Ein neuer Ordnungsrahmen für die digitale Ökonomie

Soziale Netzwerke im Internet, Vergleichs- und Bewertungsportale, Suchmaschinen, Sharing-Plattformen, App Stores, Online-Marktplätze, Vermittlungsdienste und Medienplattformen bestimmen zunehmend nicht nur unseren Alltag, sie verändern und beeinflussen auch Wirtschaft und Gesellschaft. Damit entstehen auch wirtschaftspolitisch neue Fragen, wie etwa der Bewertung und eventuellen Förderung neuer Geschäftsmodelle, des Umgangs mit und der Verwertung von Daten, der Gewährleistung des Wettbewerbs, des Datenschutzes und der Datensouveränität. Das Bundeswirtschaftsministerium will daher den Ordnungsrahmen für die digitale Ökonomie weiterentwickeln, um einerseits mehr Investitionen und Innovationen auf Grundlage eines fairen Wettbewerbs zu ermöglichen und die Chancen der Plattformökonomie zu nutzen, andererseits aber auch individuelle und unternehmerische Grundrechte und Datensouveränität zu sichern.

Hohe Dynamik, wachsende Marktmacht

Vom Online-Shopping bis zum sozialen Netzwerk, von der Videoplattform bis zum Musikportal, von der Wohnungsbörse bis zum Messenger-Dienst: Schon heute übernehmen digitale Plattformen wichtige Funktionen in Wirtschaft und Alltag. Dies spiegelt sich auch in der stark ansteigenden gesamtwirtschaftlichen Bedeutung digitaler Plattformen wider: Die fünf weltweit größten Plattformunternehmen (Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft) haben eine Marktkapitalisierung von mehr als 4,5 Billionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 betrug das deutsche Bruttoinlandsprodukt rund 3,44 Billionen Euro.

Die Besonderheiten und Herausforderungen digitaler Plattformen

Digitale Plattformen bieten insofern viele Chancen und machen vieles einfacher – sie stellen uns jedoch auch vor neue Herausforderungen:

  • Daten und Datensouveränität
    Die meisten digitalen Plattformen erfassen und verwerten systematisch Daten ihrer Nutzer. Ausgangspunkt aller erfolgreichen Geschäftsmodelle ist dabei eine für Nutzerinnen und Nutzer attraktive Dienstleistung. Die Plattformen sammeln in meist großem Umfang Nutzerdaten: Einerseits um ihre eigenen Dienste zu ermöglichen, andererseits zum Beispiel für personalisierte Werbung. Für den Nutzer sind der Wert und die "Kosten" der Bereitstellung von Daten schwer einzuschätzen. Ziel muss es daher sein, die Nutzer – Unternehmen wie Verbraucher – in die Lage zu versetzen, die digitale Datensouveränität zu erlangen, und zugleich Anbietern klare Regeln für ihre Geschäftsmodelle an die Hand zu geben, um Rechtssicherheit zu schaffen und Innovation zu fördern.
  • Wettbewerb und Marktmacht
    Digitale Plattformen stehen im Wettbewerb wie andere Unternehmen auch – allerdings wächst in manchen Fällen die Marktmacht einzelner Anbieter exponentiell. Charakteristisch für digitale Plattformen ist ihre Netzwerkstruktur. Viele Plattformnutzer tauschen Informationen aus und sind miteinander vernetzt; der Nutzen und die Attraktivität der Plattform steigen mit der Anzahl ihrer Teilnehmer, sowohl auf Anbieter- als auch auf Nutzerseite. Diese sogenannten Netzwerkeffekte können so stark sein, dass sie zu einer starken Marktkonzentration oder sogar Monopolstellung führen. Die wachsende Marktmacht einiger großer digitaler Plattformen, ihr Zugriff auf große Datenmengen und veränderte Wertschöpfungsketten werfen deshalb die Frage auf, ob das Wettbewerbsrecht an die Gegebenheiten der digitalen Ökonomie angepasst werden muss.
  • Digitale Plattformen und Telekommunikationsrecht
    Einige digitale Plattformen ersetzen zunehmend bislang genutzte Telekommunikationsdienste – zum Beispiel Telefonie- und Videotelefoniedienste wie zum Beispiel Skype das Telefon oder Messengerdienste wie WhatsApp die SMS. Allerdings fallen diese Dienstanbieter bislang nicht unter die gleiche Regulierung wie Telekommunikationsanbieter. Um einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der Nutzer sicherzustellen, werden künftig auch diese Dienste rechtssicher in einen modernisierten Telekommunikationsrechtsrahmen einbezogen.

Eine moderne Wirtschaftspolitik für die digitalen Märkte

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, das Wettbewerbsrecht zu modernisieren sowie dessen rechtliche Grundlagen im Digitalbereich zu harmonisieren und zusammenzuführen. Zu diesem Zweck hat sie die „Kommission Wettbewerbsrecht 4.0“ eingesetzt, die als rechtspolitische Plattform für eine Debatte zur Weiterentwicklung insbesondere auch des europäischen Wettbewerbsrechts dient. Die Kommission hat im September 2019 ihren Abschlussbericht mit Handlungsvorschlägen vorgelegt.

Auf der Grundlage dieses Berichts sowie der vom BMWK schon zuvor beauftragten Studie zur „Reform der Missbrauchsaufsicht“ und den internationalen Debatten zum Wettbewerbsrecht hat das BMWK den Entwurf des GWB-Digitalisierungsgesetzes vorgelegt. Die Novelle soll ein Update der Wettbewerbsregeln für die digitale Wirtschaft bringen und dazu unter anderem den Missbrauch von Marktmacht großer Digitalplattformen verhindern, Mittelständler entlasten und die Schlagkraft des Bundeskartellamts in der digitalen Wirtschaft erhöhen.

Darüber hinaus regelt die sogenannte "Platform-to-Business"-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten) die Beziehung von Online-Vermittlungsdiensten zu ihren gewerblichen Nutzern. Online-Vermittlungsdienste wie Amazon, Ebay, Booking oder HRS spielen für den elektronischen Geschäftsverkehr eine bedeutende Rolle. 42 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nutzen Online-Vermittlungsdienste, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Gerade für KMU bieten Online-Vermittlungsdienste den Vorteil, mit wenig Aufwand einen großen Kundenkreis zu erschließen. Gleichzeitig verlieren die Unternehmen aber den direkten Kontakt zu ihren Kunden. Dadurch kann ein Abhängigkeitsverhältnis entstehen, das Missbrauchspotenzial birgt. Die Platform-to-Business-Verordnung stärkt die Rechte der gewerblichen Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und schafft ein verlässliches und vorhersehbares Geschäftsumfeld.

Digital-Gipfel 2019: PlattFORM die Zukunft

Aufgrund ihrer großen Bedeutung waren digitale Plattformen auch das Schwerpunktthema des letzten Digital-Gipfels, der unter dem Titel „PlattFORM die Zukunft“ am 28. und 29. Oktober 2019 in Dortmund stattfand. Mehr als 1.400 nationale und internationale Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft diskutierten auf dem Digitalgipfel Bedeutung, Vielfalt und Geschäftsmodelle der Plattformökonomie und tauschten sich über die richtigen Rahmenbedingungen, Strategien und Handlungsoptionen aus.

Projekt GAIA-X: Eine vernetzte Dateninfrastruktur für Europa

Beim Digital-Gipfel 2019 wurde zudem das Projekt GAIA-X vorgestellt. Mit dem Projekt GAIA-X wollen Bundesregierung, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam mit europäischen Partnern eine sichere und vernetzte Dateninfrastruktur schaffen, die den höchsten Ansprüchen an digitale Souveränität genügt und Innovationen fördert. Das Projekt dient als Wiege eines offenen und transparenten digitalen Ökosystems, in dem Daten und Dienste verfügbar gemacht, zusammengeführt und vertrauensvoll geteilt werden können.

Ziel ist die Vernetzung dezentraler Infrastrukturdienste zu einem homogenen, nutzerfreundlichen System. Die daraus entstehende Dateninfrastruktur stärkt sowohl die digitale Souveränität der Nachfragerinnen und Nachfrager von Cloud-Dienstleistungen als auch die Skalierungsfähigkeit und Wettbewerbsposition europäischer Cloud-Anbieter. Das steigert die Wertschöpfung und fördert Innovationen in Europa.