bürgernetzwerk Bensheim, das sich 2018 gegründet hat. Es hat acht Säulen definiert, um die Innenstadtentwicklung in Bensheim voranzutreiben. Mit dem Netzwerk sollen wichtiges Know-how und Visionen aus der Praxis weitergegeben und zeitnah umgesetzt werden. So wurde im Juni 2020 eine Stadtmarke mit einer passenden Innenstadtkampagne lanciert. Darüber wird die Innenstadt durch verschiedene Aktionen, wie Lichtinstallationen, aufgewertet und die Verweildauer durch attraktive Angebote, wie verbesserte Spielplätze, erhöht. Das neue Innenstadtmarketing soll zudem zeitnah in eine passende Organisationsstruktur umgesetzt werden.

Best-Practice-Beispiel: Digitale Nachbarschaftshilfe

Eine Internet-Plattform vernetzt lokale Gewerbetreibende und stärkt dadurch die (digitale) Nachbarschaft. Gerade während der Corona-Pandemie bildete sie mit einer Initiative zur Unterstützung von betroffenen Unternehmen eine breite Allianz, um den internationalen Online-Playern und Aktionstagen ein lokales Gegengewicht entgegenzusetzen. Die Initiative dient auch als Anlaufstelle für Fort- und Weiterbildung lokaler Gewerbe rund um das Thema Digitalisierung. Mit eigenen Aktionen wie Rabatt-Gutscheinen sollen gezielt Konsumenten-Anreize gesetzt werden.

Best-Practice-Beispiel: Mit Kultur Akzente setzen

Durch Kunst und Kultur im öffentlichen Raum versucht Nürnberg regelmäßig gezielte Besuchsimpulse im Innenstadtbereich zu setzen. Das schafft Anlässe, sich zu treffen und gemeinsam etwas zu erleben. Seit 2018 unterstützt die Stadt die Kooperation des Handels mit der traditionsreichen Internationalen Orgelwoche. In ihrem Rahmen findet zum Beispiel die Lange Einkaufsnacht des Handels mit einem gemeinsamen künstlerischen Programm statt. Dieses Format führt dazu, dass die bislang auf Kirchen beschränkten Darbietungen auch in die Geschäfte und den öffentlichen Raum getragen, und dadurch neue Besuchergruppen erschlossen werden.

Best-Practice-Beispiel: Erlebnisraum Innenstadt

Hamburg inszeniert die Innenstadt als zentralen Ort des Treffens und des Erlebens und setzt dabei auf Tradition. So dient der Jungfernstieg mit der Binnenalster in der Vorweihnachtszeit seit bereits 35 Jahren als Kulisse für die „Hamburger Märchenschiffe“. Auf den Schiffen bietet das City Management verschiedene Aktionen und Attraktionen an, insbesondere für Kinder. Damit unterstreicht die Stadt den Erlebnis- und Freizeitcharakter der Innenstadt.

Best-Practice-Beispiel: Gutscheine als Währung

Im Saarland setzt ein Unternehmen auf Gutscheine als neue Währung. Diese können über eine App erworben, und vor Ort in den Städten und Gemeinden eingelöst werden. Mit den Gutscheinen werden zum einen lokale Händler und Gastronomiebetriebe gefördert und gegenüber den großen Onlinehändlern gestärkt. Gleichzeitig profitieren die Innenstädte durch die Kundenfrequenz. Besonders zielt die Gutschein-Idee auf Unternehmen ab, die durch den steuerfreien 44-Euro-Sachbezug die Kaufkraft ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern wollen.

Best Practice-Beispiel: Daten nutzen

Südtirol nutzt das Instrument der digitalen Stadtentwicklung („Smart City“), um die Innenstädte besser zu erschließen. Eine systematische Nutzung von Daten unterstützt dabei, Rückschlüsse auf zukünftige Frequenzen und Kundenströme zuziehen. Dadurch ist ein verlässlicher Indikator für die derzeitige und in Zukunft zu erwartende Attraktivität einzelner Einkaufsstraßen geschaffen worden. Diese Simulationen können sowohl für Entscheidungen und Vorhaben der Kommunen nützlich sein, wie auch für einzelne (Handels-)Betriebe, die sich in den Orten ansiedeln oder weiterentwickeln möchten.

Best-Practice-Beispiel: Digital denken, lokal handeln

Onlineplattformen mit Marktplatzcharakter ermöglichen es Verkäuferinnen und Verkäufern jeder Größe, darunter hauptsächlich kleinen Unternehmen, ihr Geschäft auszubauen und neue Käuferinnen und Käufer online zu erreichen – unabhängig von Größe oder geografischer Lage. Diese kleinen stationären Händlerinnen und Händler können durch die Online-Präsenz Käuferinnen und Käufer regional, landesweit und weltweit erreichen. Da insbesondere kleine Unternehmen von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen wurden, hatte sich ein großer Online-Marktplatz dazu entschlossen, diese gezielt zu unterstützen. Ein Soforthilfeprogramm für kleine Unternehmen und lokale Händler startete im März 2020 und läuft noch bis Ende des Jahres. Die Soforthilfe umfasst unter anderem einen kostenlosen Shop und kostenlosen Kundenservice für sechs Monate.

Best-Practice-Beispiel: Sichtbarkeit durch Suchmaschinen

Ein kostenloses Unternehmensprofil bei einem großen Suchmaschinenanbieter bietet Einzelhändlern die Möglichkeit, ihre Geschäfte online sichtbar zu machen und ihren Kundinnen und Kunden die Informationen zur Verfügung zu stellen, die für einen Einkauf in der Innenstadt wichtig sind. So können Geschäfte ihre Produkte direkt im Unternehmensprofil präsentieren, damit Kundinnen und Kunden diese online entdecken, Verfügbarkeiten prüfen und im Anschluss vor Ort erwerben können. Darüber können auch alle wichtigen Informationen mit der Kundschaft geteilt werden, wie Öffnungszeiten, aktuelle Angebote, Sonderaktionen oder Eindrücke vom Laden.

Best Practice-Beispiel: On-und Offlinehandel integrieren

Ein großer Onlineversandhandel bietet stationären Einzelhändlern die Möglichkeit, sich mit der Online-Plattform zu verbinden. So haben die teilnehmenden Händler die Möglichkeit, ihre Produkte direkt an die Kunden des großen Anbieters online zu verkaufen. Die lokale Sichtbarkeit der stationären Händler wird zusätzlich unterstützt. Damit jeder Händler mit relevantem Sortiment teilnehmen kann, ist die Anbindung unkompliziert und kostengünstig gestaltet. Für den Händler ergibt sich über einen indirekten Effekt ein noch größeres Potenzial: Weil die Online-Umsätze des Händlers den Lagerumschlag signifikant erhöhen, kann er sein Sortiment während der Saison mehrmals erneuern. Das Ergebnis: Frischere Sortimente - und damit ein Grund für Kunden, häufiger vorbeizuschauen.

Best Practice-Beispiel: Lokale Identifikation digital nutzen

Um Digitalisierung, demografischen Wandel, Wettbewerb und COVID-19 etwas entgegensetzen, stellen sich die Kölner Veedel (Stadtquartiere) und ihre Anbieter quartiersübergreifend digital auf. Dabei wird auf die Identifikation der Kölnerinnen und Kölner mit ihrer Stadt gesetzt. Konkret bedeutet dies: es wird pro Veedel online eine Anlaufstelle geschaffen, die jeweils miteinander verzahnt sind und über die die lokalen Akteure im Stadtteil öffentlich präsentiert und mit der Kundschaft vernetzt werden. Ergänzend gibt es Möglichkeiten für eigenen E-Commerce sowie ein lokales Bindungsprogramm, mit dem lokale Treuepunkte vergeben werden können. Startpunkt für den öffentlichen Launch ist Herbst 2020.

Potenziale des Einzelhandels

Online-Handel gewinnt rasant an Zuwachs

Der Online-Handel ist aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken – und wächst mit zweistelligen Wachstumsraten. Er beeinflusst die Einzelhandelsstandorte schon heute messbar. Die Umsätze im stationären Handel gehen zurück. Stationäre Händler und Kommunen sind zunehmend verunsichert. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Bild unserer Städte und auf die Versorgung der immer älter werdenden Bevölkerung in ländlichen Regionen.

Es bildet sich ab, dass der Anteil rein stationär generierter Umsätze im Einzelhandel weiter abnehmen wird. Durch zunehmende Multi-Channel-Aktivitäten werden die einzelnen Kanäle verschmelzen und die Trennung online und offline sukzessive aufgehoben. Da der Online-Handel wächst, der Gesamtmarkt aber weitgehend stagniert, befindet sich der gesamte Einzelhandel aktuell in einem Verdrängungswettbewerb. Corona wirkt bei diesem Vorgang wie ein Brandbeschleuniger und beschert dem Online-Handel große Zuwächse. Ein Zurück wird es nicht geben, denn viele Menschen haben die Annehmlichkeiten des Online-Einkaufens während der Geschäftsschließungen kennen und schätzen gelernt.

Vor Corona gaben nach Befragungsergebnissen des IFH 38 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher an, durch zunehmende Online-Käufe weniger in die Innenstädte zu fahren. Und 27 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher fahren deshalb weniger in die Randgebiete. Diese Zahlen haben sich durch Corona nochmal erhöht und das wirkt sich auch auf die Zahl der Verkaufsstellen aus.

Fünf Zahlen zum Wandel im Einzelhandel

32
Symbolicon für Geldscheine

Prozent der privaten Konsumausgaben
fließen in Deutschland in den Einzelhandel

6,4
Symbolicon für Lastenwagen

Millionen Beschäftigte
sind im Handel tätig

12,2
Symbolicon für Haus mit Tür

Prozent des Umsatzes
im Einzelhandel wurde mittels E-Commerce erwirtschaftet

60
Symbolicon für Tortendiagramm

Prozent aller Innenstadtbesucher
suchen nach Artikeln im Fashionbereich

36
Symbolicon für Wachstumskurve

Prozent der Ausgaben
im Fashionbereich wurden im 1. Halbjahr 2020 online getätigt, 2019 waren es noch 26 Prozent

Arbeit und Ziele der Dialogplattform

Neue Perspektiven und Chancen für den Einzelhandel schaffen

Mit der Dialogplattform Einzelhandel unterstützt das Bundeswirtschaftsministerium den Einzelhandel auf dem Weg in die Digitalisierung. Über zwei Jahre hinweg wurden gemeinsame Lösungsansätze zur Bewältigung des Strukturwandels erarbeitet.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte 2015 wegen der großen Herausforderungen durch den Strukturwandel das Projekt „Dialogplattform Einzelhandel“ ins Leben gerufen.

Die mit den betroffenen Akteursgruppen, also Unternehmen und Verbänden, Wissenschaft, Gewerkschaft, Bund, Ländern und Kommunen in 16 Workshops entwickelten Lösungsansätze sind heute noch gültig.

Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel

Eines der Ergebnisse ist das vor einen Jahr vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gegründete Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel. Das Kompetenzzentrum Handel soll kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene „Digital-Abteilung“ haben, in die Lage versetzen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und den stationären Verkauf durch digitale Angebote zu ergänzen. Das Kompetenzzentrum Handel bietet den Händlern eine große Bandbreite an Informationen und Informationskanälen, Workshop-Formaten und Webinaren.

Der Beirat wurde 2019 gegründet als ein unabhängiges Beratungsgremium, das aus Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden, Wissenschaft sowie Wirtschaftsförderern besteht. Geleitet wird der Beirat von Dr. Sabine Hepperle, Abteilungsleiterin Mittelstandspolitik im Bundeswirtschaftsministerium.

Computerchip zum Thema Digitalisierung

© Raimundas/stock.adobe.com

Digitalisierung Den digitalen Wandel gestalten

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Dialogplattform Einzelhandel


Lösungen gemeinsam entwickeln

Wie kann der Einzelhandel mit der Zeit gehen, ohne dass die Vielfalt in den Innenstädten und die Versorgung in ländlichen Räumen darunter leiden? Die Dialogplattform Einzelhandel hat trotz Strukturwandel neue Perspektiven und Chancen ausgemacht.

Kern der Dialogplattform Einzelhandel waren fünf Workshop-Reihen mit jeweils zwei bis vier Workshops zu unterschiedlichen Themen. Zu jedem einzelnen Workshop wurden Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaft, Verbänden, Kammern, Städte und Gemeinden, Bund und Ländern sowie aus der Wissenschaft eingeladen. Das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln koordinierte die Dialogplattform im Auftrag des BMWK auf prozessualer und inhaltlicher Ebene und begleitete das Gesamtprojekt analytisch.

Durch Einbindung verschiedenster Akteursgruppen wurde gewährleistet, dass die erarbeiteten Lösungsvorschläge für dieses gesellschaftlich komplexe Thema von möglichst vielen Akteuren unterstützt werden. Die Resultate der zahlreichen Workshops wurden am 6. Juni 2017 im Rahmen der Veranstaltung “Neue Perspektiven für den Einzelhandel“ präsentiert.

Die Ergebnisse im Überblick

Die Handlungsempfehlungen der Dialogplattform Einzelhandel schlagen unter anderem Modellprojekte vor, bei denen Kooperationen zwischen Handelsunternehmen eingegangen werden. Hierbei könnten unter anderem Personal und Fläche gemeinsam genutzt und somit Kosten gesenkt werden. Außerdem sollen Kooperationen mehrerer Gemeinden eine wirtschaftlich tragfähige Nahversorgung sichern, indem beispielsweise Kleinkaufhäuser eingerichtet und Dienstleistungsanbieter einbezogen werden.

Die immer noch gültigen übergeordneten Ergebnisse aus der Dialogplattform Einzelhandel sind in der Broschüre „Neue Perspektiven für den Einzelhandel“ dokumentiert, die Sie hier herunterladen können.

Frau dekoriert Schaufenster einer Modeboutique, symbolisiert Dialogplattform Einzelhandel; Quelle: Getty Images/Hero Images

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