Einfach "Play" drücken: Lieblingsmusik lindert Tinnitus; Quelle: fotolia.com/gstockstudio

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In Deutschland leiden mehr als drei Millionen Menschen an Tinnitus, einem piepsenden Dauergeräusch im Ohr. Genau genommen stimmt das so aber nicht: Bei 99 Prozent aller Betroffenen entsteht der Ton gar nicht im Ohr, sondern im Hörzentrum des Gehirns. Den Betroffenen ist das natürlich egal: Viele von ihnen leiden so sehr unter dem dauerhaften Störenfried, dass sie Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder sogar Depressionen bekommen.

Nerven, die einem auf die Nerven gehen

Aber was genau passiert im Hörzentrum, wenn ein Mensch an Tinnitus leidet? Im Hörzentrum gibt es - ganz vereinfacht gesagt - für jede Frequenz einen bestimmten Bereich: Die Nerven an der einen Stelle sind für tiefe Töne zuständig, die Nerven an einer anderen Stelle für die mittleren und wieder andere Nerven für die ganz hohen Töne. Normalerweise werden die Nerven von Impulsen angeregt, die das Ohr ans Hörzentrum weiterleitet. Bei einem Tinnitus sind jedoch einige Nervenzellen daueraktiv: Obwohl vom Ohr gar keine Impulse kommen, reagieren die Nerven so, als kämen ununterbrochen Impulse. Deshalb erzeugen sie einen piepsenden Dauerton mit eben genau der Frequenz, für die sie unter normalen Bedingungen zuständig sind.

Tinnitus einfach rausfiltern

Wie aber lassen sich die Nervenzellen, die den Tinnitus erzeugen, wieder beruhigen? Mit einer schlauen Idee des Hamburger Start-ups Sonormed. Auf der Basis neurowissenschaftlicher Studien haben die drei Gründer die medizinisch anerkannte Software Tinnitracks entwickelt. Tinnitracks filtert aus jedem beliebigen Song die Frequenz des individuellen Tinnitus-Tons heraus. Liegt der Tinnitus zum Beispiel bei 2.000 Hertz, dann fehlen im gefilterten Song alle Töne exakt in diesem Frequenzbereich. Alle anderen Töne - also alle tieferen und alle höheren - bleiben jedoch erhalten. Auf diese Weise kann man sich aus seinen persönlichen Lieblingssongs eine Musiksammlung zur Behandlung des Tinnitus erstellen. Wie gut sich ein Song zur Therapie eignet, prüft die Software gleich mit.

Wenn sich ein Betroffener diese Musik nun anhört, leitet das Ohr die Impulse an alle Nervenzellen im Hörzentrum weiter und regt sie an. Nur die bereits daueraktiven Nerven, die für die 2.000 Hertz-Töne zuständig sind, werden nicht angeregt. Die Nervenzellen drum herum können nun sozusagen heilend auf ihre überreizten Nachbarn einwirken, bis sich wieder ein Gleichgewicht zwischen allen Nerven im Hörzentrum eingestellt hat.

Preisträger beim Gründerwettbewerb

Tinnitracks ist eine so überzeugende Software, dass sie beim "Gründerwettbewerb - IKT Innovativ" vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ausgezeichnet wurde. Die drei Gründer von Sonormed haben ein Preisgeld und ein Coaching erhalten, das ihnen bei der Gründung eines eigenen Unternehmens geholfen hat. Die Software ist seit 2013 auf dem Markt und hat mittlerweile viele weitere Auszeichnungen erhalten.

Faktenübersicht:

Produkt: Software zur neuroakustischen Tinnitus-Therapie
Unternehmen: Sonormed GmbH, Hamburg
Markteinführung: 2013
Förderung: Gründerwettbewerb - IKT Innovativ 2012
Fördersumme: 6.000 Euro plus Coachings