Palmölersatz aus gefräßigen Larven; Quelle: Copyright: fotolia.com/tonda55

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Die Larven der Soldatenfliege kriegen den Hals nicht voll. Zum Glück. Denn ihr unbändiger Appetit macht sie zu einem idealen Verwerter von Biomüll: Das, was an Essensresten aus Haushalten und Großküchen im Abfall landet, ist für die Larven ein regelrechtes Festmahl. Die Bioabfälle enthalten wertvolle Nährstoffe, die die Larven in Eiweiß- und Fettmasse umwandeln. Das besondere an den Larven der Soldatenfliege ist: Im Verhältnis zu ihrer Größe können sie enorme Mengen an Küchenabfällen und Biomüll vertilgen - und das in kürzester Zeit. Von der Eiablage bis zur vollgefressen Larve (2,5 cm lang, 0,25 Gramm schwer) vergehen gerade einmal 14 Tage. In dieser Zeit machen die nimmersatten Larven aus jeweils 10 Tonnen Biomüll rund 1,5 Tonnen Larvenmasse, die zum Großteil aus hochwertigen Eiweißen und Fetten besteht. Deshalb sind sie perfekt als Nutztier geeignet - wäre da nicht das Problem der aufwendigen Zucht.

Ein Container für alles

Genau dieses Problem hat die sächsische Bio.S.Biogas GmbH mit Kooperationspartnern aus Wirtschaft und Forschung nun gelöst. Um genug Larven für eine industrielle Verwertung zu erhalten, hat sie einen Container entwickelt, der alle nötigen Stationen vereint: Zucht der Fliegen, Aufzucht der Larven und einen Flugbehälter. Da die Fliegen es gerne warm mögen, ist auch ein Wärmesystem eingebaut. Dieses lässt sich - ganz im Sinne der Energiewende - direkt an Biogasanlagen oder Blockheizkraftwerke unterschiedlicher Größe und Leistung anschließen. So lässt sich der Innenraum des Containers auf fliegengerechte 28 bis 29 Grad aufheizen. Neben der Temperatur müssen aber noch weitere Umgebungsfaktoren stimmen, damit die Fliegen überhaupt Eier legen: Es muss hell sein - mindestens 6.000 Lux. Die Luftfeuchtigkeit muss über 50 Prozent liegen. Und damit die Fliegen die Eier an der richtigen Stelle ablegen, werden sie mit den passenden Pheromonen angelockt.

Eine echte Alternative zu Palmöl

Die erste Pilotanlage, die auf dem Gelände der Bio.S Biogas GmbH steht, konnte sich bereits im Betrieb behaupten. Nun geht es darum, Verfahren zu entwickeln, um die wertvollen Larvenbestandteile von den nutzlosen zu trennen. Der Panzer beispielsweise kann nicht weiterverwendet werden, die Eiweiße und Fette hingegen schon.

Aus den Fetten lässt sich beispielsweise ein Ersatz für Palmöl herstellen. Palmöl, dessen Anbau in vielen Fällen zur Zerstörung der Regenwälder beiträgt, ist in vielen Lebensmitteln und Kosmetika zu finden. Der Grund für seine Beliebtheit ist die leicht zu verändernde Fließfähigkeit: Durch das Verhältnis von Palmkern- und Palmfruchtöl kann es an nahezu jeden Verwendungszweck angepasst werden. Genau diesen Vorteil bietet auch das Fett der Larven: Über das Futter können die Tiere so beeinflusst werden, dass ihr Fett später flüssiger oder zäher ist - je nach Kundenwunsch. Zudem ist das Larvenfett ähnlich aufgebaut wie Palmöl.

Die Larven bieten aber noch mehr: Ihre Eiweiße sind beispielsweise ideales Tierfutter. Zudem enthalten die Larven bioaktive Substanzen: Da sie sozusagen im Müll leben, besitzen sie extrem hohe Abwehrkräfte durch ein selbst produziertes Antibiotikum. Daraus ließen sich zum Beispiel neue Medikamente entwickeln.

Innovation mit Potenzial

Angesichts der Vorteile, die eine industrielle Verwertung der Larven bieten kann, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2011 bis 2013 im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) knapp 460.000 Euro für die Entwicklung bereitgestellt. Nun bleiben noch die Ergebnisse aus dem Nachfolgeprojekt zur Trennung der Larvenbestandteile abzuwarten, damit die Larvenaufzucht und -verwertung im industriellen Maßstab möglichst bald beginnen kann.

Faktenübersicht:

Produkt: Verfahrenstechnologie zur Vermehrung und Larvenaufzucht von Soldatenfliegen in industrieller Größenordnung
Unternehmen: Bio.S Biogas GmbH, Grimma; Fischer Elektronik-Bau GmbH, Radebeul; Technische Universität Dresden, Institut für Zoologie, Dresden; Kaden & Döring OHG, Halsbrücke
Markteinführung: 2017
Förderung: ZIM-Kooperationsprojekte
Fördersumme: 458.439 €
Förderzeitraum: November 2011 bis August 2013